Resistente Stärke: Kalte Nudeln für unsere Darmbakterien

Nudelsalat

Die Nudeln im Nudelsalat enthalten so wie erkaltete Kartoffel oder Reis resistente Stärke; Bild: Pixabay, CCO

Es ist oft schwierig, eine Portion Nudeln, Kartoffeln oder Reis für eine Mahlzeit korrekt einzuschätzen, und oft bleibt etwas übrig. Beim Abkühlen dieser Lebensmittel entsteht dann resistente Stärke. Resteessen von Pasta und anderen stärkehaltigen Lebensmitteln ist gut für die Gesundheit und kann auch beim Abnehmen helfen. Warum das so ist, erklären die bESSERwisser in diesem Artikel.

In vielen Kulturen sind Reis, verarbeiteter Weizen, Mais oder Kartoffeln fixer Bestandteil der Mahlzeiten – und somit kommt auch eine reichliche Portion Stärke auf den Teller [1,2]. Personen mit herkömmlicher Ernährungsweise nehmen bis zu einem Viertel ihrer Kalorien über dieses Kohlenhydrat zu sich, Vegetarier noch mehr [3].

Während Pasta und Kartoffel generell als Dickmacher gelten, verhält es sich mit diesen Lebensmitteln in abgekühlter Form ganz anders: Sie sollen das Abnehmen erleichtern und auch noch gut für die Gesundheit sein.

Stärke ­– ein Vielfachzucker

Stärke ist ein Vielfachzucker (Polysaccharid), der aus einzelnen miteinander verknüpften Glukoseeinheiten (Traubenzucker) aufgebaut ist. Im menschlichen Dünndarm wird Stärke in ihre kleineren Zuckerbestandteile aufgespalten und in Form von Glukose vom Körper aufgenommen. Für diesen Prozess sind spezielle Verdauungsenzyme zuständig: Amylasen und Amyloglukosidasen.

Manche Arten von Stärke können den Dünndarm jedoch unverdaut passieren, man spricht in so einem Fall von so genannter resistenter Stärke. Diese gelangt dann als Vielfachzucker in den Dickdarm, wo unser Darmmikrobiom ­– eine Vielzahl an diversen Bakterien – schon darauf wartet und sie verarbeitet [4]. Da resistente Stärke vom menschlichen Verdauungssystem nicht oder nur teilweise abgebaut werden kann, wird sie zu den Ballaststoffen gerechnet.

Resistente Stärke weist eine komplexe Struktur auf, und es sind nicht alle Mikroorganismen in der Lage, sie abzubauen. Ruminococcus bromii oder Eubacterium rectale sind neben Firmicutes prausnitzii jene Bakteriengruppen im menschlichen Verdauungstrakt, die das schaffen [5].

Da resistente Stärke im Dünndarm nicht in ihre Glukose-Einheiten aufgespalten wird, steigt der Glukosespiegel nach ihrem Verzehr weniger stark an als bei herkömmlicher Stärke.

Verdaubarkeit von Stärke – eine Typenfrage

Resistente Stärke ist nicht gleich resistente Stärke, denn es gibt davon insgesamt fünf verschiedene Arten – so genannte Subtypen oder Fraktionen.

Typ1 der resistenten Stärke (RS 1) ist natürliche Stärke, die durch ihre kompakte Struktur für Verdauungsenzyme kaum bis gar nicht zugänglich ist. Durch Mahlen wird diese Stärke-Fraktion, die vor allem in ganzen Getreidekörnern, Samen, Saaten und Hülsenfrüchten zu finden ist, besser verdaulich.

Resistente Stärke des Typ 2 (RS 2) ist ebenfalls natürliche Stärke und kommt in granulärer Form in Stärkekörnern vor. Sie ist beispielsweise in ungekochten Kartoffeln, grünen Bananen oder Maisstärke enthalten [6]. RS 2 ist in kaltem Zustand gegenüber den menschlichen Verdauungsenzymen resistent und wird für diese erst nach dem Erhitzen zugänglich, wenn die Stärkekörner quellen und platzen [7, 8].

Resistente Stärke Typ 2 ist die Vorstufe der resistenten Stärke Typ 3 (RS3). Diese ist nicht in rohen Produkten enthalten und entsteht nur dann, wenn zuvor erhitzte stärkehaltige Lebensmittel erkalten. Ein Teil der Stärkemoleküle bildet dabei kristalline Strukturen aus, und die Stärke „verkleistert“ zur RS 3. Diese ist für die Verdauungsenzyme nicht mehr angreifbar und für den Menschen daher unverdaulich – für die Bakterien in unseren Darm aber nicht [9, 10]. Das Aufwärmen kann den Gehalt an resistenter Stärke wieder verringern [11, 12, 13]. Ein Beispiel für ein Gericht mit RS3 ist Kartoffel- oder Nudelsalat.

