Essen der Zukunft: Insekten und Algen?

Raupen auf einer Pflanze

Bild: Pixabay, CC0

Vielleicht haben Sie auch schon davon gelesen oder gehört: Die Erdbevölkerung wächst, und um ein Überleben der menschlichen Rasse auf diesem Planeten zu sichern, muss es ein generelles Umdenken bei der Ernährung geben. Experten raten dringend dazu, in Zukunft weniger Fleisch zu essen und stattdessen auf andere Proteinquellen wie beispielsweise Insekten umzusteigen. Nur so kann laut vielen Wissenschaftlern langfristig genug Nahrung für alle sichergestellt werden. Was ist wahr daran? Müssen bei den nächsten Generationen wirklich Würmer & Co auf den Teller? Die bESSERwisser haben nachgeforscht und berichten von den wissenschaftlichen Grundlagen dieser Thematik.

Weltbevölkerung – Daten und Fakten

Laut der Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organization of the United Nations, FAO) hat die Zahl der Weltbevölkerung einen Wert erreicht, bei dem es bei gleichbleibenden Ernährungsgewohnheiten zu erheblichen Nahrungsmittelengpässen kommen wird. Zum Jahreswechsel 2015/2016 gab es 7,39 Milliarden Menschen auf unserem Planeten [1]. Für das Jahr 2050 prognostiziert die UN eine Weltbevölkerung 9,7 Milliarden Menschen, und für das Jahr 2100 schon etwa 11,2 Milliarden Menschen [2].

Steigender Fleischkonsum

Die Menschheit wächst stetig, und sie isst heute so viel Fleisch wie nie zuvor. Das ist nicht nur in den Industrieländern, sondern auch in den Entwicklungsländern der Fall. Laut einem Bericht der FAO wurden im Jahr 2012 insgesamt 300 Millionen Tonnen Fleisch produziert – das entspricht einem weltweiten pro-Kopf-Konsum von 42,5 Kilogramm pro Jahr [3]. Trotz klarer Unterschiede zwischen Arm und Reich holen auch die ärmeren Länder hier rasch auf: In Entwicklungsländern lag der Fleischkonsum im Jahr 2006 noch bei 30,7 Kilogramm pro Jahr, 2012 waren es mit 32,7 Kilogramm bereits um 7 % mehr.

Fleischproduktion und Umweltzerstörung

Die Herstellung von Fleisch ist mit einem enormen Aufwand verbunden. Die Tiere müssen gezüchtet und untergebracht werden und benötigen große Mengen an Futtermitteln. Diese wiederum werden auf riesigen Ackerflächen angebaut und brauchen entsprechende Bewässerung. So erfordert beispielsweise die Herstellung eines einzigen Kilogramms Schweinefleisch etwa 10.000 Liter Wasser, für einen Kilogramm Rindfleisch werden sogar rund 15.000 Liter benötigt. Diese Daten klingen absurd, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig 1,1 Milliarden Menschen auf der Erde keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Auch die CO2-Bilanz der Fleischproduktion sollte zu denken geben: So errechneten japanische Wissenschaftler, dass bei der Rinderhaltung von der Geburt bis zur Schlachtung eines Tieres Gase mit einer Treibhauswirkung von 36 Kilogramm Kohlendioxid freigesetzt werden. Das entspricht in etwa einer dreistündigen Autofahrt, während man zu Hause alle Lichter aufgedreht lässt [4].

Um genügend Weidefläche für die Viehzucht und Ackerfläche für die Futterproduktion zu haben, werden in manchen Ländern wie Argentinien oder Brasilien großflächig Wälder abgeholzt. Die ansässigen Kleinbauern müssen der Großproduktion weichen. Mittlerweile fällt fast ein Drittel der Agrarfläche unserer Erde der Futterproduktion zum Opfer. Da Futtermittel wie Soja aus diesen Ländern auch nach Europa exportiert wird, geht der Fleischkonsum der Europäer hiermit auch auf Kosten dieser Länder. Auch in den Industrieländern wird die Umwelt durch die Fleischproduktion in Mitleidenschaft gezogen: Pflanzenarten sterben aus, das Grundwasser wird mit Unkraut-, Dünge- und Insektenvernichtungsmitteln belastet, und Antibiotika kommen zum Einsatz. Fleischproduktion bedeutet somit auch Umweltzerstörung.

Alternativen zu Fleisch

Aus Gründen der ökologischen Notwendigkeit und zur Lösung des Welthungerproblems wird von Experten dringend eine drastische Verringerung des Fleischkonsums empfohlen. Das bringt die Suche nach alternativen Eiweiß-Quellen mit sich, denn etwa 15 Prozent unserer Nahrung sollten durch Eiweiß abgedeckt werden. Ein Erwachsener benötigt etwa 60 Gramm hochwertiges Eiweiß pro Tag. Heute gibt es bereits mehrere Möglichkeiten, um die Eiweiß-Lücke zu schließen.

