Pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten

Butter

Quelle: pixabay CC0

Denken Sie bei Margarine an Butterersatz? Kennen Sie Personen, die sich vegan ernähren? Bestaunen Sie öfters das wachsende Sortiment an veganen Würstchen, Lupinen-Eis, Tofu-Steak oder Saitlingen im Supermarkt? Und was denken Sie über diese Produkte? Die bESSERwisser haben versucht, mehr über Ersatzprodukte für tierische Lebensmittel herauszufinden und auch darüber, worum diese bei Tisch so viel Konfliktstoff bieten.

 

Not oder Tugend?

Ersatzprodukte für Fleisch, Milch oder Eier waren zum einen hauptsächlich in Notzeiten in Verwendung. Zum anderen gab es religiös bedingte und nicht unbedingt billige Ersatzprodukte für die Fastenzeit, wie zum Beispiel Fisch oder Mandelmilch.

Erst mit dem Aufkommen der Lebensmittelindustrie im 19. Jahrhundert wurden Ersatzprodukte auf industrieller Basis in großen Mengen hergestellt. Bereits Mitte des vorletzten Jahrhunderts gab es  Fabriken für Fleischextrakt, dem Vorläufer der heutigen Suppenwürfel. Dieser verbreitete sich sehr rasch, bot er doch nicht nur eine billige, sondern auch eine sehr schnelle Möglichkeit, an eine warme Suppe heranzukommen, noch dazu ohne einen hohen Energieverbrauch am Herd.

Etwas später wurde die Margarine erfunden, anfangs auf Rindertalgbasis. Ab der um 1900 erfundenen Fetthärtung konnten auch alle Öle dafür verwendet werden. Sogar rein pflanzliche Reformmargarine für Vegetarier wird schon seit damals produziert. Während nämlich die ärmeren Schichten sich teure tierische Produkte wie Fleisch, Ei oder Butter gar nicht leisten konnten, entstand gleichzeitig im Mittelstand eine vegetarische Gegenbewegung zur dominanten Fleischkultur des Bürgertums. Diese Reformer lehnten Fleisch vehement ab und setzten dafür auf viel Obst und Gemüse, häufig auch in Form von Rohkost. Bei den Zeitgenossen fanden die frühen Vegetarier wenig Verständnis für ihre Lebensweise, ganz besonders, wenn sie auch auf Lederschuhe, Korsetts und andere Bekleidungsstücke mit tierischen Teilen verzichteten.

 

Braucht der Mensch tierische Produkte?

Nicht nur Vegetarier beschäftigte die Frage, ob man tierische Produkte wie Milch oder Eier für eine gesunde Ernährung braucht. Im 19. Jahrhundert entstand die moderne Ernährungslehre, die sich mit Kalorienverbrauch, Eiweißbedarf und teilweise auch mit fragwürdigen Ernährungsexperimenten an Menschen beschäftigte. Carl von Voit, einer deren Begründer, hielt einen hohen Fleischkonsum für unerlässlich für die Gesundheit und ging davon aus, dass ein Mann mindestens 100 g reines Eiweiß (Protein) pro Tag benötige. Damit blieb er ganz den Gepflogenheiten der Wohlhabenden seiner Zeit (Mitte des 19. Jahrhundert) verbunden, die mehrmals täglich Fleisch und andere tierische Produkte zu sich nahmen.

Dagegen wandte sich später der dänische Physiologe Hindhede, der viel Pflanzenkost empfahl und versuchte, den minimalsten Proteinkonsum zu ermitteln, bei dem ein Mensch noch gesund bleibt. Berühmt wurde er vor allem dafür, dass Dänemark durch seine konsequent umgesetzten Empfehlungen im ersten Weltkrieg vor einer Hungersnot bewahrt wurde. Dafür wurde der Tierbestand drastisch reduziert, um ausreichend Nahrung für alle Bürger produzieren zu können.

