CRISPR-Interview mit Ulrich Elling (IMBA)

, Bild: ©IMBA/ Tkadletz

Ulrich Elling ist Forschungsgruppenleiter am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) und beschäftigt sich vorwiegend mit der Erforschung von embryonalen Stammzellen (ES) und induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS). Er stellte kürzlich im renommierten Fachjournal Nature Methods mit CRISPR-UMI eine neue CRISPR/Cas-basierte Methode vor, die „das Screening auf ein nächstes Level hebt“, wie der Forscher sagt.

CRISPR/Cas9-basiertes DNA-Editing wird heute unter anderem dazu eingesetzt, um mit groß angelegten genetischen Screens die Funktion von Genen zu untersuchen. Schwachpunkt der Screens war bisher immer die Heterogenität der Zellpopulationen, wodurch individuelle Mutanten als einzelne Ausreißer in der Menge untergingen und im Versuch durchfielen. Elling versah deshalb mit seinem Team die für den Screen verwendeten Zellen mit einem „Unique Molecular Identifier (UMI)“, einem komplexen Barcoding System. Die neue Methode von Elling erlaubt es nun, separat hunderte unabhängige Klone zu identifizieren, die aus einzelnen Zellen hervorgehen. CRISPR-UMI ist sensibler, robuster und besser reproduzierbar als herkömmliche Ansätze. Die neue Methode könnte in Zukunft zur Erforschung stochastischer Ereignisse in der Biologie hilfreich sein – so etwa der Reprogrammierung von Zellen, der Zelldifferenzierung oder der Entstehung von Metastasen.

Im Rahmen des Open Science Projekts zu CRISPR/Cas hat Elena Kinz Ulrich Elling zu aktuellen Fragen um die neue Genom-Editierungsmethode interviewt.

 

Herr Elling, welche Informationen konnten Sie bereits über Stammzell-Gene erforschen und in welchem Kontext sind diese Informationen relevant?

Wir forschen in meinem Labor am IMBA an mehreren Aspekten der Stammzell-Biologie. Dabei fasziniert mich besonders ein unvoreingenommener Ansatz, bei dem ich mittels großer genetischer Screens neue Mechanismen der Biologie entdecke. Ein Screen ist im Prinzip die genetische Analyse der Effekte vieler oder aller Gene parallel. So konnten wir z.B. Gene identifizieren, die für die Zell-Identität wichtig sind. Schaltet man diese aus, so lässt sich die Zelle leichter in eine andere Zelle überführen. Das kann man sich beispielweise zunutze machen, wenn man aus differenzierten Zellen sogenannte induzierte pluripotente Stammzellen herstellt (iPS Zellen).

Ein weiterer wichtiger Fund und Basis meines Labors war die Etablierung haploider Stammzellen. Diese Stammzellen sind aus Blastulas gezüchtet worden, die sich aus künstlich aktivierten, unbefruchteten Eizellen entwickelt haben.

 

Sie arbeiten mit haploiden embryonalen Maus-Stammzellen, um durch genom-weite Screens rascher Informationen über zelluläre Funktionen wie Zelldifferenzierung und Genexpression zu erhalten. Warum ist diese künstlich herbeigeführte Haploidie der Zellen nützlich?

Zunächst einmal war es unerwartet, dass man überhaupt haploide Stammzellen herstellen kann, somit war alleine diese Tatsache schon etwas Besonderes. Wie Sie sagen, nutzen wir die Zellen primär für genetische Screens. In unserem normalen, diploiden Genom sind Gene doppelt codiert, nämlich im mütterlichen und väterlichen Chromosomensatz. Will man die Rolle bestimmter Gene studieren, so muss man beide Kopien (Allele) ausschalten. Das ist technisch schwierig und erst seit kurzer Zeit überhaupt möglich. In haploiden Stammzellen dagegen ist zufällige Mutagenese – wir verwenden primär Insertionsmutagenese mit Viren oder Transposons – ausreichend, da eben nur ein Allel jeden Gens vorhanden ist.

 

Für welche konkreten Zwecke verwenden Sie und Ihr Team CRISPR basierte Genom-Editierungs-Methoden, und wie hat sich Ihre Arbeit dadurch verändert?

Einen wahren wissenschaftlichen Durchbruch erkennt man unter anderem daran, dass er innerhalb allerkürzester Zeit von vielen aufgegriffen wird. Die CRISPR/Cas9 Technologie gehört heutzutage zum normalen technischen Repertoire der allermeisten Labore.

Unser Labor war durch den Fokus auf genetische Analysen sicher prädisponiert, „Gen-Editing“ direkt zu adaptieren. Zunächst haben wir nur Gene mittels CRISPR ausgeschaltet oder verändert, um rasch Mutationen zu generieren. Gleichzeitig haben wir begonnen, unsere eigenen Bibliotheken an sogenannten „guide“-RNAs herzustellen. Damit können wir nun genetische Screens auf Gengruppen, z.B. allen im Zellkern lokalisierten Proteinen, durchführen. Wir entwickeln aber auch die CRISPR/Cas9 Technologie selbst weiter, um sie noch robuster und vielseitiger zu machen. Eine deratige Studie wurde gerade publiziert, eine andere folgt hoffentlich noch in diesem Jahr.

