Brain Freeze: Was steckt hinter dem Hirnfrost?

Eiscreme ist einer der Auslöser von Brain Freeze

Eiscreme ist einer der Auslöser von Brain Freeze; Bild: Pixabay, CCO

Ice, ice, baby: 30 Grad Außentemperatur, 25 Grad im Büro. Das Team der bESSERwisser sitzt bei einer Eis-Pause beisammen und versucht, das Eis zu genießen, bevor es schmilzt. Plötzlich bekomme ich kurze, stechende Kopfschmerzen – den mir nur allzu gut bekannten Hirnfrost. Dem Blick meiner Kolleg:innen zu entnehmen haben diese  keine Ahnung, was mit mir los ist. Der auch als Brain Freeze bekannte Kältekopfschmerz ist ihnen bis dahin noch nicht begegnet. Somit gibt es eine neue Aufgabe für mich: Die Wissenschaft hinter diesem Phänomen zu erklären.

Nicht jeder bekommt Brain Freeze

Ein Eiskaffee im Schwimmbad, eine Kugel Haselnusseis als Nachspeise oder einfach nur ein Glas eiskaltes Wasser zur Abkühlung an heißen Tagen: Was für die einen der pure Genuss ist, löst bei anderen kurze intensive Kopfschmerzen aus – den sogenannten Hirnfrost. Dieser ist auch als Kältekopfschmerz, Eiscreme-Kopfschmerz oder Brain Freeze bekannt. Im wissenschaftlichen Fachjargon wird er als Sphenopalatine Ganglioneuralgia bezeichnet, da er einen Schmerz des Ganglion sphenopalatinum – zu Deutsch: Flügelgaumenganglions – auslöst. All diese Begriffe beschreiben ein Phänomen, das nicht an warme Umgebungstemperaturen gebunden ist und auch im Winter auftreten kann [1] und wissenschaftlich immer noch nicht vollständig verstanden ist. Der nur einige Sekunden bis wenige Minuten anhaltende, stechende Kopfschmerz beruht wahrscheinlich auf einer ungewöhnlich hohen Durchblutung des Gehirns und somit einem erhöhten Druck als Reaktion auf kalte Speisen und Getränke. Von Hirnfrost ist rund ein Drittel der Bevölkerung betroffen [2], wobei die genetische Veranlagung eine Rolle spielen könnte [3].

Die Durchblutungs-Theorie

Doch wie kommt der Kälteschmerz bei Betroffenen zustande? Berührt etwas Kaltes den Gaumen, reagieren die Blutgefäße im Kopf: Sie verengen sich zunächst und erweitern sich dann schnell wieder, was einen plötzlichen Anstieg des Blutflusses verursacht. Nicht nur der Verzehr von Eis oder kalten Getränken kann der Auslöser sein – eine kalte Umgebungstemperatur, der man beispielsweise auch beim Tauchen oder Schwimmen ausgesetzt ist, kann ebenfalls zu stechenden Kopfschmerzen führen [4].

Der Brain Freeze wurde auch bereits wissenschaftlich untersucht, mit folgenden Ergebnissen: Bei einer Studie mit (nur) 13 Personen tranken die Proband:innen einmal schnell eiskaltes Wasser und einmal Wasser, das Raumtemperatur hatte. Währenddessen überprüften die Wissenschaftler:innen die Durchblutung des Gehirns. Solange der Kopfschmerz bei den „Brain Freezern“ andauerte, strömte besonders viel Blut durch deren vordere Hirnschlagader ins Gehirn, da dieses Blutgefäß erweitert war. Aktuell gibt es die Theorie, dass Hirnfrost eine Art Schutzmechanismus sein könnte, um durch das einströmende warme Blut zu verhindern, dass das Gehirn zu kalt wird [5, 6].

Eisessen für die Wissenschaft: Geschwindigkeit für Hirnfrost relevant

Studien deuten des Weiteren darauf hin, dass die Geschwindigkeit, mit der Kaltes konsumiert wird, eine Rolle beim Hirnfrost spielt. So etwa ließen kanadische Wissenschaftler:innen eine Gruppe von Schüler:innen 100 Milliliter Eiscreme, was in etwa eineinhalb Kugeln Eis entspricht, innerhalb von fünf Sekunden essen. Parallel dazu nahm sich die Kontrollgruppe hierfür mehr als 30 Sekunden Zeit. Die Studie lieferte folgende Ergebnisse:  Rund ein Viertel der fünf-Sekunden-Gruppe bekam Hirnfrost, wobei nur 13 Prozent der Kontrollgruppe davon betroffen war. Bei mehr als der Hälfte der vom Hirnfrost Betroffenen waren die Kopfschmerzen schon nach weniger als zehn Sekunden vorbei [1].