Beim Typ 4 der resistenten Stärke (RS 4) handelt es sich um chemisch modifizierte unverdauliche Stärke. Diese wird künstlich vernetzt oder mit bestimmten Molekülen versehen, um so ihre Eigenschaften zu verändern. Das Vernetzen der einzelnen Stärke-Moleküle wird hauptsächlich in der Pharma- und Lebensmittelindustrie eingesetzt. Diese Veränderung führt zu einer widerstandfähigeren Stärke, der Hitze, Säure und mechanische Kräfte weniger anhaben können [14]. Stärke des Typs 4 findet man beispielsweise in Ballaststoff-Drinks oder bestimmten Brot- und Kuchensorten.

Bei RS 5 handelt es sich wie bei RS4 um resistente Stärke, die nicht in natürlichen Lebensmitteln vorkommt. Sie liegt als Komplex aus Zucke rund Fetten vor und ist ebenfalls unverdaulich.

Kleine Untermieter im Darm – unser Darmmikrobiom

Der Mensch ist dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die auch als menschliches Mikrobiom bezeichnet werden. Genaugenommen bestehen wir sogar zur Hälfte aus Mikroorganismen: Es wird geschätzt, dass ein Mensch im Durchschnitt aus 30 Billionen Zellen besteht. Dazu kommen dann noch einmal ungefähr 30 Billionen Mikroorganismen, die ihn innen und außen besiedeln [15]. Die meisten davon tummeln sich im Darm und werden als Darmmikrobiom bezeichnet.

Heute weiß man, dass die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms kann unseren Energiehaushalt und unsere Gesundheit beeinflussen kann [16, 17]. Die kleinen Untermieter in unserem Darm brauchen, ebenso wie wir, auch Nahrung und ernähren sich von dem, was bei ihnen im Darm landet.  Essen, das im Dünndarm nicht verdaut wurde – vor allem Ballaststoffe – gelangt in den mittleren Teil des Dickdarms. Dort bietet es den Bakterien einen herausragenden Nährboden [18]. Dies erklärt, warum unsere Ernährung auch einen Einfluss auf die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms hat [19].

Gelangt resistente Stärke in den Dünndarm, wird der Prozess der anaeroben – also ohne Sauerstoff ablaufenden – Fermentation gestartet. Dabei stellen die Bakterien aus der Nahrung Alkohol, CO2 und organische Säuren her [20]. Durch die anaerobe Fermentation entstehen aus resistenter Stärke schließlich Salze von kurzkettigen Fettsäuren wie Buttersäure, Essigsäure und Propionsäure: Butyrat, Acetat und Propionat.

Nicht alle Arten resistenter Stärke wirken sich allerdings gleich auf die Zusammensetzung unseres Darmmikrobioms aus. So etwa lässt resistente Stärke vom Typ 2 andere Bakterien im Darm wachsen als Typ 4 [21, 22]. Um konkrete Aussagen zum Einfluss verschiedener Stärke-Typen auf die Biodiversität in unserem Darm machen zu können, bedarf es aber noch weiterer Studien.

Der Einfluss kurzer Fettsäuren auf unsere Gesundheit

Unsere Darmbakterien produzieren aus resistenter Stärke im Dickdarm unter anderem Acetat, welches im menschlichen Körper eine wichtige Rolle im Fett-Metabolismus spielt und entzündungshemmende Eigenschaften besitzt. Seine Rolle im Fett-Stoffwechsel ist aber eher negativ behaftet, denn eine erhöhte Produktion von Acetat geht mit größerem Appetit und einem höheren Risiko für Übergewicht einher [23].

Vom Propionat, das ebenfalls vom Darmmikrobiom im Dickdarm aus resistenter Stärke gebildet wird, wird jedoch angenommen, dass es der Gegenspieler zum Acetat ist und unseren Appetit zügelt. Propionat hat außerdem möglicherweise einen schützenden Einfluss auf unseren Blutkreislauf, indem es der Verstopfung der Arterien entgegenwirkt [24]. Sowohl Acetat als auch Propionat wirken entzündungshemmend, und beide können ins Gehirn gelangen [25, 26].

Buttersäure und ihre Derivate sind eine der Hauptenergiequellen der Darmepithelzellen und halten diese funktionsfähig, sodass keine ungewünschten Substanzen in unseren Kreislauf gelangen können. Diese Fettsäure schafft es auch, Entzündungsreaktionen im Darm herunterzuregulieren und hat möglicherweise einen gesundheitsfördernden Effekt [27, 28, 29].  Außerdem besitzt sie antioxidative Eigenschaften und einen möglichen Tumor-hemmenden Effekt, weshalb sie verstärkt in den Fokus der Wissenschaft gerückt ist. Durch eine Ernährung, die viel resistente Stärke enthält, kann man den Buttersäure-Spiegel erhöhen, was auch den Verlauf von Darmkrebs-Erkrankungen verbessern kann [30,31].