 

Durch sogenannte Gene-Drive-Methoden wird die Ausbreitung von gewünschten Mutationen in Populationen, auch über die Entwicklungsstufe des haploiden Genoms, vorangetrieben. Wie schätzen Sie diese Technik ein?

Gene-Drive ist ein kleiner Aspekt, der durch CRISPR/Cas9 eventuell möglich wird. Normale Mendelsche Erbgänge sind zunächst neutral, das heißt wenn z.B. 50% der elterlichen Allele einem bestimmten Typ entsprechen, so wird das in der nachfolgenden Generation wieder so sein. Dies darf nicht mit der Ausprägung, dem Phänotyp, verwechselt werden, der dominant sein kann, also visuell ein Elternteil sich durchsetzt.

Es gibt nun die Idee, Gene zu „bauen“, die nicht mehr dieser neutralen Vererbung gehorchen, sondern sich nach dem Schneeballprinzip in Populationen verbreiten. Die Grundidee dabei ist, dass das eine Allel das andere ebenfalls aktiv verändert. Damit wird ein heterozygoter Genotyp, also das Vorhandensein zweier verschiedener Allele, homozygot und wird sich wiederum in 100% der Nachkommen vererben. Das hört sich verrückt an und muss auch sehr streng getestet und kontrolliert werden, vor allem wenn solche Allele „frei gelassen“ werden. Es hat aber enormes Potential, z.B. wird daran gedacht, Malaria-verbreitende Moskitos auszurotten. In Fällen wie Malaria müssen wir derartige Methoden unbedingt zumindest in Betracht ziehen.

 

Immer wieder hört man, dass CRISPR/Cas im Gegensatz zu herkömmlichen Genom-Editierungsverfahren besonders einfach zu handhaben ist. Denken Sie, es ist möglich, dass dieses Verfahren von Menschen missbräuchlich eingesetzt wird? In welchen Bereichen wäre dies besonders bedenklich?

Wir haben z.B. großen Konsens darüber, dass wir Krankheiten heilen wollen, das tut die Medizin in vielen Fällen aber nur symptomatisch. Wenn wir Krankheiten ursächlich heilen könnten, in welchen Fällen wäre dann CRISPR/Cas9 eine akzeptable Methode? Und darf diese Heilung generationsübergreifend sein? So sehr wir vor dieser Diskussion zurückscheuen, sie wird eindeutig immer wichtiger werden.

Sie hatten aber eigentlich nach dem Missbrauch von CRISPR/Cas9 gefragt. Natürlich ließen sich gewisse Szenarien ausmalen und ich will auch nicht ausschließen, dass z.B. Terrororganisationen über die Nutzung nachdenken. Aber ich kenne weder konkrete Fälle von Missbrauch, noch von versuchtem Missbrauch, und es fehlt mir glücklicherweise auch die Phantasie, wie CRISPR missbräuchlich einzusetzen wäre. Die üblichen Ideen von Klonarmeen etc. jedenfalls müssen uns keine Sorgen bereiten, weder mittels CRISPR noch sonst wird es dazu kommen. Schon alleine deshalb, weil menschliche Vielfalt das eigentliche Potential unserer Gesellschaft ist.

 

Gerade im haploiden Genom werden Off-Target Effekte von CRISPR, die nicht Ziel der Veränderung sind, massive Auswirkungen haben. Wie problematisch sind diese bei Ihrer Arbeit und welche Möglichkeiten haben Sie, diese Effekte zu kontrollieren?

Off-target Effekte werden kontrovers diskutiert. Dabei handelt es sich um ungewollte Veränderungen des Genoms an anderer Stelle als geplant. Wissenschaftlich stellen sie nur bedingt ein Problem dar, auch im haploiden Genom wo diese Effekte, wie Sie richtig feststellen, besonders starke Auswirkung haben. Experimentell kann man durch unabhängige Experimente den Beitrag dieser „Nebenwirkungen“ berücksichtigen, jedoch besteht natürlich ein gewisses Risiko an Fehlinterpretationen. Allgemein gesprochen sind CRISPR off-target Mutationen nur eine von vielen Ursachen für die in manchen Bereichen sehr niedrigen Raten an wissenschaftlicher Reproduzierbarkeit. Wir haben mithilfe einer großen Biobank an 100.000 haploiden Zelllinien, deren Mutationen an- und ausschaltbar sind, gerade versucht, unseren Beitrag zu diesem Problem zu leisten. Diese Arbeit wurde gerade in „Nature“ publiziert. Ungewollte off-target Mutationen sind aber vor allem für medizinische Anwendungen ein echtes Problem, hier müssen sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ein. Die Berichte über das Ausmaß dieser off-target Mutationen widersprechen sich aber noch stark, hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.

 

Herzlichen Dank für das Interview!


Erstellt von EK am 17.10.17

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  • Elena Kinz