 

Proteine sind ein wichtiger Nahrungsbestandteil, sie liefern uns unter anderem die essentiellen Aminosäuren, die der Körper nicht selbst erzeugen kann. Dabei kommt es nicht nur auf den reinen Proteingehalt eines Nahrungsmittels an, sondern auch darauf, wie gut es vom Menschen verwertet werden kann. Tierische Nahrungsquellen wie Fleisch, Milch und Eier enthalten alle für uns essentiellen Aminosäuren, wobei Ei am besten verwertet werden kann, da der Körper Eiweiß aus dem Ei besonders gut in körpereigene Proteine umbauen kann. Pflanzliche Proteinquellen müssen meist kombiniert werden, um eine vollständige Versorgung mit allen wichtigen Aminosäuren zu erhalten – zum Beispiel Hülsenfrüchte mit Getreide.

Aber wieviel Protein brauchen wir? Und welchen Ursprungs? Manche Staaten wie die USA oder Kanada geben ganz konkrete Empfehlungen für Erwachsene (0,8 g pro kg Körpergewicht pro Tag) ab [1], andere, wie die meisten europäischen Staaten, stellen das optimale Verhältnis der Nahrungsbestandteile zueinander in den Mittelpunkt ihrer Ernährungspyramiden. In Industrieländern wie Australien werden zumeist nicht nur zu viel Kalorien, sondern auch ein zu hoher Anteil an Proteinen konsumiert [2].

Wissenschaftliche Studien belegen, dass es nicht gesund ist, überwiegend tierisches Eiweiß auf dem Speiseplan zu haben [1] oder wie eine holländische Studie zeigte auch Ältere über 65 Jahren von einem höheren Proteinanteil in der Nahrung gesundheitlich profitieren[3]. Ein zu hoher Proteinkonsum aus tierischen Nahrungsquellen wird in Zusammenhang mit Sterblichkeit im Bereich der Herzkreislauferkrankungen unter 65 Jahren gebracht [4].

 

Pflanzliche Alternativen

Das globales Bevölkerungswachstum und der Klimawandel tragen dazu bei, dass vermehrt nach Alternativen zu ineffizienten und klimaschädlichen tierischen Proteinen gesucht wird – schließlich werden bis zu 15 kg Pflanzenmaterial benötigt, um 1 kg Fleisch zu erzeugen [5].

Neueren Erkenntnissen zufolge ist pflanzliches Protein wesentlich gesünder als tierisches und zudem meistens ökologisch weniger bedenklich. Deshalb wird allgemein empfohlen, einen Teil des Eiweißbedarfs durch pflanzliche Quellen zu decken. In den Industrieländern sind derzeit Soja und Weizen die (industriell) am häufigsten verwendeten pflanzlichen Proteinlieferanten, welche aber teilweise nicht vertragen oder auch aus anderen Gründen abgelehnt werden. Soja liefert zwar ein sehr hochwertiges Protein für Menschen, wird in Europa aber zum größten Teil importiert und häufig unter ökologisch und menschenrechtlich sehr fragwürdigen Umständen produziert. [5]

Deshalb wird auf Grund des zunehmenden Bedarfs vermehrt auf Kichererbsen, Linsen oder Lupinen ausgewichen. Neue Quellen werden zu erschließen versucht, wie zum Beispiel Rapssamen, Algen, Wasserlinsen und Protein aus Abfallprodukten wie Ölkuchen und Kleie. Auch Insekten als tierische Proteinlieferanten sind im Kommen. Für alle Produkte, die unter die Novel Food –Verordnung der EU fallen, kann die Zulassung allerdings recht lange dauern. [5,6,7]

 

Ein Generationenkonflikt

Der erste Weltkrieg brachte erst die Rationierung der Lebensmittel mit sich und bald eine große Hungersnot. Immer mehr fragwürdige chemische Ersatzprodukte wurden produziert, vor allem auf Hefe-, Stärke- und Rübenbasis. Danach folgten für den Großteil der Bevölkerung magere Jahre, bis zum nächsten Weltkrieg und den nächsten Hungerjahren. Die vegetarische Bewegung war unpopulärer denn je – und generell alle Ersatzprodukte. Nach der „Fresswelle“ der 1950iger und 60iger Jahre erstarkte der Vegetarismus wieder und wird in den letzten Jahren oft durch den Veganismus (Verzicht auf alle tierischen Produkte) abgelöst. In einigen europäischen Ländern wie zum Beispiel Deutschland, Österreich, Italien und Großbritannien bekennen sich rund 10 Prozent der Bevölkerung bereits zu einer fleischlosen Ernährung, ebenso in Kanada, Australien oder Israel. [5]