Insekten

In manchen Teilen der Welt ist Entomophagie – der Verzehr von Insekten durch den Menschen – schon lange verbreitet. Bereits bei 2 Milliarden Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika stehen Insekten zumindest teilweise am Speiseplan. Bei uns löst oft allein die Vorstellung vom Verzehr von Heuschrecken, Fliegenlarven, Mehlwürmern oder Ähnlichem schon Ekelgefühle aus. Schön langsam jedoch findet auch hierzulande ein Umdenken statt. So werden in Österreich schon seit längerem Insektenkochkurse angeboten und auch von der Bevölkerung angenommen. Und die Heimzucht von Insekten wird bald einfacher: zwei Österreicherinnen haben mit der „Livin Farm“ eine Brutbox für den Eigenanbau von Mehlkäferlarven entwickelt, die es bald am Markt gibt. Insekten werden dabei mit Bioabfall gefüttert und wandeln diesen in hochwertiges Protein um. Auch EU-weit wird der systematisch Einsatz von Insekten als Proteinquelle gefördert: So wird etwa in dem Forschungsprojekt „Poteinsect“ der Einsatz von insektenbasierten Futtermittel untersucht. Auch als Futtermittel für die Tierhaltung werden heute teilweise schon Insekten verwendet.

Weltweit gibt es mindestens 1.400 essbare Insektenarten [5], teilweise ist gar von 1.900 die Rede [6]. Insekten enthalten hochwertiges Eiweiß und liefern außerdem ungesättigte Fettsäuren, Vitamine, Eisen, Magnesium, Zink, Kalzium, Kalium, Phosphor und viele andere Mineralstoffe und Spurenelemente. Im Vergleich zur Viehzucht verbraucht die Insektenzucht weit weniger an Futtermitteln. So ergeben zwei Kilo Futtermittel ein Kilogramm Insekten – im Vergleich dazu müssen bei Rindern acht Kilogramm Futtermasse für ein Kilogramm Körpermasse aufgebracht werden. Insekten können als Ganzes verzehrt werden, alternativ gibt es aber auch Mehl aus gemahlenen Insekten. Als beliebte Insekten gelten beispielsweise Käfer, Raupen, Grashüpfer und Ameisen.

Algen

Mikroalgen wie Chlorella oder Spirulina (Arthrospira) enthalten hochwertiges Eiweiß, mehrfach ungesättigte Fettsäuren und Farbpigmente. Sie zeichnen sich durch schnelles Wachstum und geringen Platzbedarf aus und machen bestehenden Landwirtschaftsflächen keine Konkurrenz. Algen sind als Ganzes und als Extrakt erhältlich und sind vor allem im asiatischen Raum beliebt. Auch bei uns halten sie langsam Einzug. Es gibt allerdings teilweise widersprüchliche Meinungen dazu, ob Algen toxische Stoffe beinhalten [7] oder nicht.

Kunstfleisch („Cultured meat“)

Zellen von Tieren können in vitro vermehrt werden. So gezüchteter Zellbrei konnte als „Fleisch“ geschmacklich zwar bereits überzeugen, ist aber aktuell viel zu teuer in der Herstellung und daher noch nicht am Markt verfügbar.

Hülsenfrüchte

Auch Erbsen, Linsen und Bohnen stellen hervorragende Eiweißlieferanten dar.

Ob sich Insekten, Algen oder ganz andere Alternativen für die Zukunft durchsetzen werden, bleibt offen. Eines ist auf alle Fälle sicher: gernerell weniger Fleisch zu essen und dafür qualitativ hochwertigere und teurere Erzeugnisse zu kaufen ist auch schon ein Schritt in die richtige Richtung. Gutes Gewissen inklusive.

 

Einen Erfahrungsbericht der bESSERwisser über eine Insektenverkostung finden Sie hier.

 

 

Referenzen

[1] Stiftung Weltbevölkerung, abgerufen am 1.1.2016

[2] Stiftung Weltbevölkerung: Korrekturen der Hochrechnungen aus dem Jahr 2013 (2015).

http://www.weltbevoelkerung.de/aktuelles/details/show/details/news/weltbevoelkerung-waechst-bis-2050-staerker-als-angenommen.html

[3] Hallam D., Calpe C. and Abbassian A.: Food Outlook. Biannual report on global food markets (2014). Food and Agriculture Organization of the United Nations.

[4] Ogino I., Orito H., Shimada K. et al.: Evaluating environmental impacts of the Japanese beef cow–calf system by the life cycle assessment method. Animal Science Journal (2007), 9 JUL 2007, DOI: 10.1111/j.1740-0929.2007.00457.x

[5]: Durst PB, Johnson DV, Leslie RN and Shono K.: Edible forest insects. Humans bite back (2010). Food and Agriculture Organization of the United Nations.

[6] Van Huis A., Van Itterbeeck J., Klunder H. et al: Edible insect. Future prospects for food and feed security (2013). Food and Agriculture Organization of the United Nations.

[7] Wagner KH and Siddiqui I.: Die toxischen Inhaltsstoffe der Mikroalge Scenedesmus obliquus (1973). The Science of Nature 60(2):109-110. DOI: 10.1007/BF00610423

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