Krebs stellt nach Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste Todesursache in Österreich dar [1]. Im Jahr 2022 starben etwas mehr als 21.000 Österreicher:innen an den Folgen einer Krebserkrankung [2], und jährlich wird bei mehr als 40.000 Personen in Österreich Krebs diagnostiziert. Die Inzidenz von Krebs – also die Anzahl neuer Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem bestimmten Zeitraum – ist steigend: Bis 2030 wird sich laut einer im Auftrag des Gesundheitsressorts des Ministeriums erstellten Prognose die Zahl der Krebserkrankungen im Vergleich zu 2014 um 39 % erhöhen [3]. Im Mehr als ein Viertel aller Krebspatient:innen in Österreich leiden an Prostata- bzw. Brustkrebs, die zweithäufigsten Krebserkrankungen betreffen mit je rund zehn Prozent die Lunge bzw. den Darm [4].
Auch weltweit stellt Krebs nach kardiovaskulären Erkrankungen die Todesursache Nummer zwei dar, und bis zum Ende dieses Jahrhunderts soll Krebs gar für die meisten Toten verantwortlich sein [5].
Die hohen Krebsraten sind großteils auf die erhöhte Lebenserwartung der Bevölkerung zurückzuführen. Nach einer „Altersbereinigung“ der absoluten Zahlen ergab sich insgesamt in den vergangenen Jahren ein rückläufiges Risiko, an Krebs zu sterben [6]. Der generelle Rückgang der Todesraten bei Krebspatient:innen ist vor allem auf eine Verbesserung in der Früherkennung und Behandlung sowie auf die Tatsache, dass es weniger Raucher:innen gibt, zurückzuführen [7]. Nichtsdestotrotz sind die absoluten Krebszahlen hoch und werden es auch zukünftig bleiben, und bis heute ist es immer noch nicht möglich, alle Krebsarten vollständig zu heilen. Daher wird aktuell weltweit intensiv an Krebstherapien und vorbeugenden Maßnahmen geforscht.
Durch eine Fehlregulation des Wachstums von Körperzellen kann es zur Bildung eines Tumors – auch als Geschwulst, Knoten, Gewächs oder Gewebswucherung bezeichnet – kommen.
Dabei ist nicht jeder Tumor bösartig (maligne, ein Malignom) und mit Krebs gleichzusetzen, denn es gibt auch gutartige (benigne) Formen. Bei diesen ist das Wachstum selbstlimitierend, und die atypischen Zellen verbreiten sich nicht im Körper. Gutartige Tumore zeichnen sich dadurch aus, dass sie meist – aber nicht immer – langsam wachsen, das umliegende Gewebe nicht infiltrieren und örtlich begrenzt sind. Meist sind sie als feste Kapsel tastbar, dringen nicht in Blutgefäße ein und lassen sich restlos durch eine Operation entfernen. Beispiele dafür sind Adenome oder Polypen, Fibrome, Hämangiome und Lipome.
So genannte prämaligne oder präkanzeröse Tumore hingegen enthalten abnormale Zellen, bei denen schon ein gewisses Risiko besteht, dass sie zu Krebs werden. Sie müssen nicht zwangsläufig bösartig werden, sollten jedoch sorgfältig überwacht oder behandelt werden. Zu den prämalignen Tumoren zählen beispielsweise Dickdarmpolypen.
