Braten, Backen, Karamellisieren – Chemie des guten Geschmacks

Braten

Bild: Pixabay CC0

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum ein Steak beim Grillen oder Braten braun wird? Und kennen Sie auch den Mythos, dass sich beim Braten von Fleisch die Poren schließen? Die bESSERwisser analysieren diese Vorgänge und erklären die Wissenschaft dahinter.

Maillard-Reaktion: Bräunung und Aroma

Hinter dem Bräunungs-Vorgang beim Erhitzen – nicht nur beim Grillen, sondern auch beim Backen, Braten, Karamellisieren, Kaffeerösten oder auch Bierbrauen – steckt eine chemische Reaktion: Die von Louis Maillard 1912 erstmals beschriebene Maillard-Reaktion, die zwischen reduzierenden Zuckern und Eiweißbestandteilen abläuft. Dieser chemische Prozess ist eine hoch komplexe Angelegenheit, das Grundprinzip dahinter jedoch relativ simpel: Während des Erhitzens von Fleisch, Brot oder anderen eiweiß- und kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln verbinden sich bestimmte Aminosäuren – das sind kleine Einheiten der Eiweiße – mit Zuckermolekülen der Kohlenhydratketten. Beginnend bei 100°C, effektiv dann ab 150-180°C [1], entstehen als Folge die sogenannten Maillard-Produkte und die braune Farbe. Letztere entsteht durch Pigmente, die als Melanoidine bezeichnet werden. Je nachdem, welche Zucker- bzw. Aminosäuren in dem erhitzen Lebensmittel vorhanden sind, ergeben sich charakteristische Geschmäcker. Letztlich entscheidet die Temperatur beim Braten über die gebildeten Aromastoffe und damit über den Geschmack [1].

Es gibt eine Vielzahl an möglichen Ausgangsstoffen für Maillard-Reaktionen und damit auch eine große Anzahl an möglichen Folgeprodukten [2]. Typische Endprodukte und ihre Geschmackseigenschaften sind in folgender Grafik abgebildet.

Quelle: Open Science – Lebenswissenschaften im Dialog; (cc/by-nc-sa 4.0)

Die Geruchs- sowie Geschmacksstoffe der Maillard-Reaktion lassen sich auch künstlich im Labor erzeugen. Erhitzt man beispielweise die Aminosäure Cystein und den Zucker Glucose mit einem Bunsenbrenner in einem Reaktionsglas, entsteht rasch der Geruch eines Steaks. Verwendet man statt Cystein die Aminosäure Glycin, macht sich Karamell-Geruch breit. Erhitz man die Substanzen Prolin und Glucose, riecht es nach frischem Brot. [1] Auch beim Bierbrauen mischt die Maillard-Reaktion mit: hier haben die Produkte der Maillard-Reaktion einen großen Einfluss auf diverse Eigenschaften des Bieres wie Malzaromen und Farbe. Im Malz findet sich eine Vielzahl an reduzierenden Substanzen, die während des Mälzungsprozesses, genauer gesagt beim Abdarren, bei hohen Temperaturen in einer Maillard-Reaktion reagieren. Dabei ist die farbgebende Eigenschaft der gebildeten Melanoidine die auffälligste Eigenschaft. Es gibt eine Vielzahl an Verbindungen, die im Laufe der Maillard-Reaktion gebildet werden, zum Teil sind diese aromaaktiv, womit der Braumeister den Biercharakter ganz gezielt durch die Auswahl des Malzes sowie der Temperatur steuern kann. [3]

Braten: Mythos Fleischporen

Um das richtige Braten von Fleisch kursieren viele Gerüchte. Der hartnäckigste Mythos besagt, dass sich beim Braten die „Poren“ vom Fleisch verschließen. Deswegen sollte man, so hört und liest man des Öfteren, das Fleisch auch anbraten, bevor man es beispielweise in einer Kasserolle gart. Tatsache ist jedoch, dass Fleisch gar keine Poren besitzt, es besteht nämlich vorwiegend aus Muskelzellen. Daher dient das Anbraten von Fleisch lediglich dazu, durch die hohen Temperaturen und die dabei ablaufende Maillard-Reaktion Geschmack zu erzeugen, der durch das Niedrigtemperaturgaren nicht entstehen würde. Ob nun die entstandenen Maillard-Produkte im Fleisch bleiben oder in den Bratensaft übergehen, ist für den Genuss völlig irrelevant. Hauptsache alle Geschmäcker bleiben für den Verzehr erhalten. [1], [4]

Acrylamid in der Maillard-Reaktion

Acrylamid entsteht bei der Reaktion von Glucose oder Fructose mit der Aminosäure Asparagin, und das sowohl in der Industrie als auch bei herkömmlichen Koch- und Backvorgängen zu Hause oder in der Gastronomie. Ausschlaggebend für die Menge an produziertem Acrylamid sind mehrere Faktoren: Die Menge dieser Substanzen im zu verarbeitenden Nahrungsmittel, die Zubereitungstemperatur und die Dauer des Erhitzens. Vor allem beim hochgradigen Erhitzen (z.B. Frittieren) von kohlenhydrat- und stärkereichen Nahrungsmitteln wie beispielsweise Kartoffeln oder Getreide entstehen daher größere Mengen Acrylamid. Ähnliches gilt für industriell gefertigte Lebensmittel. Außerdem spielen hier Verarbeitungsschritte wie die Beigabe von Zusatzstoffe wie Glycerin eine wichtige Rolle. [5, 6, 7, 8]

