20.08.2024
Nachreifen von Früchten: Richtige Lagerung für längere Frische
Sollte man Äpfel gemeinsam mit Orangen und Avocados aufbewahren, oder eher nicht? Manche Früchte reifen durch gemeinsame Lagerung schneller – was gezielt genutzt werden kann, aber nicht immer wünschenswert ist. Die bESSERwisser haben recherchiert, warum das so ist und welche Obst- und Gemüsesorten wegen dem Nachreifen von Früchten nicht zusammen aufbewahrt werden sollten, um ein vorzeitiges Verderben zu verhindern.
In Österreich landen jedes Jahr rund 760.000 Tonnen Lebensmittel im Müll. Mengenmäßig entsorgen Österreicher:innen am häufigsten Backwaren und Brot, gefolgt von Obst und Gemüse. Diese beiden Lebensmittelgruppen machen die Hälfte der jährlichen Essensabfälle aus. Als Hauptgrund für Lebensmittelverschwendung gaben die Österreicher:innen fehlende Zeit zum Planen und Verkochen an, auf Platz zwei landete die falsche Lagerung von Nahrungsmitteln [1].
Falsche Lagerung lässt Obst und Gemüse rascher verderben
Um die Frische und Haltbarkeit von Lebensmitteln möglichst lange zu bewahren, ist unter anderem deren richtige Lagerung entscheidend. Ein wichtiger Faktor von Früchten – sowohl von Obst als auch von Fruchtgemüse wie beispielsweise Tomaten – ist es dabei, bestimmte Sorten getrennt voneinander aufzubewahren. Denn manches Obst und Gemüse schafft für andere Sorten eine Umgebung, in der sie schneller reifen. Dies muss nicht unbedingt schlecht sein und ist vielleicht sogar erwünscht, manchmal jedoch verdirbt Obst und Gemüse dadurch ungewollt schneller und landet dann schlussendlich im Müll.
Prinzipiell muss bei der Lagerung von Früchten zwischen nachreifenden und nicht-nachreifenden Sorten unterschieden werden. Nicht-nachreifendes Obst und Gemüse wird erst dann geerntet, wenn es reif ist und verbleibt so lange auf der Pflanze bzw. am Baum. Bei nachreifenden Sorten hingegen endet der Reifeprozess nicht mit der Ernte. Auch danach noch veratmen sie Sauerstoff zu Kohlendioxid und dem Pflanzenhormon Ethylen, um ihren maximalen Reifegrad zu erreichen [2]. In der Fachsprache wird das Nachreifen von Früchten als Klimakterium und die entsprechenden Obst- und Gemüsesorten als klimakterisch (nachreifend) bzw. nicht-klimakterisch (nicht-nachreifend) bezeichnet.
Ethylen begünstigt Nachreifen von Früchten
Pflanzen besitzen genauso wie der Mensch Hormone, so genannte Phytohormone [3]. Eines der Pflanzenhormone ist das farblose Gas Ethylen, welches eine wichtige Rolle bei der Entwicklung, dem Wachstum und der Reaktion von Pflanzen auf ihre Umwelt spielt.
Auch die Reifung – die letzte Phase der Fruchtentwicklung – wird bei Pflanzen unter anderem durch Ethylen gesteuert. Ist die Wachstumsphase bei nachreifenden Früchten beendet, steigt ihr Ethylen-Spiegel rapide an. Dadurch werden bestimmte Reifungsprozesse gestartet, die ihre Farbe und Textur, den Geschmack und auch den Nährwert verändern: Neben einer gesteigerten Atmung wird auch Chlorophyll, das für die grüne Farbe verantwortlich ist, abgebaut, und andere Farbstoffe werden gebildet. Zusätzlich gibt es Veränderungen im Fruchtfleisch. So etwa lösen sich Ethylen-bedingt auch spezielle Bestandteile der Zellwände – die so genannten Pektine – von Äpfeln, was sich als „mehlig werden“ erkennbar macht [4]. Durch die Aufspaltung von Stärke, einem Mehrfachzucker, zu kleineren Zuckereinheiten ist reifes Obst außerdem weicher und süßer als unreifes.
Was unterscheidet nachreifende von nicht-nachreifenden Früchten?
