Christina Staginnus arbeitet am Landeskriminalamt in Mainz - sie ist dort als Sachverständige für DNA-Analysen in der Biologie zuständig und analysiert Proben von Menschen und Pflanzen. Wie die promovierte Biologin und Chemikerin ihre Liebe zur Forensik entdeckt hat, wie ihr Alltag aussieht und wovor sogar sie sich noch ekelt erzählte sie Open Science in einem Interview.
Sie haben ja Biologie studiert und danach lange in der Grundlagenforschung gearbeitet. Wie sind Sie eigentlich zur Forensik gekommen?
Ich habe Biologie und Chemie in Frankfurt studiert und war danach an der Akademie der Wissenschaften in Salzburg und am GMI in Wien in der Grundlagenforschung tätig. Im Zuge meiner Doktorarbeit hatte ich erstmals mit repetitiven DNA-Sequenzen zu tun, die ja in der forensischen Analyse eine wichtige Rolle spielen. Damals allerdings arbeitete ich damit noch zu keinem forensischen Zweck - ich habe während dieser Zeit ein Experiment für SchülerInnen entwickelt, das ich dann bei einer LehrerInnenfortbildung präsentierte. Und beim Einlesen zu den Vorbereitungen dazu habe ich sozusagen Feuer gefangen für die Forensik. In dieser Zeit habe ich dann auch Initiativbewerbungen an forensische Institute geschickt.
Wieso hat es dann so lange gedauert, bis Sie bei der Forensik gelandet sind?
Im Nachhinein ist es schon erstaunlich, aber die positive Antwort auf meine Bewerbung vom Landeskriminalamt kam mit jahrelanger Verzögerung, als ich schon meinen Postdoc in Österreich machte. Aber sie hat mich ja doch erreicht, und so konnte ich über Umwege 2006 meine Arbeit hier antreten.
Wie lief Ihre Einschulung bei der Kripo ab?
Als ich beim Labdeskriminalamt in Mainz begonnen habe, habe ich ein halbes Jahr lang mit einem erfahrenen Sachverständigen zusammengearbeitet. Ich bekam eine Einschulung in die verschiedenen Stationen und habe vom Eingang bis zur Auswertung alles durchlaufen. Ich war auch bei Gerichtsverhandlungen dabei und habe damals schon eigene Gutachten zur Probe geschrieben. Dazwischen nahm ich laufend an Schulungen teil. Erst dann durfte ich eigenständig arbeiten. Die Einarbeitung läuft in jedem Bundesland ein wenig anders ab.
Aus dem Fernsehen kennen wir alle Serien wie C.S.I. Miami, bei denen die ForensikerInnen ja auch eine wichtige Rolle spielen. Wie sieht denn Ihr Alltag aus, ist der auch so aufregend wie in den Serien?
Mein Alltag richtet sich immer nach meinem jeweiligen Dienstplan und – gleich vorweg – nein, er ist nicht ganz so aufregend wie in den Serien dargestellt. Alle 4 bis 5 Wochen habe ich eine Woche lang Bereitschaftsdienst im Eingangslabor. Dabei bearbeite ich neu eingehende Fälle und sichere menschliche DNA-Spuren von Asservaten – das sind sichergestellte Gegenstände - die die Polizei mir vom Tatort schickt. Ich selbst komme nur äußert selten an einen Tatort, das passiert nur in Fällen, in denen das Objekt nicht verschickt werden kann. Manchmal nehme ich allerdings pflanzliche Spuren an Tatorten, die zuvor schon von der Polizei abgesichert wurden. Das geschieht auf Anfrage der Polizei und in deren Begleitung zum Beispiel bei Cannabis-Plantagen. In den Wochen zwischen meinen Bereitschaftsdiensten, was ja den Großteil meiner Arbeit ausmacht, arbeite ich entweder selbst im Labor an Proben oder nehme Auswertungen vor. Ich schreibe auch Gutachten, die ich in etwa alle zwei Monate einmal vor Gericht vertrete.
Wie realistisch ist das Bild der ForensikerInnen, das in den Fernsehserien vermittelt wird?
Sehr unrealistisch – sowohl von der zeitlichen Dimension, die dargestellt wird, als auch von der oft fehlenden Sorgfalt, mit der im Fernsehen vorgegangen wird. Die kurzen Bearbeitungszeiten, die in den Serien oft gezeigt werden, sind in der Regel nicht machbar. Kurze Bearbeitungszeiten sind in dringenden Fällen zwar ermittlungsbegleitend möglich, aber nicht die Regel, da sonst die gesamte Routine durcheinanderkommen würde. Ein Aufkommen von z.T. mehreren Dutzend Spuren pro Fall und etwa Hundert Fällen pro Woche verlangt eine gewisse Schachtelung der Arbeitsabläufe. Und dass eine Person alle ExpertInnenfähigkeiten vereinigt, wie im Fernsehen vermittelt wird, ist auch falsch. Wir arbeiten immer im Team, und da gibt es neben dem DNA-Profi dann eben auch einen Experten oder eine Expertin für Textilfasern, für Haare, jemand anderen für Fingerabdrücke etc. Die anderen Sachverständigen derselben Fachrichtung sind auch dazu da, um die Ergebnisse der anderen zu überprüfen – vier Augen sehen immer mehr als zwei.
