Männer und Frauen fühlen sich durch dieselben Aufgaben gleichermaßen gestresst, aber ihre Reaktionen darüber fallen sehr unterschiedlich aus. Dieses Wissen hat ein Forschungsteam der Uni Tübingen rund um die österreichische Psychologin Birgit Derntl zusammengetragen. Die Arbeit zeigt den Einfluss des Selbstwerts, der Hormone und des Umgangs mit Stress auf.
Das Forschungsteam lies je 40 Frauen und Männer eine Reihe stressreicher Situationen durchleben – etwa durch eine fordernde mathematische Aufgabe um Leistungsstress hervorzurufen, oder durch Ausgrenzung um sozialen Stress auszulösen. Hierbei wurden die Ausschüttung von Hormonen, die Vorgänge im Gehirn und das Verhalten der Testpersonen beobachtet und analysiert. Beide Geschlechter gaben an, unter den vorgegeben Bedingungen im Schnitt gleichermaßen gestresst gewesen zu sein.
Obwohl das Stressempfinden von beiden Gruppen etwa gleich eingeschätzt wurde, gab es starke Unterschiede bei der Hormonausschüttung: Das Hormon Kortisol, der Indikator bei Stressreaktionen, war nur bei den Männern angestiegen. Die Studie legt demnach nahe, dass empfundener Stress nicht automatisch mit einer Erhöhung des Kortisolspiegels einhergeht. Zudem waren anlog zum Kortisolanstieg bei Männern jene Gehirnareale aktiver, die für erhöhte Aufmerksamkeit verantwortlich sind.
Auch das Selbstbewusstsein hatte einen Einfluss auf das subjektive Stressempfinden. Wenig selbstbewusste Frauen wiesen aktivere Kontrollareale im Gehirn auf. Für sie stand ein klares Ziel im Vordergrund: Die Aufgabe gut zu erfüllen. Bei Männern waren eher Teile des Gehirns aktiviert, die in Verbindung mit Selbstbezug und Emotionen stehen.
Eine mögliche Begründung für die überraschend unterschiedlichen Reaktionen von Frauen und Männern könnte sein, dass Männer in Stresssituationen eher nach dem Prinzip „Fight-or-flight“ (Kampf oder Flucht) handeln, so Derntl. Frauen neigen hingegen eher zu einer „Tend-and-befriend“-Strategie, sie versuchen daher eher, sich mit den Umständen zu arrangieren und anzufreunden.
In Anbetracht der vorläufigen Ergebnisse meint Derntl auch, dass sich dennoch keine eindeutige Unterscheidung zwischen Männern und Frauen zeigte, da etwa beim subjektiven Stressempfinden kein Geschlechterunterschied festgestellt werden konnte.
Quelle:
Publikation:
Chung KC, Springer I., Kogler L. et al.: The influence of androstatienone during psychosocial stress is modulated by gender, trait anxiety and subjective stress: An fMRI Study. Psychoneuroendocrinology (2016). Jun;68:126-39. doi: 10.1016/j.psyneuen.2016.02.026
JM, 14.02.2017