21.06.2017
Warum fällt Kuchen zusammen?
Ist Ihnen auch schon einmal ein Kuchen zusammengefallen? Obwohl Sie die Backofentüre nicht zu früh geöffnet haben? Haben Sie sich genau ans Rezept gehalten? Die bESSERwisser sind in die Chemie und Physik des Backens eingetaucht und haben entdeckt, wie kompliziert das Kuchenbacken eigentlich ist.
Kuchenbacken: eine „Wissenschaft“ für sich
Kuchen bestehen im Wesentlichen aus Mehl, Eiern, Zucker und Fett. Während des Backens (also unter Hitzezufuhr) vergrößert sich das Volumen des Teiges, bilden sich Kohlendioxid-Bläschen, verdampft Flüssigkeit, verkleistert die Stärke und denaturiert (gerinnt) das Protein (Eiweiß). Die einzelnen Bestandteile Fett, Flüssigkeit, Protein, Zucker und Stärke reagieren alle miteinander. Dadurch wird auch verständlich, warum man sich ziemlich genau an das Rezept halten muss, da jede Veränderung einer Zutat die Reaktionen anders ablaufen lässt und so zu unerwünschten Ergebnissen führen kann.
Mehl: bildet das Gerüst
Beginnen wir einmal mit einer der Grundzutaten eines Gebäcks, dem Mehl. Das üblicherweise zum Kuchenbacken verwendete Mehl wird aus Weichweizen (auch Brotweizen genannt) gewonnen. Es enthält nur einen geringen Protein-Anteil, aber der hat es in sich. Es handelt sich dabei überwiegend um Gluten (auch Klebereiweiß genannt). Gluten gibt dem Teig Elastizität und bildet mit der Stärke des Mehls das Gerüst des Kuchens. Stärke quillt unter Hitzeeinfluss und nimmt dabei ein Vielfaches ihres Eigengewichts an Flüssigkeit auf. Sie verkleistert schließlich zu einer Gelatine-ähnlichen Masse, die dem Kuchen Festigkeit verleiht [1].
Personen mit einer Gluten-Unverträglichkeit kämpfen beim Backen mit unelastischen Teigen und „krümeligen“ Ergebnissen. Gluten-freie Backmischungen enthalten meist Stärke, Gluten-freies Mehl und entweder proteinreiches Mehl aus Hülsenfrüchten oder Verdickungsmittel. Generell gilt: Wird eine andere Mehlsorte als im Rezept angegeben verwendet (zum Beispiel Dinkelvollkornmehl statt Kuchenmehl), muss auch die Menge an Flüssigkeit (Eier zählen auch dazu) angepasst werden. In Kuchen ganz ohne Mehl übernehmen die gemahlenen Nüsse die Funktion des Gerüstbildens.
Gluten
Gluten ist ein Protein, das in manchen Getreidesorten vorkommt. Besonderes jenes in Weizen hat eine große Bedeutung für Backwaren. Weizengluten besteht chemisch aus zwei Untergruppen, den Gliadinen und den Gluteninen. Beide bestehen wiederum aus mehreren Komponenten, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll.
Gliadine sind überwiegend monomer (nur eine Untergruppe ist polymer) und verbinden sich entweder untereinander oder unter Mitwirkung von Wasser mit Gluteninen. Glutenine sind Polymere und bilden große und komplexe Makromoleküle. Ein optimales Verhältnis der beiden ist wichtig, da sie sich nicht nur verbinden, sondern sich auch gegenseitig bremsen: zum Beispiel bei der Dehnbarkeit (Gliadine) und der Elastizität (Glutenine).
In Verbindung mit Wasser (Flüssigkeit) bildet Gluten das Teiggerüst bei Brot und Gebäck. Gluten kann beim Quellen das Zwei- bis Dreifache seines Eigengewichts an Wasser aufnehmen. Eigentlich ist Gluten hydrophob (wasserabweisend), löst sich aber beim Kneten oder Rühren in der Flüssigkeit. Dabei falten sich die Proteine auseinander und verbinden sich untereinander sowie mit der Stärke. Gluten hat eine hohe Elastizität und Viskosität. Dadurch kann sich der Teig dehnen, aber auch die Kohlendioxid-Bläschen halten. Das dreidimensionale Gluten-Netzwerk, das sich bei der Teigzubereitung bildet, ist nicht stabil. Zu langes Rühren oder Kneten zerstört es, der Teig fließt wieder auseinander (Depolymerisation). Erst während des Backens wird das Netzwerk stabil, die Glutenine verbinden sich nun beständig und verlieren ihre Elastizität. Bei zunehmender Backdauer verliert das Gluten an Wichtigkeit für die Stabilität des Kuchens, die Stärke-Gelierung spielt nun die entscheidende Rolle [2].