Handelt es sich um einen bösartigen Tumor, spricht man von Krebs. Dabei ist Krebs ein Überbegriff und bezeichnet allgemein Erkrankungen, bei denen sich Zellen unkontrolliert vermehren und bei denen es in weiterer Folge zur Bildung von einem bösartigen Tumor kommt. Ein Tumor aus bösartigem Gewebe – also Krebszellen – ist in der Regel nicht klar abgrenzbar und kann sich im Organismus ausbreiten. Er kann sich durch folgende Eigenschaften auszeichnen: Bei infiltrierenden Tumorarten können die Tumorzellen in das Nachbargewebe einwachsen. Destruierende Tumore breiten sich in gesundem Gewebe aus und zerstören dieses. Außerdem können die entarteten Zellen über bestimmte Wachstumsfaktoren das Wachstum von Blut- und Lymphgefäßen begünstigen (Angiogenese), um so eine Versorgung der Tumorzellen mit Nährstoffen und Sauerstoff sicherzustellen. Krebszellen können auch selbst in die Blut- und Lymphbahnen eintreten und sich über diese dann in fortgeschrittenen Krebs-Stadien im gesamten Körper ausbreiten. Sie erreichen mit der Zeit auch andere Gewebe, dringen in diese ein und bilden dort Tochtergeschwülste, man spricht von metastasierenden Tumoren. Dadurch können lebenswichtige Organe bis zur Funktionsunfähigkeit geschädigt und zerstört werden.
Krebs kann prinzipiell den gesamten Körper betreffen, da sich theoretisch jede Körperzelle bösartig verändern und so zu einer Krebszelle werden kann. Je nachdem, welche Zellart betroffen ist und welche und wie viele Körperorgane befallen sind, werden verschiedene Krebsarten unterschieden. Diese sind wiederum durch unterschiedliche Symptome und Eigenarten gekennzeichnet.
Prinzipiell können Krebserkrankungen in drei Hauptgruppen eingeteilt (klassifiziert) werden:
Bei Erwachsenen stellen Karzinome und chronische Leukämien, die langsam voranschreiten, die häufigsten Krebserkrankungen dar. Bei Kindern und Jugendlichen hingegen treten vor allem akute Leukämien, die schnell voranschreiten und aus unreifen Zellen bestehen, sowie hochgradig bösartige (maligne) Lymphome und solide Tumoren (Neubildungen aus Gewebe) aus entartetem embryonalen Gewebe am häufigsten auf [7].
Um eine Behandlung bestmöglich planen und geeigneten Therapien finden zu können, erfolgt heute eine Einteilung (Klassifizierung) von Tumoren nach international gebräuchlichen Kriterien. Dabei wird Malignomen ein Grad („Grading“) und ein Stadium („Staging“) zugeordnet.
Das Grading (englisch für Abstufung) beurteilt, inwieweit sich Tumorzellen von gesunden Zellen unterscheiden [8]. Meist wachsen Tumorzellen umso schneller, je weniger differenziert sie sind[BG2] , und umso früher infiltrieren sie das umliegende Gewebe. Je höher der Grad eines Tumors von G1 bis G4 ist, desto weniger differenziert und bösartiger ist er.
Beim Staging wird anhand der Untersuchungsergebnisse ermittelt, in welchem Stadium sich der Tumor befindet. Dies ist für die voraussichtliche Prognose der Erkrankung wichtig. Nach dem System der Internationalen Vereinigung gegen Krebs (Union for International Cancer Control, UICC), der gebräuchlichsten Einteilung, gibt es hier die Stadien von I bis IV. Stadium IV bezeichnet dabei die am weitesten fortgeschrittenen Tumorerkrankungen.
Heute weiß man, dass die Entstehung von Krebs ein komplexer Prozess ist, an dem mehrere Faktoren beteiligt sind. Krebs wird daher auch als multifaktorielle Erkrankung bezeichnet. Im Erbgut einer Zelle häufen sich im Laufe der Zeit Veränderungen, so genannte Mutationen, an. Diese können spontan auftreten oder durch bestimmte krebserzeugende (karzinogene bzw. kanzerogene) Faktoren, wie etwa die natürliche Alterung, Schadstoffe in der Umwelt, Strahlung oder Viren, ausgelöst werden.
Bei manchen Krebsarten spielt auch die Veranlagung – die so genannte genetische Prädisposition durch bestimmte Veränderungen des Erbmaterials, die weitervererbt werden – eine Rolle. Das bedeutet, dass Personen mit einer solchen Veranlagung im Vergleich zu anderen ein höheres Risiko haben, irgendwann im Lauf ihres Lebens an Krebs zu erkranken.
