Einem Forschungsteam der Medizinischen Universität Wien (MedUni Wien) unter der Leitung von Oskar Aszmann ist es gelungen, bionische Prothesen zu sensibilisieren. Erstmals konnte das Fühlen mit künstlichen Gliedmaßen wiederhergestellt werden.
Bei einer bionischen Prothese, die auch als myoelektrische Prothese bezeichnet wird, werden die Muskeln des Amputationsstumpfes mit der Prothese verbunden. Durch elektrische Signale, die zur Prothese übertragen werden, kann diese gesteuert werden. Das heißt, die Prothese wird mittels Gedanken kontrolliert. Damit wird es Patient:nnen möglich, Bewegungen auszuführen, die mit einer herkömmlichen Prothese nicht vorgenommen werden könnten. So können sie mit einer myoelektrischen Prothese beispielsweise ein Glas greifen, jemandem die Hand schütteln oder etwas festhalten. Verglichen mit herkömmlichen Prothesen ermöglichen bionische Prothesen bessere Bewegungsmöglichkeiten und haben auch ein natürlicheres Erscheinungsbild.
Trotz intensiver Forschung und enormer Fortschritte in den vergangenen zwei Jahrzehnten können Patient:innen mit einer bionischen Prothese bisher eines aber nicht: Sie können sie nicht spüren und damit nicht fühlen.
Nach einer Amputation bildet der Amputationsstumpf, auf dem anschließend die Prothese aufgesetzt wird, die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine. Oskar Aszmann und Forscher:innen der Universitätsklinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (Klinisches Labor für bionische Extremitätenrekonstruktion der MedUni Wien) führten nun die bisher detailreichste Untersuchung einer solchen biologischen Schnittstelle im Tiermodell durch. Sie verbanden einen Nerv, der sowohl sensorische als auch motorische Fasern enthält, mit einem nicht dazugehörigen Muskel und nähten auf diesem zusätzlich noch ein Hauttransplantat an. Sensorische Fasern sind dafür verantwortlich, Informationen, die wir aus der Umwelt durch Sinneswahrnehmung wie etwa Fühlen aufnehmen, zum Hirn weiterzuleiten. Motorische Fasern hingegen leiten dann die Antwort des Gehirns zu den Muskeln.
Die Forscher:innen erzielten mit ihrem Experiment einen Durchbruch in der bionischen Rekonstruktion: Sie konnten beobachten, dass sich der Nerv in Muskel und Haut ausbreitet und funktionale Verbindungen mit den Muskelfasern sowie Rezeptoren, welche Bewegungen und Berührungen wahrnehmen, herstellte. Dieser Prozess wird als Reinnervation bezeichnet.
Der Informationsfluss entlang von Nerven in Gliedmaßen wird durch Amputation gestoppt. Die Untersuchungen am Tiermodell zeigten aber nun, dass durchtrennte Nerven zu neuen Muskeln und Haut umgeleitet werden können, um so den Informationsfluss wieder herzustellen. „Auf diese Weise haben wir eine neuromuskuläre Landschaft im Amputationsstumpf geschaffen, welche die verlorene Gliedmaße abbildet“, sagt Aszmann. Diese neuromuskuläre Landschaft besteht aus einem sehr dichten Nervenfasernetz und stellt über die transplantierte Haut wieder Verbindungen zu den natürlichen Berührungssensoren her. Außerdem erkannten die Forscher:innen, dass dadurch auch die Steuerung einer bionischen Prothese erheblich verbessert werden könnte.
„Wir konnten zum ersten Mal zeigen, dass ein Nerv, der nach einer Amputation sein Ziel verloren hat, eine künstlich geschaffene Umgebung wieder innervieren kann. […] Ich bin überzeugt, dass die Methode auch beim Menschen funktioniert.“ Kann man diese Erkenntnisse aus dem Tiermodell tatsächlich für Patient:innen nutzbar machen, könnten Prothesenträger:innen zukünftig vielleicht die Prothese so spüren und bewegen, als wäre sie Teil des Körpers. Zum diesem nächsten Schritt meint Aszmann: „Ich bin überzeugt, dass die Methode auch beim Menschen funktioniert.“
Univ.-Prof. Dr. Oskar C. Aszmann war Kooperationspartner in unserem bereits abgeschlossenen Projekt Bodytec.