Vitamine sind organische Verbindungen, die beim Menschen und auch anderen Lebewesen für viele Funktionen im Körper unentbehrlich sind. Doch wofür sind Vitamine so wichtig? Wieso gibt es kein Vitamin F? Und was hat es mit der sogenannten „Seefahrer-Krankheit“ auf sich? Das Wichtigste über Vitamine gibt es hier im Überblick.
Als Vitamine werden organische Verbindungen bezeichnet, die für den menschlichen Körper essentiell sind, die er aber nicht bzw. nicht in ausreichendem Maß selbst herstellen kann [1]. Sie sind an verschiedenen wichtigen Prozessen im Körper beteiligt, wie beispielsweise dem Aufbau und Schutz von Zellen. Manche Vitamine haben eine wichtige Rolle bei der Bildung von Knochen oder bei der Blutbildung, andere sind wesentlich an der Regulation des Stoffwechsels beteiligt oder können auch Bestandteil von Enzymen sein [1, 2]. Im Gegensatz zu anderen Stoffen, wie etwa Fetten, Proteinen oder Kohlenhydraten, dienen Vitamine nicht als Baustoffe oder zur Energieerzeugung im Organismus. Vitamine werden von Pflanzen, Bakterien und Tieren gebildet und kommen in der unbelebten Natur nicht vor.
Die Bezeichnung Vitamin stammt ursprünglich vom polnisch-amerikanischen Biochemiker Casimir Funk. Dieser erforschte in den 1920er Jahren die Auswirkung von Mangelernährung auf das Wachstum von Tieren und stellte anhand seiner Forschungsergebnisse die Hypothese auf, dass Vitaminmängel Ursache bestimmter Krankheiten sein könnten. Funk erforschte insbesondere die Vitaminmangelkrankheit Beriberi. Diese Nervenerkrankung trat am Ende des 18. Jahrhunderts in Regionen auf, in denen Reis als Hauptnahrungsmittel in geschälter Form statt zuvor mit Schale gegessen wurde. In der Reisschale befand sich offenbar ein Stoff, der für den Körper so wichtig war, dass ein Mangel daran zu einer Erkrankung führte. Funk bezeichnete den Stoff, der sich nur in der Reisschale befand, als Vitamin B1 (heute bekannt als Thiamin). Der Forscher ging davon aus, dass alle lebensnotwendigen Stoffe wie Vitamin B1 Amine (stickstoffhaltige Verbindungen) enthalten. Die von ihm geprägte Bezeichnung für Vitamine setzt sich daher aus zwei verschiedenen Begriffen zusammen: Vita (lateinisch für Leben) und Amin (eine stickstoffhaltige Verbindung). Spätere Untersuchungen ergaben allerdings, dass nicht alle Vitamine Stickstoff enthalten oder zu den Aminen zählen. Ein Beispiel dafür ist etwa die Ascorbinsäure (Vitamin C), eine Carbonsäure ohne Stickstoff.
In den darauffolgenden Jahren bis etwa 1940 entstand ein regelrechter Vitamin-Boom. Neue Messmethoden ermöglichten es Forscher:innen, chemische Verbindungen auf molekularer Ebene zu ergründen, und alle bis heute bekannten Vitamine wurden entdeckt. Albert Szent-Györgyi etwa isolierte Vitamin C aus Paprika und Kohl, und Norman Haworth klärte dessen chemische Struktur auf. Für ihre Arbeit erhielten die beiden Wissenschaftler im Jahr 1937 den Nobelpreis für Medizin und Chemie.
Heute sind insgesamt 13 Vitamine bekannt, die für den Menschen lebensnotwendig sind: die Vitamine A, C, D, E, K sowie die B-Vitamine.
Die menschlichen Vitamine wurden ihrer Entdeckung folgend chronologisch als Vitamin A bis K benannt. Heute klafft ein Loch in der Nomenklatur (Benennung) zwischen den Vitaminen E und K. Das liegt daran, dass Stoffe, die ursprünglich der Klasse von Vitaminen zugeordnet waren, heute wieder aus der Liste der Vitamine entfernt wurden.
