Hilft Alkohol bei der Verdauung?

Drei Gläser mit Alkohol

Bild: pixabay, CCO

Besonders zu Festtagen isst man oft mehr, als einem guttut, und ein unangenehmes Völlegefühl ist die Folge. Die weit verbreitete Meinung, hochprozentiger Alkohol helfe der Verdauung, lässt viele nach dem Essen zu Schnaps greifen. Aber stimmt es überhaupt, dass ein Digestif die Verdauung fördert? Und wie ist das mit dem Völlegefühl? Die bESSERwisser haben recherchiert.

Was bewirkt Alkohol im Körper?

Bei Alkohol handelt es sich chemisch gesehen um Ethanol, dessen Abbauprodukte auf den menschlichen Körper giftig wirken. Die Aufnahme von Alkohol beginnt bereits beim Trinken im Mund über die Schleimhäute. Den Großteil nimmt aber etwas später die Magenschleimhaut auf, und über die Blutbahn gelangt der Alkohol zu den inneren Organen. Etwa eine Stunde nach dem Alkoholgenuss ist die größte Konzentration im Blut nachweisbar und nimmt dann langsam wieder ab.

Der Alkohol wird bis zu 98% in der Leber abgebaut, und im Durchschnitt sinkt seine Konzentration im Blut um etwa 0,1 Promille pro Stunde. Mehr schafft die Leber nicht, und auch diverse Tricks und Wundermittel beschleunigen den Abbau nicht. So hilft es weder, viel Wasser zu trinken, noch Unmengen an Kaffee zu sich zu nehmen oder Sauerstoff zu tanken, um schneller wieder auszunüchtern – die Abbaukapazität der Leber verändert sich nicht. Minimale Mengen an Alkohol werden zwar über Lunge, Haut und Niere ausgeschieden, allerdings ist das im Verhältnis zu dem, was die Leber leisten muss, verschwindend wenig. In der Leber ist vor allem das Enzym Alkoholdeydrogenase (ADH) am Alkoholabbau beteiligt. Als Abbauprodukt entsteht Acetaldehyd, das für den „Kater“ am Morgen danach verantwortlich ist und sich in Form von Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel bemerkbar macht. Das Zellgift Acetaldehyd muss vom Körper weiter zerlegt werden und wird mittels Aldehyddehydrogenase (ALDH) in Essigsäure umgewandelt und wird schlussendlich als Kohlendioxid und Wasser ausgeschieden. [1]

Alkohol, die Stoffwechselbremse

Da während des Alkoholabbaus im Körper keine anderen Stoffwechselvorgänge ablaufen können, werden bei Alkoholkonsum Verdauung, Fettverbrennung und Muskelaufbau ausgebremst.  Das Essen liegt außerdem länger und schwerer im Magen, da der Weitertransport in den Dünndarm gestoppt wird.

  • Bereits im Jahr 2000 konnte eine spanische Studie zeigen, dass Alkohol die Verdauung nicht fördert. [2]
  • 2010 untersuchte eine Schweizer Studie an zwanzig Testpersonen, wie sich Alkoholkonsum während des Essens auf die Verdauung auswirkt. Während eines – für die Schweiz typischen – Käsefondues mit 200 Gramm Käse und 100 Gramm Weißbrot pro Person trank die eine Gruppe ein Glas Weißwein, die anderen Teilnehmer eine Tasse Schwarztee zum Essen. Eineinhalb Stunden nach der Mahlzeit bekamen die Weintrinker zusätzlich ein Gläschen Schnaps, die Teetrinker tranken Wasser. Um wissenschaftlich zu testen, wie schnell die Verdauung funktioniert, wurde der Fonduekäse mit C-13-Istopen markiert. Der Abbau der Nahrung in Magen und Darm wurde mittels Atemtests erfasst. Dabei konnte festgestellt werden, dass Alkohol die Verdauung nicht beschleunigt, das Gegenteil war der Fall: Es verlangsamte sie sogar. Die Teilnehmer, die Alkohol getrunken hatten,  klagten außerdem über Völlegefühl. [3] Diesem Fakt liegt die Tatsache zugrunde, dass Alkohol zuerst abgebaut werden muss, bevor die Verdauung starten kann. Somit liegt das Essen bei Alkoholkonsum entgegen vieler Meinungen länger und schwerer im Magen.

Entspanntes Gefühl

Alkohol, vor allem sehr hochprozentiger, kann dennoch ein entspanntes Gefühl nach einer üppigen Mahlzeit vermitteln: Er erweitert die Blutgefäße und übt eine entspannende Wirkung auf Muskelzellen aus. So wird der Magenmuskel nach einem Schnaps lokerer, das Völlegefühl wird weniger, und man fühlt sich leichter. Allerdings ist das nur eine gefühlte Leichtigkeit, denn in Wahrheit steht die Verdauung solange still, bis der Alkohol abgebaut ist. Nur in sehr geringen Konzentrationen konnte hier ein positiver Effekt auf die Verdauung gemessen werden. Ein kleines Glas Bier oder weniger als ein Achtel Wein regen die Schleimhautzellen im Magen dazu an, mehr Säure zu produzieren. [4]

Verdauung fördern mit Kräutern

Anders verhält es sich mit Kräuterlikören oder Kräuterschnäpsen. Diese unterstützen die Verdauung, allerdings durch die darin enthaltenen Kräuter, und nicht durch den Alkohol. Eine Tasse Kräutertee  würde hier denselben Zweck ebenso oder sogar noch besser erfüllen. Pfefferminztee oder Fencheltee wirken durch ihre ätherischen Öle positiv auf die Verdauung. Eine Tasse Kaffee wirkt ebenfalls positiv auf die Bildung von Magensäure und fördert so die Verdauung. In einer Studie konnten Extrakte aus Ingwer, Pfefferminze, Anis, Fenchel, Zitrusfrüchte, Löwenzahn, Artischocke, Melisse und Kamille eine positive Wirkung auf die Verdauung zeigen. [5]

Auch ein Spaziergang nach üppigem Essen kann eine gute Alternative zu einem Schnaps sein, da durch die Bewegung der Darm indirekt massiert wird. [6]

Fazit

Die Annahme, dass ein Schnaps nach dem Essen die Verdauung fördert, stimmt nicht. Im Gegenteil, das Essen liegt bei gleichzeitigem Genuss von Hochprozentigem sogar länger im Magen. Geringe Mengen an Wein oder Bier hingegen wirken sich positiv auf die Bildung von Verdauungssäften aus. Kräutertees, Bitterstoffe oder ein Spaziergang helfen besser als Alkohol, um ein üppiges Essen leichter zu verdauen.

Quellen
[1] https://link.springer.com/chapter/10.1007%2F978-3-662-05657-8_8
[2]Bujanda L.: The effects of alcohol consumption upon the gastrointestinal tract. DOI: 10.1111/j.1572-0241.2000.03347.x
[3]Heinrich H., Goetze O., Menne D., et al.: Effect on gastric function and symptoms of drinking wine, black tea, or schnapps with a Swiss cheese fondue: randomised controlled crossover trial, BMJ. 2010 Dec 14;341:c6731. doi: 10.1136/bmj.c6731. 
[4]https://www.uni-heidelberg.de/uni/presse/RuCa1_97/singer.htm
[5]Valussi M.:Functional foods with digestion-enhancing properties, DOI:10.3109/09637486.2011.627841
[6] https://www.gesund-vital.de/hilft-alkohol-der-verdauung
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