Eier: sorgen nicht nur für Luftigkeit
Protein (Eiweiß) ist nicht nur im Mehl enthalten, in Kuchen stammt es vorwiegend von den Eiern. Während des Backens bilden Proteine neue Mokekül-Verbindungen und sind somit wesentlich für die Struktur des Kuchens. Bei der Teigzubereitung binden die Eier viel Luft, die den Kuchen locker macht. Sie liefern Flüssigkeit, damit die Stärke quellen kann und zudem Fette. In manchen Rezepten werden Eier teilweise durch Milchproteine ersetzt, z.B. durch Milch, Joghurt, Sauerrahm.
Eier sollten nicht direkt aus dem Kühlschrank, sondern bereits zimmerwarm sein, wenn Sie sie zu Teig verarbeiten. Der Teig wird mit warmen Eiern fester. Manche Rezepte verlangen ein Trennen der Eier in Dotter und Eiweiß (geschlagen zu Schnee), andere nicht. Das hängt zunächst von der Art des Teiges ab (Biskuit, Rührteig usw.). Wichtig ist auch, ob zusätzlich chemische Backtriebmittel eingesetzt werden. Schlussendlich macht es einen Unterschied, ob ein Teig von Hand, mit einem normalen Mixer oder mit einer Küchenmaschine gerührt wird.
Ein klassisches Biskuit zum Beispiel sollte nur durch die eingeschlagene Luft (sehr schaumiges Dotter-Zuckergemisch und unzählige Luftbläschen enthaltender Schnee) aufgehen und keine zusätzliches Backtriebmittel benötigen. Da Eischnee sehr rasch wieder zusammenfällt, muss er sofort untergehoben und der Teig gleich gebacken werden.
Zucker und Fett: ersetzbar?
Zucker
Ernährungswissenschaftlerinnen warnen, dass unser Zuckerkonsum zu hoch ist. Kann Zucker also ersetzt oder reduziert werden? Neben dem süßen Geschmack hat er noch andere Funktionen beim Backen. Zucker bindet Flüssigkeit, und reagiert mit den Stärkeketten und den Proteinen. Dabei erhöht Zucker die Temperatur, die für die Verkleisterung der Stärke und die Denaturierung der Proteine notwendig ist. Das trägt zur Stabilisierung des Kuchens bei. [1]. In vielen Teigen kann Zucker relativ gut um die Hälfte reduziert beziehungsweise durch Süßstoffe ersetzt werden. Wenn Sie ausschließlich mit Süßstoffen backen möchten, empfiehlt es sich, auf extra dafür geeignete Rezepte zurückzugreifen, da der Kuchen sonst zu wenig locker ausfallen wird. [3]
Fett
Fett ist nicht nur ein Geschmackträger. Bei Mürbteig oder Blätterteig spielt es eine wichtige Rolle. Hefeteig oder Biskuit dagegen können auch ohne zusätzliches Fett gelingen.
Fett ist hydrophob (Flüssigkeit abstoßend), während Stärke hydrophil (flüssigkeitsliebend) ist. Umgibt Fett in einem Teig die Stärke, kann diese nicht mehr stark quellen, da das Fett die Flüssigkeit fernhält. Zum Beispiel im Mürbteig steht nur der geringe Wasseranteil der Butter der Stärke zum Quellen zur Verfügung, und somit können sich die Stärkemoleküle nicht verbinden und bleiben isoliert voneinander. Nur die Butter hält den Teig zusammen, der Teig bleibt brüchig und geht nur wenig auf.
Auch im Blätterteig verhindert das Fett das Vernetzen der einzelnen Schichten miteinander. Beim Backen verdampft das Wasser und treibt die einzelnen Schichten auseinander, da das Fett verhindert, dass der Dampf durch die Teigblätter hindurchgeht.
Backtriebmittel: geringe Menge, große Wirkung
Zum Aufgehen braucht ein Teig viel Luft beziehungsweise Kohlendioxidbläschen. Man kann die Luft einschlagen – zum Beispiel in Form von schaumigem Eischnee. Man kann auch sogenannte Backtriebmittel verwenden, wie Hefe, Backpulver oder Natron.