Die Trivialnamen – also die ursprünglichen Bezeichnungen für die 13 Vitamine, wie etwa Vitamin B1, Vitamin E, Vitamin D usw. – werden bis heute noch beibehalten. Immer häufiger jedoch wird eine Bezeichnung, die sich auf ihre chemische Struktur bezieht, verwendet und als korrekter angesehen. So etwa wird der Name Vitamin D3 häufig als Cholecalciferol bezeichnet oder Vitamin B1 als Thiamin.
Die Einteilung der Vitamine erfolgt nach ihrer Löslichkeit in fettlösliche (lipophile) und wasserlösliche (hydrophile) Vitamine.
Fettlösliche Vitamine sind apolare (unpolare) Moleküle, die nach außen hin ungeladen sind und gemeinsam mit Lipiden (Fetten) mit der Nahrung aufgenommen und verdaut werden. Sie können im Gegensatz zu wasserlöslichen Vitaminen im Körper gespeichert werden: Mithilfe der Gallensäure werden die fettlöslichen Vitamine im Rahmen der Fettverdauung im oberen Dünndarm resorbiert (wieder in den Körper aufgenommen) und in der Leber gespeichert. Bei Bedarf werden sie wieder freigesetzt. Zu den fettlöslichen Vitaminen zählen Vitamin A (Retinol), Vitamin D (Calciferol), Vitamin E (Tocopherol) und Vitamin K (Phytochinon). Ein kleiner Tipp: Diese Stoffgruppe kann man sich leichter mithilfe einer „Eselsbrücke“ merken: EDeKA.
Wasserlösliche Vitamine bestehen – mit Ausnahme von Vitamin B12 – aus polaren Molekülen und sind somit wasserlöslich. Sie können über carriervermittelten Transport im oberen Dünndarm aufgenommen werden, wobei die Carrier-Proteine in der Zellmembran der Darmschleimhautzellen sitzen und den wasserlöslichen Vitaminen helfen, diese Lipidschicht zu überwinden. Im Dickdarm ist auch eine Aufnahme durch einfache bzw. erleichterte Diffusion möglich. Diese Vitamine werden nicht gespeichert, sondern vom Darm direkt ins Blut abgegeben. Zu den wasserlöslichen Vitaminen zählen Vitamin C sowie die verschiedenen B-Vitamine, nämlich Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B2 (Riboflavin), Niacin (Vitamin B3), Pantothensäure (Vitamin B5), Vitamin B6 (Pyridoxin), Biotin (Vitamin B7, Vitamin H), Folsäure (Vitamin B9 oder Folat) und Vitamin B12 (Cobalamin). Wasserlösliche Vitamine müssen konstant mit der Nahrung zugeführt werden und sind vor allem als Cofaktoren von Enzymen wichtig. Cofaktoren sind Bestandteile von Enzymen, die nicht aus Proteinen bestehen bzw. nur vorübergehend an das Enzym gebunden und essentiell für die Funktion des Enzyms sind.
Neben den Vitaminen gibt es auch sogenannte Provitamine. So werden Stoffe bezeichnet, die im Körper zu Vitaminen umgewandelt werden, es handelt sich also um Vorstufen von Vitaminen. Zu den Provitaminen zählen etwa L-Tryptophan, das zu Niacin umgewandelt wird, oder auch beta-Carotin, das zu Vitamin A (Retinol) wird.
Durch die vielfältigen Strukturen der unterschiedlichen Vitamine haben diese auch sehr unterschiedliche Funktionen im menschlichen Körper.
Vitamin A (Retinol) wurde als erstes fettlösliches Vitamin 1913 von Forschern entdeckt und ist einerseits für den Sehvorgang, aber auch zur Genregulation und somit auch zur Wundheilung wichtig. Vitamin A-Derivate, also von dessen Grundstruktur abgeleitete Verbindungen, wie zum Beispiel Retinsäure, sind während der Genese (dem Wachstum) von neuen Geweben in der Embryonalentwicklung vor allem für Nervenzellen essentiell. Sie sind aber auch an der Funktion und Instandhaltung von Organen wie zum Beispiel den Nieren beteiligt [3]. Retinol-Derivate unterstützen außerdem die Kollagensynthese im Körper und sind deshalb oft Bestandteil von Kosmetika oder Anti-Aging Cremes.