Angesichts der Erfahrungen der Großelterngeneration ist es verständlich, dass diese sich nicht für neue Ernährungstrends erwärmen kann. Freiwillig wieder Hülsenfrüchte beziehungsweise vegane Wurst- und Fleischprodukte zu verwenden oder auf das lange vermisste Fleisch und tierisches Fett zu verzichten, kommt für sie oft nicht in Frage. Mögen vegane Margarine oder Kokosfett heute teurer sein als Butter, ändert das nichts an dieser Ablehnung.

Tierische Eiweißlieferanten erzeugen zweifellos ein ökologisches Problem, andererseits haben Tiere  auch wichtige Funktionen, wie zum Beispiel das Abweiden von Almen, Festigen von Dünen, natürliche Düngung usw. Es ist eher die Massenproduktion an tierischen Lebensmitteln, die Probleme schafft. Auch eine vegane Lebensweise basiert oft auf ökologisch zerstörerischer Massenproduktion, Lebensmittelindustrie und Vertreibung von Indigenen. Eine vernünftige Ernährung mit wenig tierischen und vielen lokalen Produkten schneidet ökologisch nicht unbedingt schlechter ab als eine ganz ohne tierische Produkte. [8, 9]

 

Quellen

[1] Phillips SM, Fulgoni VL, Heaney RP et al: Commonly consumed protein foods contribute to nutrient intake, diet quality, and nutrient adequacy. The American Journal of Clinical Nutrition (2015), Vol 101, p1346S–1352S. https://doi.org/10.3945/ajcn.114.084079

[2] Campbell KJ, Abbott G, Zheng M, McNaughton SA: Early Life Protein Intake: Food Sources, Correlates, and Tracking across the First 5 Years of Life. Journal oft he Academy of Nutrition and Dietetics (2017) Vol 117 p1188-1197. DOI: https://doi.org/10.1016/j.jand.2017.03.016

[3] Tieland M, Borgonjen-Van den Berg KJ, Van Loon LJC and de Groot LCPGM, Dietary Protein Intake in Dutch Elderly People: A Focus on Protein Sources. Nutrients 2015, 7(12), 9697-9706. doi:10.3390/nu7125496

[4] Song M., Fung TT, Frank B., Hu FB et al: Association of Animal and Plant Protein Intake With All-Cause and Cause-Specific Mortality. JAMA Intern Med. (2016),176(10) p1453-1463. doi:10.1001/jamainternmed.2016.4182

[5] Petrusán JI, Rawl H and Huschek G.: Protein-rich vegetal sources and trends in human nutrition: A review. Current Topics in Peptide & Protein Research, Vol. 17, 1 –19(17):1-19 · December 2016 

[6] Belluco S., Halloran A. & Ricci A.: New protein sources and food legislation: the case of edible insects and EU law. Food Security (2017), Vol 9,pp 803–814. https://doi.org/10.1007/s12571-017-0704-0

[7] Sozer N., Nordlund E, Ercili-Cura D. and Poutanen K.: Cereal Side-Streams as Alternative Protein Sources. Cereal Foods World (2017) Vol 62, No 4 p 132-137. https://doi.org/10.1094/CFW-62-4-0132

[8] Perignon M., Vieux F., Soler LG et al: Improving diet sustainability through evolution of food choices: review of epidemiological studies on the environmental impact of diets. Nutrition Reviews (2017), Vol. 75 p 2–17. https://doi.org/10.1093/nutrit/nuw043.

[9] Röös E.,Patel M., Spångberg J.:Producing oat drink or cow’s milk on a Swedish farm — Environmental impacts considering the service of grazing, the opportunity cost of land and the demand for beef and protein. Agricultural Systems (2016), Vol 142 p23-32. https://doi.org/10.1016/j.agsy.2015.11.002.

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2 Gedanken zu “Pflanzliche Alternativen zu tierischen Produkten
    1. bESSERwisser

      Freut uns sehr, wenn der Beitrag gefallen hat.

      Herzliche Grüße
      die bESSERwisser

       

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