Wenn Sie sichergestellte Gegenstände von einem Tatort erhalten– wie geht es damit weiter?
Ich sichere im Eingangslabor Spuren von Kleidern oder Tatwerkzeugen. Das geschieht meist mit Wattestäbchen oder Klebefolien. Im Labor werden die Spuren dann mit molekularbiologischen Methoden untersucht, vor allem auf Basis der PCR („Polymerase Chain Reaction“, eine Methode, um DNA in vitro zu vervielfältigen). Auch biochemische Tests und Antikörper-Nachweise stehen bei mir am Programm, z.B. um die Herkunft einer Spur aus einem bestimmten Gewebe zu klassifizieren.
Mal ehrlich – bei diesem Beruf – ekeln Sie sich überhaupt noch vor bestimmten Dingen?
Ja. Zwar sehr selten, aber es kommt schon vor, und das sind dann meistens Gerüche. Kleidung und Verpackung von Leichen ist oft ganz schlimm. Für solche Fälle verwenden wir dann Aktivkohle-Mundschutz, das macht es besser, allerdings schwitzt man auch stark darunter. Um in der Forensik arbeiten zu können, muss man schon in der Lage sein, hin und wieder seinen Ekel für ein paar Stunden zu überwinden. Ganze Leichen untersuchen wir allerdings nicht, die kommen in die Gerichtsmedizin, und die schickt uns dann Blut- und Gewebeproben.
Erfahren sie, ob VerbrecherInnen aufgrund Ihrer Analysen im Labor tatsächlich überführt werden konnten?
Ja, ich kann jederzeit nachfragen, wie ein Fall ausgegangen ist. Und für größere Fälle gibt es Abschlussbesprechungen der Ermittlergruppe, zu denen man eingeladen wird. Außerdem kann man sich natürlich über den Ausgang des Gerichtsverfahrens informieren, selbst wenn man die Urteilsverkündung nicht vor Gericht miterlebt hat. Teilweise bin ich zu einzelnen Verhandlungsterminen selbst zu Gericht geladen. Und da ist es dann spannend, die Beteiligten des Verfahrens erstmals selber zu sehen. Zuvor erfahre ich nur die Tatumstände, soweit sie für meine Arbeit relevant sind, nichts Persönliches. Sachverständige sollten völlig objektiv arbeiten. Trotzdem hat man oft ein Bild des Geschehens oder der Personen im Kopf, und manchmal ist es ganz anders als die Realität. Wenn man Zeit hat , eine Gerichtsverhandlung länger zu verfolgen, ist es oft spannend mitzuerleben, wie sich das Bild des Geschehens und die Rolle der Beteiligten langsam zusammensetzt - auch durch die Gutachten der Sachverständigen. Und wie es manchmal auch zu interessanten Wendungen kommt.
Was würden Sie jungen Leuten raten, die sich für Forensik interessieren und eine Berufswahl in diese Richtung ins Auge fassen?
Ich würde ihnen raten, niemals nur die Forensik als Berufsziel zu wählen. Besser ist es, sich auch andere Anwendungen offen zu halten, da es für ForensikerInnen zumindest in Deutschland nur sehr wenige fixe Stellen gibt. Es wäre gut, ein naturwissenschaftliches Studium zu wählen, bei dem man sich auf einen bioanalytischen Zweig spezialisieren kann. Bekommt man erst einmal keinen Arbeitsplatz in der Forensik, bleiben so auch andere Berufsalternativen offen, und vielleicht kommt ja ein Jobangebot zu einem späteren Zeitpunkt. Ich selbst bin ja auch über die Biologie und Chemie in diese Domäne eingestiegen. Es gibt in Deutschland zwei Studienlehrgänge für Forensik an Fachhochschulen, die man mit Bachelor und Master abschließen kann. Wie gesagt, die Wahrscheinlichkeit, mit diesem Abschluss dann gleich eine Stelle als ForensikerIn zu finden, ist aber eher gering. Auch wenn es keine sonderlich guten Jobaussichten gibt in der Forensik - bei Interesse sollen sich die jungen Leute auf alle Fälle trotzdem bewerben und auch Praktika in forensischen Instituten machen – vielleicht klappt es ja.
Erstellt am 22.12.2014