Vitamine spielen auch eine wichtige Rolle im Immunsystem. Einerseits wirken Vitamine wie Vitamin C als Antioxidantien. Sie fangen freie Sauerstoffradikale im Körper ab und helfen so Schäden, die durch diese freien entstehen, zu minimieren. Riboflavin (Vitamin B2) kann an Immunabwehrzellen binden und diese zur Produktion von wichtigen Stoffen zur Immunabwehr gegen Krankheitserreger anregen [4].
Alle für den menschlichen Körper essentiellen Vitamine können mit der Nahrung aufgenommen werden. Eine Ausnahme bildet hier nur Vitamin D, das der Körper unter Sonneneinstrahlung selbst synthetisieren kann. Sowohl ein Überschuss als auch ein Mangel an Vitaminen können der Gesundheit schaden.
Obwohl Vitamin A für die Wundheilung und Kollagensynthese benötigt wird, kann ein Überschuss davon kann in seltenen Fällen schädlich für den Körper sein [5]. Die Überzufuhr von Vitaminen wird prinzipiell als Hypervitaminose bezeichnet. Folgeerkrankungen einer Hypervitaminose von Vitamin A können Lebererkrankungen sein.
Das Gegenteil davon – also die Unterversorgung des Körpers mit einem Vitamin – nennt man Hypovitaminose. In einem Extremfall, wenn alle körperlichen Reserven des Vitamins aufgebraucht sind, spricht man von einer Avitaminose. Vitaminosen können Krankheiten auslösen. Beispiele für Vitamin A-Mangel ist die Nachtblindheit, ein Mangel an Vitamin B2, B6 oder B9 kann zu Anämie (Blutarmut) führen. Die meisten Erkrankungen in Folge einer Avitaminose sind jedoch reversibel und heilbar.
Eine schon sehr lange bekannte Krankheit, die auf einem Vitaminmangel beruht, ist Skorbut. Schon zweitausend Jahre v.Chr. im alten Ägypten und auch im Zeitalter der Entdeckungen (15. bis 18. Jahrhundert) war sie die häufigste Todesursache von Seefahrern, weshalb die Krankheit auch als Seefahrerkrankheit bekannt ist. Auf langen Schiffsreisen war es früher unmöglich, frisches Obst und Gemüse mitzunehmen. Die Seefahrer erkrankten häufig an Skorbut, was sich durch Zahnfleischprobleme, Durchfall und eine höhere Anfälligkeit für Infektionskrankheiten äußerte. Erst im 18. Jahrhundert entdeckten Schiffsärzte, dass viel Zitronen- und Orangensaft sowie Sauerkraut gegen diese Krankheit helfen.
B-Vitamine sind vor allem in Paprika, grünem Gemüse, Vollkorngetreide oder Sojaprodukten enthalten. Vitamin E spielt eine wichtige Rolle bei der Blutgewinnung oder auch im Zellschutz und kommt unter anderem in Pflanzenölen vor. Auch Vitamin K ist wichtig für die Blutgerinnung und ist in sehr vielen Nahrungsmitteln enthalten: in Getreide, grünem Gemüse, Obst, aber auch in Eiern.
Vor allem Veganer:innen müssen auf eine ausreichende Versorgung mit dem Vitamin B12 achten und führen dieses häufig in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (NEM) zu, da es hauptsächlich in tierischen Produkten enthalten ist. Auch Vitamin D wird oft in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder Präparaten eingenommen – vor allem in den Wintermonaten, wenn wenig Sonne scheint. Ein Überschuss an Vitamin D kann aber auch negative, unerwünschte Folgen wie Bauchschmerzen, Übelkeit bis hin zu Herzrhythmusstörungen haben.
Deshalb sollte man generell bei einem vermuteten Vitaminmangel eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen und sich dort beraten lassen.