Forscher*innen der Medizinischen Universität Graz ist es gemeinsam miteiner Kollegin in Großbritannien gelungen, Veränderungen im Stoffwechsel des menschlichen Gehirns bei unterschiedlichen Demenz-Erkrankungen nachzuweisen. Die neuen Erkenntnisse könnten dabei helfen, die schwer diagnostizierbare degenerative Hirnerkrankung Morbus Pick von anderen alterungsbedingten Krankheiten zu unterscheiden.
In Österreich leben derzeit über 110.000 Menschen mit Demenz, und die Zahl der Diagnosen dieser Krankheit verdoppelt sich alle 20 Jahre. Demenz beeinträchtigt das Leben der betroffenen Patient*innen enorm. Wirksame Behandlungen gibt es zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nicht.
Frontotemporale Demenz (FTD), auch bekannt als Morbus Pick, ist die zweithäufigste Form der Demenz nach der Alzheimer-Krankheit. Sie umfasst eine Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, die sich unter anderem in fortschreitenden Sprach- und motorischen Defiziten sowie Persönlichkeitsveränderungen und auffälligem Sozialverhalten äußern. Im Verlauf der Erkrankung sterben immer mehr Nervenzellen in den vorderen und seitlichen Hirnregionen ab. FTD gehört weltweit zu den häufigsten Subtypen der Demenz mit frühem Beginn vor dem 65. Lebensjahr. Die Lebenserwartung nach Auftreten der Symptome wird auf 3 bis 13 Jahre geschätzt, wobei sich Muskelschwund als Begleiterkrankung negativ auf diese auswirkt.
FTD-Patient*innen haben ähnliche Symptome wie Patient*innen mit der Alzheimer-Krankheit, weshalb es oft zu falschen Diagnosen kommt. Es besteht daher ein großer Bedarf, so genannte Biomarker zu identifizieren, um FTD von Alzheimer und anderen Demenztypen zu unterscheiden sowie weiter zwischen FTD-Unterarten zu differenzieren.
Als Biomarker werden biologische Merkmale bezeichnet, beispielsweise eine Gensequenz, aber auch Blutdruck oder Herzfrequenz. Molekulare Biomarker werden heute vermehrt für Diagnose und Therapie herangezogen.
Um neue Ansätze für die (Früh-)Erkennung und Behandlung von genetischen und altersbedingten Demenzerkrankungen zu finden und die Ursachen des Alterns besser zu verstehen, ist es wichtig, Biomarker für diese Erkrankungen zu entdecken.
Ein Team an Wissenschaftler*innen der Med Uni Graz und einer Forscherin aus London untersuchte die Veränderungen bestimmter Proteine. Für ihre Arbeit nutzten die Wissenschaftler*innen als Methode die Kernresonanzspektroskopie (NMR). Sie zeigten, dass Stoffwechselprodukte im menschlichen Gehirngewebe nach dem Tod mittels Kernresonanzspektroskopie (NMR) untersucht werden können. Weiters zeigten sie, dass Veränderungen in den Konzentrationen bestimmter Stoffwechselprodukte es ermöglichen, sowohl FTD und ihre Subtypen als auch Alzheimer voneinander zu unterscheiden.
Die Forscher*innen konnten zeigen, dass es bei FTD und Alzheimer-Erkrankungen zu ganz speziellen Störungen im Stoffwechsel des menschlichen Gehirns kommt. Sie vermuten, dass die so genannte Arginin-Methylierung ein Treiber der FTD-Erkrankung ist, weshalb sie ein vielversprechendes therapeutisches Ziel darstellen könnte.
Die körpereigene Veränderung von Proteinen, wie beispielsweise durch Arginin-Methylierung, spielt eine wichtige regulatorische Rolle in unseren Zellen. Bei der Arginin-Methylierung werden Methylgruppen (ein Kohlenstoff- und drei Wasserstoffatome) zu einem Protein hinzugefügt. Dies kann die Funktion des Proteins verändern.
Laut Tobias Madl, dem Leiter der Arbeitsgruppe an der Med Uni Graz, dient die Studie gleichzeitig auch als „proof of concept“ für zukünftige Forschung, die die Beziehungen zwischen Stoffwechsel, FTD und der Alzheimer-Erkrankung aufklären soll.
„Die Untersuchung neurodegenerativer Erkrankungen mit der NMR-Spektroskopie wird im Rahmen einer umfangreichen Studie nun erweitert“, so Tobias Madl.
Veröffentlicht wurde die Arbeit in der wissenschaftlichen Zeitschrift „Progress in Neurobiology“.
bg, 30.01.2023
Quelle:
Presseaussendung der Med Uni Graz vom 26.1.2023
Originalpublikation:
Zhang, F., Rakhimbekova, A., Lashley, T., & Madl, T. (2023). Brain regions show different metabolic and protein arginine methylation phenotypes in frontotemporal dementias and Alzheimer’s disease. Progress in Neurobiology, 221, 102400. https://doi.org/https://doi.org/10.1016/j.pneurobio.2022.102400