Die Entstehung von Krebs läuft so ab: Häufen sich im Erbgut von Zellen Mutationen an, können diese den betroffenen Zellen zu Beginn einer Krebserkrankung zunächst einen Wachstumsvorteil gegenüber den Zellen in ihrer Umgebung verschaffen. Es folgt die unkontrollierte Teilung der entarteten Zellen und in weiterer Folge die Entstehung eines Tumors. Eine weitere Veränderung des Erbguts ermöglicht den Tumorzellen eine Versorgung mit Nährstoffen, das Eindringen in umliegende Zellschichten und Metastasenbildung. Zwischen dem Entstehen der ersten Krebszelle und dem Auftreten einer nachweisbaren Krebserkrankung können Jahre vergehen, wobei die eindeutigen Auslöser für eine Krebserkrankung sind nicht immer festzustellen sind. Das Risiko, an Krebs zu erkranken, steigt mit dem Alter.
Bei der Entstehung von Krebs spielen bestimmte Gene eine wichtige Rolle, die so genannten Onkogene und Tumorsuppressorgene [8, 9]. Diese kontrollieren in normalen, gesunden Zellen das Wachstum und die Differenzierung (Reifung): Onkogene fördern das Zellwachstum, während Tumorsuppressorgene Kontrollgene darstellen, die Zellen normalerweise an übermäßigem Wachstum hindern. Treten in diesen wichtigen Genen Mutationen auf, greift das Reparatursystem des Körpers normalerweise ein und behebt die Schäden.
Versagt jedoch das Reparatursystem, gerät die natürliche Balance aus den Fugen, und wichtige Kontrollen werden außer Kraft gesetzt. Durch Mutationen kann die Umwandlung eines Protoonkogens (eines Vor-Krebsgens) in ein aktives zelluläres Onkogen (ein Krebsgen) erfolgen, welches die Zellteilung fördert. Tumorsuppressorgene können durch Mutationen inaktiviert werden und können ihre Funktion dann nicht mehr erfüllen. In beiden Fällen – nach der Umwandlung von einem Protoonkogen in ein Onkogen oder der Inaktivierung eines Tumorsuppressorgens – kann es zu unkontrolliertem Zellwachstum und Tumorbildung kommen.
Das am häufigsten mutierte Onkogen in menschlichen Tumoren ist ras. Ras-Proteine erfüllen wichtige Funktonen an Knotenpunkten verschiedener Signalwege der Zelle und werden durch externe Stimuli aktiviert. Mutationen von ras werden in jedem dritten Tumor gefunden und bewirken, dass die Zelle permanent Wachstums-stimulierende Signale erhält.
Das bekannteste Beispiel für ein Tumorsuppressorgen ist p53, einProtein, das im Zellkern vorkommt. Es vermittelt nach DNA-Schädigung einen Zellzyklus-Stop, um das Wachstum einer Zelle zu verhindern. Diese hat dadurch mehr Zeit, die DNA-Schäden zu reparieren oder bei nicht korrigierbaren Fehlern des Genoms den programmierten Zelltod (die Apoptose) einzuleiten. Bei etwa 60 % aller Tumorerkrankungen liegen Mutationen von p53 vor. Das hat zur Folge, dass potentiell bösartige Zellen nicht mehr in der Lage sind, in die Apoptose einzutreten, um sich selbst zu zerstören, weiter proliferieren und im schlimmsten Fall auch metastasieren können.
Dieser Text entstand im Rahmen des FANTOM-Projekts.
as, 22.12.2023
[1] Statistics Austria: Causes of death 2022. Abgerufen am 12.12.2023
[4] Statistik Austria: Krebserkrankungen in Österreich 2022.
[8] Onko Internetportal der Deutschen Krebsgesellschaft: Klassifikation von Tumoren (TNM-System & Grading). Abgefragt am 13.12.2023.
[9] Onko Interportal der deutschen Krebsgesellschaft: Wie Krebs entsteht. Abgefragt am 12.12.2023