Ethylen kann seine eigene Produktion ankurbeln, und der Spiegel dieses Hormons steigt in nachreifenden Früchten auch nach der Ernte noch an. Als Reaktion darauf reifen sie weiter. Dabei ist es so, dass nachreifende Sorten unterschiedlich stark auf den äußeren Einfluss von Ethylen reagieren. Wie sensibel eine Obst- oder Gemüsesorte auf dieses Phytohormon ist, hängt auch von der jeweiligen Art und Reifephase, in der sie sich befindet, ab. So zum Beispiel zählen Äpfel gleichzeitig zu den stärksten Ethylen-Produzenten und reagieren auch sehr sensibel darauf. Innerhalb der verschiedenen Apfelsorten gibt es auch Unterschiede: Fuji oder Pink Lady produzieren deutlich weniger Ethylen als andere Sorten.
Nicht-klimakterischen Früchten fehlt im Gegensatz dazu die Fähigkeit, nach der Ernte Ethylen zu produzieren, und sie reifen nicht durch den Einfluss dieses Gases: In ihren Zellen können jene molekularen Signalketten nicht durch Ethylen angestoßen werden, die nachreifende Früchte wie beispielsweise grüne Tomaten auch nachträglich noch rot werden lassen oder Äpfel in der Obstschale färben. In nicht-nachreifenden Früchten sind andere Phytohormone als Ethylen bzw. ein Zusammenspiel dieser für das Einläuten des Reifungsprozesses zuständig [5, 6, 7].
Reife Früchte verderben schneller
Reife Früchte sind generell anfälliger für Bakterien, Viren oder Pilze, die sie in Folge eines Befalls faulen lassen [8]. Grund dafür ist die eintretende Zell-Seneszenz – der Wachstumsstopp der Zellen nach der Reife. In der Seneszenz hören Zellen auf sich zu teilen und sammeln schädliche Eigenschaften an, die sie dann absterben lassen. Die Zellwand, die normalerweise Pflanzen vor Krankheitserregern schützt, wird durchlässig und macht den Weg für Pilze und Co frei [9]. Früchte werden beim Reifen auch weicher. Das macht es einerseits einfacher, sie zu essen – was beispielsweise bei grünen Äpfeln oder harten Avocados eindrücklich zu bemerken ist. Für die Frucht selbst ist eine weiche Konsistenz allerdings nicht optimal: Sie kann dadurch einfacher „verletzt“ werden, und Mikroorganismen können leichter eindringen [10]. Zusätzlich verändert die steigende Menge von Sauerstoffradikalen den Stoffwechsel der Frucht, der nach und nach ein Bakterien- und Pilz-freundlicheres Milieu entstehen lässt [11]. Da Ethylen eine stimulierende Wirkung auf eine Reihe von Zellwand-abbauenden Enzymen hat, schwächt ein höherer Ethylen-Spiegel auch die Zellwände von Früchten. Damit geht auch ein höheres Risiko für den Befall mit Bakterien oder Pilzen einher [12].
Bei nicht-nachreifenden Früchten fördert Ethylen zwar nicht die Reifung, aber deren Alterungsprozess, und lässt sie daher schneller verderben [13].
Nutzung von Ethylen in der Lebensmittelindustrie
Ein höherer Reifegrad von Früchten verringert somit auch deren Haltbarkeit und erschwerte die Lagerung. Das Wissen um Ethylen wird für die Aufbewahrung und den Transport von Obst und Gemüse genutzt. Der Transportweg von Bananen nach Europa beträgt beispielsweise bis zu zwölf Tage. Um ihren Reifungsprozess hinauszuzögern, werden Bananen in Ethylen-armer und CO2-reicher Atmosphäre mit kontrollierter Luftfeuchtigkeit und Belüftung gelagert und transportiert. Anschließend werden sie in dafür vorgesehenen Reifungsräumen mit Ethylen begast, um innerhalb weniger Tage zu verkaufsfertigen Früchten heranzureifen [14, 15, 16].
Auch so genannte Ethylen-Hemmer kommen heute zum Einsatz. So werden Stoffe bezeichnet, die Ethylen-Rezeptoren in den Früchten blockieren und so den Reifungsprozess verlangsamen. In den USA wird 1-MCP, ein Ethylen-Hemmer, auf das Verpackungsmaterial von Früchten aufgebracht. Wenn diese atmen, wird Wasserdampf freigesetzt und aktiviert die kontinuierliche Freisetzung von 1-MCP und verzögert so die Reifung. Außerdem gibt es bereits so genannte Ethylen-Absorber, die das freigesetzte Ethylen absorbieren und unschädlich machen können [17].