Hefepilze verstoffwechseln Zucker und wandeln ihn in Alkohol und Kohlendioxid um. Beides lockert den Teig. Da die Pilze sehr viel davon freisetzen, wird Hefeteig auch ohne Ei luftig und locker. Wesentlich schneller als mit Hefe geht das Backen mit chemischen Backtriebmitteln.
Natron (kurz für Natriumhydrogencarbonat) ist nur geeignet für Teige mit säurehaltigen Zutaten wie zum Beispiel Zitronensäure oder Joghurt. Die Natriumcarbonate werden durch den Kontakt mit Säuren abgebaut, wobei Kohlendioxid frei wird.
Backpulver besteht im Wesentlichen aus Natron und einem Säureregulator, ist also für alle Teige geeignet. Diese Regulatoren entscheiden, ob das Backpulver für Biokost geeignet ist oder nicht: gewöhnliches, billiges Backpulver enthält Phosphate, für Bio-Backpulver dürfen nur Tartrate (Weinstein, Weinsäure) eingesetzt werden.
Durch Feuchtigkeit reagiert Backpulver und setzt Kohlenstoffdioxid als kleine Gasbläschen frei. Deshalb muss Backpulver trocken aufbewahrt werden, und Backpulver-Teig muss sofort ins Backrohr. Dort verstärkt sich durch die Hitze die Produktion der Bläschen, sie dehnen sich aus und lockern den Kuchen. Ein Zuviel an Backpulver oder Natron führt dazu, dass der Teig zu schnell aufgeht und danach zusammenfällt, weil sich zu viele bzw. zu große Bläschen bilden, die vom noch nicht vollständig aufgebauten Gerüst des Kuchens nicht gehalten werden können.
Tipps für den perfekten Kuchen
Kuchenteig darf nicht zu viel gerührt werden, es sollten nur alle Zutaten gut miteinander verbunden sein. Gerade bei der Verwendung einer Küchenmaschine kann es passieren, dass ein Teig zu viel gerührt wird. Mehl darf nur kurz untergerührt oder untergehoben werden, da sonst die Gluten-Polymere zerstört werden. Der Teig kann im Rohr dann die Gasbläschen nicht halten und der Kuchen fällt zusammen.
Das Backen eines Kuchens funktioniert von außen nach innen, die Mitte wird also als letztes durchgebacken. Deshalb muss bei der Stäbchenprobe immer in die Mitte des Kuchens gestochen werden. Geht der Kuchen in der Mitte mehr auf als am Rand, ist vermutlich die Backtemperatur zu hoch: weil der Rand schon fest ist, kann der Kuchen nur noch in der Mitte aufgehen. Ältere Rezeptangaben beziehen sich zum Beispiel auf Ober-/Unterhitze, da Umluft noch nicht bekannt war. Soll der Kuchen mit Umluft gebacken werden, muss die angegebene Temperatur reduziert werden. Backöfen heizen zudem nicht immer genau bis zur gewählten Temperatur. Mittels eines geeigneten Thermometers kann die Temperatur überprüft und entsprechned angepasst werden.
Klebt der Kuchen nach dem Backen in der Form fest? Lassen ihn etwas rasten, dann umwickeln Sie die Form mit einem nassen und kalten Geschirrtuch. Durch das rasche Abkühlen löst sich der Kuchen.
Hätten Sie‘s gewusst? Kuchenrezepte funktionieren im Gebirge nicht!
Bereits ab 1000 Meter über dem Meeresspiegel ist die Luft weniger dicht, der Luftdruck und die Luftfeuchtigkeit geringer – Wasser kocht z.B. bereits bei weniger als 100 Grad. Dies muss alles auch beim Kuchenbacken beachtet werden, ganz besonders in Hochlagen über 1500 m Seehöhe. Teig braucht der zunehmenden Höhe entsprechend mehr Flüssigkeit/Ei, weniger Zucker und Fett und deutlich weniger Backpulver (wegen des niedrigeren Luftdrucks). So wie sich die Kochdauer in dieser Höhe verlängert, muss auch Kuchen entweder länger oder alternativ bei höheren Temperaturen gebacken werden. [4]
Referenzen
[3] Gao, J., Brennan, M. A., Mason, S. L. und Brennan, C. S.: Effect of sugar replacement with stevianna and inulin on the texture and predictive glycaemic response of muffins. Int J Food Sci Technol (2016), 51, p. 1979–1987. doi:10.1111/ijfs.13143
[4] Es gibt leider kaum deutschsprachige Tabellen, aber jede Menge englischsprachige, zum Beispiel hier. Tabellen zum Umrechnen von ft in m sind ebenfalls im Internet zu finden.