Seit über fünfzehn Jahren ist bekannt und wissenschaftlich erwiesen, dass Acrylamid beim Erhitzen stärkereicher oder kohlenhydratreicher Lebensmittel entsteht und im Körper zu Glycidamid umgewandelt wird. Dieses wiederum soll das Erbgut verändern und Krebs entstehen lassen, also potentiell mutagen und kanzerogen sein. Im Tierversuch erzeugte Acrylamid Krebs, die Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Acrylamid als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen ein, was in einer wissenschaftliche Einschätzung der 2015 publizierten Risikobewertung der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) bestätig wurde. [9]

Das Bewusstsein, dass zu dunkel gebratene, gebackene oder frittierte Lebensmittel potentiell krebserregend sind, hat sich in der Gesellschaft verbreitet. Inwieweit das bei einem Packerl Chips reflektiert wird, ist fraglich. Jedenfalls nährt das Thema Acrylamid immer wieder aufkeimende Debatten. Die seit April 2018 gültige EU-Verordnung [10] verpflichtet Lebensmittelunternehmer, Maßnahmen zur Reduzierung des Acrylamidgehalts umzusetzen, ebenso gelten nun neue gesenkte Richtwerte in einzelnen Lebensmitteln.

Wie sinnvoll diese Vorgaben sind, ist umstritten, denn trotz allem liegt die Verantwortung beim Konsumenten. Als mündiger Endverbraucher müsste man, frei nach dem Motto „die Dosis macht das Gift“, den Acrylamidgehalt von jedem konsumierten Fertigprodukt anhand von Richtwerten [9] analysieren. Zusätzlich sollte man wissen, was da eigentlich in den eigenen Pfannen, Öfen oder Fritteusen vor sich geht. Dass dies kaum praktikabel ist, liegt auf der Hand. Was bleibt ist die Möglichkeit, sich bei der Zubereitung zu Hause an oben genannten Faktoren wie Zubereitungstemperatur und Stärke- bzw. Kohlenhydratgehalt des zu verarbeiteten Lebensmittels zu orientieren und den Konsum von industriell-verarbeitet Produkten mit ebendiesen Eigenschaften gering zu halten.

Fazit

Die Maillard-Reaktion ist eine der interessantesten und vielfältigsten chemischen Reaktionen in der Küche. Sie spielt auch in der Lebensmittelindustrie und bei der chemischen Erzeugung von Aromastoffen heutzutage eine wichtige Rolle. Dieser Vorgang, bei dem Zucker- und Eiweiß-Bestandteile bei hoher Temperatur miteinander reagieren,  verschafft uns aber nicht nur genussreiche Stunden. Bei hohen Temperaturen entsteht vor allem bei Kartoffel- und Getreideprodukten, aber auch beim Grillen von Fleisch und anderen Erhitzen anderer Lebensmittel, Acrylamid, das potentiell gesundheitsschädlich ist.

Es lässt sich schlussfolgern, dass zu heiß und zu lange Gegrilltes, Gebratenes oder Frittiertes auf Dauer eine krebsfördernde Wirkung entfalten kann. Dabei ist die produzierte Acrylamidmenge nicht nur von der Zubereitungstemperatur, sondern auch von der Zusammensetzung des Lebensmittels abhängig.

Referenzen

[1] Vilgis Thomas, Die Molekül-Küche, Physik und Chemie des feinen Geschmacks,  Hirzel Verlag, 2013, 9. korr. Auflage, 53-55, ISBN 978-3-7776-2330-6

[2] van Boekel M A J S, Formation of flavour compounds in the Maillard reaction (2006), Biotechnology Advances 24, 2006, 230–233, doi:10.1016/j.biotechadv.2005.11.004

[3] Spieleder E, Dissertation: Systematische Untersuchungen von reduzierenden Substanzen im Malz und ihr Einfluss auf den Brauprozess, Technische Universität München, Lehrstuhl für Technologie der Brauerei I und Getränketechnologie, 2006, abgerufen am 16.03.2017

[4] Coultate T.P., Food: The Chemistry of Its Components, Royal Society of Chemistry Publishing, 2009, 5. Auflage, S. 36

[5] Tareke E, Rydberg P, Karlsson P, Eriksson S, Törnqvist M., Analysis of Acrylamide, a Carcinogen Formed in Heated Foodstuffs , J Agric Food Chem., 2002 , 50(17):4998-5006., doi:10.1021/jf020302f

[6] Smarrito-Menozzi C., Matthey-Doret W, Devaud-Goumoens S., Glycerol, an Underestimated Flavor Precursor in the Maillard Reaction, J. Agric. Food Chem., 2013, 61 (43), pp 10225–10230, DOI: 10.1021/jf3050044

[7] Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Senatskommission zur gesundheitlichen Bewertung von Lebensmitteln, Thermisch induzierte/prozessbedingte Kontaminanten: Das Beispiel Acrolein und der Vergleich zu Acrylamid (2012), abgerufen am 07.05.18

[8] Haase, N. U., Matthäus, B. und Vosmann, K.: Minimierungsansätze zur Acrylamidbildung in pflanzlichen Lebensmitteln – aufgezeigt am Beispiel von Kartoffelchips. Dt. Lebensmittelrundschau,2003, 99, 87-90

[9] Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit, Veröffentlichung zu Acrylamid vom 19.04.18; abgerufen am 03.05.18

[10] EU-Verordnung zu Minimierungsmaßnahmen und Richterwerten für die Senkung des Acrylamidgehalts in Lebensmitteln. VO (EU) 2017/2158, abgerufen 07.05.18

(17.557 Mal angesehen, davon 86 Mal heute)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


CAPTCHA-Bild
Bild neu laden