Darm-Hirn-Achse: Wie unser Bauch das Hirn beeinflusst

Kurze Fettsäuren, die Hauptprodukte der Fermentationsprozesse unserer Darmbakterien, können nicht nur unsere Gesundheit beeinflussen, sie wirken sich auch auf das Gehirn aus. Auch wenn die genauen Mechanismen noch unklar sind, konnte schon gezeigt werden: Ein Ungleichgewicht in unserem Darmmikrobiom kann Auswirkungen auf unser Hirn haben. Etliche Studien legen eine Verbindung zwischen einem gestörten Darmmikrobiom und neurologischen Krankheiten nahe – von Depressionen, Alzheimer, Parkinson bis hin zu Autismus [32, 33, 34, 35].

Eine mögliche Erklärung dafür: Acetat, das beim Abbau resistenter Stärke in unserem Darm entsteht, kann über den Blutstrom in unser Gehirn gelangen. Dort hat es nicht nur Einfluss auf unser Sättigungsgefühl, es ist auch wichtig für die Reifung von Mikroglia-Zellen im Gehirn. Diese speziellen Immunzellen fressen Fremdkörper oder schadhafte Gehirnzellen auf. Studien weisen des Weiteren darauf hin, dass durch Mikroorganismen erzeugtes Acetat dem Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen entgegenwirken kann [36].

Auch Butyrat ist in der Lage, die Blut-Hirn-Schranke zu durchqueren, welche als Schutzbarriere zwischen Hirnsubstanz und Blutstrom dient, und gelangt so ins Gehirn. Dort kann es dann durch das Regulieren von Genen verschiedene positive Wirkungen haben. aher wird Butyrat in der Forschung als experimentelles Medikament für Studien zu neurologischen Erkrankungen – von Depression über neurodegenerative Erkrankungen bis hin zu kognitiven Beeinträchtigungen – eingesetzt [37, 38].

Resistente Stärke: Gut fürs Abnehmen?

Der Konsum von resistenter Stärke scheint auch gut fürs Abnehmen zu sein – zumindest bei Mäusen. Bei diesen konnte gezeigt werden, dass resistente Stärke von Kartoffeln zu einer geringeren Gewichtszunahme führte als bei Ernährung ohne resistente Stärke [39].

Beim Menschenaber scheint resistente Stärke bei gesunden Personen keinen Effekt auf die Gewichtsabnahme zu haben – zu diesem Ergebnis kam zumindest eine Zusammenfassung von mehreren Daten [40]. Da resistente Stärke die Fettverbrennung ankurbelt und die Speicherung von Fett in den Fettzellen verringert, betonen die Studienautor:innen  aber, dass resistente Stärke übergewichtigen Menschen durchaus beim Abnehmen helfen könnte. Hinweise dafür gab es in einer Studie, bei der die Studienteilnehmenden 40 Gramm resistenter Stärke einnahmen und innerhalb von  8 Wochen 2,8 Kilogramm verloren. Das Problem dabei war jedoch, dass mit 37 übergewichtigen Studienteilnehmer:innen die Gruppe an Proband:innen ziemlich klein war. Des Weiteren wurde mit 40 Gramm die empfohlene Tagesdosis von 25-30 Gramm an Ballaststoffen, zu denen die resistente Stärke ja auch zählt, überschritten [41, 42].

Was auch noch bekannt ist: Resistente Stärke schafft es, den Glukose-Stoffwechsel im Körper anzuregen. Dies könnte für Diabetiker:innen interessant sein, um den Blutzuckerspiegel zu senken – hier benötigt es aber einer besseren Studienlage, um sichere Aussagen treffen zu können [43].

Fazit

Resistente Stärke, die beim Erkalten von zuvor gewärmten Nudeln, Kartoffeln, Reis und auch Süßkartoffeln entsteht, birgt großes Potential für unsere Gesundheit: Sie ist eine hervorragende Nahrungsgrundlage für die Bakterien in unserem Darm, die sie dann zu kurzen Fettsäuren weiterverarbeiten. Diese spielen eine Schlüsselrolle in der Regulation verschiedenster Stoffwechselprozesse und können Einfluss auf die Funktion unseres Gehirns, die Regulation des Blutzuckers, den Schutz des Blutkreislaufs bin hin zu potenzieller Prävention von Darmkrebs haben. Mit resistenter Stärke tun wird somit nicht nur unseren Darmbakterien etwas Gutes, sondern in weiterer Folge vermutlich auch unserem Wohlbefinden.

Des Weiteren wäre es möglich, dass resistente Stärke übergewichtigen Personen beim Abnehmen hilft, und auch im Zusammenhang mit Diabetes wird ihr Positives nachgesagt. Aktuell wird mit Hochtouren an diesen Themen geforscht, und es braucht noch mehr Studienergebnisse, um hier sichere Aussagen treffen zu können.

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