Für die Zukunft werden aktuell auch weitere mögliche Ansätze untersucht, um Obst und Gemüse länger frisch zu halten. Einer davon ist die Anwendung von Salicylsäure, den meisten unter ihrem Markennamen Aspirin bekannt. Außen aufgetragen, sollte diese die Reifung von Früchten verlangsamen. Zumindest ist bekannt, dass höhere Mengen an Salicylsäure im Inneren von Früchten den Ethylenspiegel sinken lassen und sie länger frisch bleiben [18]. Eine andere ziemlich neue Idee für längere Frische ist die „Vakuum UV-Photolyse“. Bei dieser wird durch UV-Strahlung Ethylen nach der Ernte zu Wasser und CO2 umgewandelt, und gleichzeitig werden Mikroorganismen abgetötet[19].
Nachreifende und nicht-nachreifende Früchte – ein Überblick
Nicht-nachreifendes Obst und Gemüse
Ananas | Brokkoli | Brombeeren | Chinakohl | Erdbeeren | Granatäpfel | Grapefruits | Gurken |
Himbeeren | Karfiol | Karotten | Kirschen | Limetten | Mandarinen | Melanzani | Orangen |
Paprika | Zitronen |
Nachreifendes Obst und Gemüse
Äpfel | Avocados | Bananen | Birnen | Feigen | Heidelbeeren | Honigmelonen | Kakis |
Kiwis | Mangos | Nektarinen | Papayas | Pfirsiche | Tomaten | Wassermelone | Zwetschgen |
Empfehlungen für die Lagerung: Was soll zusammen, was nicht?
Das Wissen zu Ethylen und dem Prozess der Nachreifung kann man sich im Alltag zunutze machen, um ein vorschnelles Verderben von Obst und Gemüse zu verhindern. Man kann es aber auch dafür einsetzen, um unreife Früchte schneller reifen zu lassen. Denn Obst und Gemüse hat oft erst im reifen Zustand das typische Aroma und schmeckt so am besten.
Hier ein paar Empfehlungen für die Lagerung von Früchten:
- Generell sollten nicht-nachreifende und nachreifende Sorte nicht nebeneinander gelagert werden, wenn man vorschnelles Verderben verhindern möchte. Beispielsweise sollte man Äpfel nicht in der gleichen Obstschale wie Orangen aufbewahren, da sonst die Orangen eher verderben.
- Schon reife nachreifende Sorten sollten nicht neben anderen Ethylen-abgebenden Sorten gelagert werden. So etwa verdirbt eine reife Kiwi neben einer reifen Tomate schneller.
- Die Produktion von Ethylen durch nachreifende Früchte kann man aber auch gezielt nutzen: Kiwis, Mangos oder Avocados kann man in einem Sackerl aufbewahren, um den Reifeprozess zu beschleunige: Das Gas kann somit nicht entweichen, wirkt direkt und kurbelt seine eigene Produktion noch einmal an. Das Sackerl am besten im Schatten und bei Raumtemperatur platzieren und das darin liegende Obst und/oder Gemüse von Zeit zu Zeit drehen, sodass keine Druckstellen und somit Schimmel entstehen kann. Gibt man noch einen Apfel als guten Ethylenproduzenten dazu, kann das noch einmal schneller vonstattengehen. Somit sollte dann bald einer guten Guacamole oder einem süßen Obstsalat nichts mehr im Wege stehen.
Sind Äpfel, Tomaten & Co. einmal reif, sollten sie so schnell wie möglich verspeist werden!
Referenzen:
[14] Brennicke A. and Schopfer P.: Pflanzenphysiologie (2010). 7. Aufl. SpringerLink: Bücher. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg
[15] BananaLink: All about bananas. Abgerufen am 19.08.2024
[16] Bananas – Cargo Handbook – the world’s largest cargo transport guidelines website. Abgerufen am 19.08.2024
[17] Berghofer E., Schönlechner R. and Schmidt J.: Lebensmittelverpackung und -kennzeichnung Teil 5 aus „Neue Verfahren und Techniken bei der Lebensmittelherstellung und Lebensmittelversorgung“ (2015). Herausgeber, Medieninhaber und Hersteller: Bundesministerium für Gesundheit und Frauen.