Zusammenhang mit Migräne

Mehr als 8.000 taiwanesische Schüler:innen nahmen vor längerer Zeit an einer weiteren Studie  teil [7]. Deren Ziel war es, einen Zusammenhang zwischen Migräne und Hirnfrost zu untersuchen. Migräne ist eine komplexe Erkrankung, die mit schweren Kopfschmerzen, Übelkeit und erhöhter Licht- und Geräuschsensitivität einher geht. Während eine Migräneattacke bis zu 72 Stunden dauern kann, hält Hirnfrost nur kurz an. Und doch fanden die Wissenschaftler:innen heraus, dass die beiden Arten von Kopfschmerz etwas gemeinsam haben: Schüler:innen, die bereits einmal an Migräne gelitten hatten, bekamen eher Hirnfrost als jene, die von Migräne nicht betroffen waren. Dieses Ergebnis reiht sich in eine Reihe von Studien ein, die einen Zusammenhang zwischen Migräne und Hirnfrost vermuten lassen [8, 9, 10].

Interessanterweise waren in der taiwanischen Studie Burschen anfälliger für Hirnfrost als Mädchen. Das widerspricht anderen Studien, in denen es diesbezüglich keinen Geschlechterunterschied bei Heranwachsenden gab [1]. Vermutet wird, dass die Burschen im Vergleich zu den Mädchen einfach schneller aßen und daher anfälliger für Brain Freeze waren als ihre Mitschülerinnen. Ein Prozent der Studienteilnehmer:innen gab an, beim Eisessen immer Hirnfrost zu bekommen. Bei 4,4 Prozent der Proband:innen dauerte der Schmerz über zehn Minuten und ca. 3 Prozent hatten heftige Kopfschmerzen. Einige machten in der Vergangenheit sogar so schlechte Erfahrungen, dass sie sich schweren Herzens dazu entschieden, komplett auf Eis zu verzichten [7].

Herausforderung für die Forschung

Die Studien zum Thema Hirnfrost basieren meist auf Symptomen, die von den Proband:innen an sich selbst beobachtet und oft durch einen Fragebogen davor und danach abgefragt wurden. Symptome und Erfahrungen sind allerdings sehr subjektiv und können so die Schlussfolgerungen verzerren. Mit Ausnahme der oben erwähnten taiwanesischen Studie sind die Stichprobengrößen in den Brain Freeze-Studien meist auch sehr klein, was allgemein gültige Aussagen erschwert. Die wenigen Studien, die es gibt, widersprechen sich teilweise auch, zumindest was Geschlechterunterschiede oder die Anfälligkeit von Migränepatient:innen betrifft.

Auch wenn manche Studien suboptimal sind, erhoffen sich Forscher:innen  durch mehr Wissen über den Mechanismus des Hirnfrosts auch Fortschritte beim Verständnis anderer Arten von Kopfschmerzen, wie eben Migräne. Eine Studie zum Brain Freeze wurde sogar von der NASA unterstützt – was vermuten lässt, dass das Wissen über Hirnfrost auch für das (Über-)Leben im All hilfreich sein könnte. Die Astronaut:innen auf der ISS bekommen unter anderem regelmäßig ihre Austronaut:innen-Nahrung geliefert. Auch Eiscreme ist hier manchmal dabei [11, 12].  Und Kopfschmerzen bei einer wichtigen Mission im All sind sicher nicht förderlich.

Tipps

Die gute Nachricht also an alle Brain-Freezer- und -Freezerinnen: Denkt beim nächsten Gehirnfrost daran, dass ihr nicht allein seid und Eisessen definitiv keine ernsthafte Gefahr für eure Gesundheit darstellt. Und: Gier tut selten gut, so auch beim Brain Freeze! Denn um Hirnfrost so gut wie möglich zu vermeiden, empfiehlt es sich, kalte Speisen und Getränke langsamer zu konsumieren und den Kontakt mit dem Gaumen zu minimieren. Kommt es doch zum Freeze, kann es helfen, den Gaumen mit der Zunge oder etwas Warmem wieder zu erwärmen [13].

Fazit

Meine Recherche hat ergeben, dass ich nicht alleine bin mit meinem Hirnfrost und erstaunlicherweise jede dritte Person davon betroffen ist. Und doch gibt es bis heute noch keine zufriedenstellende wissenschaftliche Antwort darauf hat, was dieses Phänomen eigentlich genau ist. Also dann, mal abwarten, was die Forschung in den nächsten Jahren zu diesem Thema zu berichten hat. Und am besten so lange Eiscreme schlecken – aber langsam!

Referenzen:

[1] Kaczorowski M. and Kaczorowski J: Ice cream evoked headaches (ICE-H) study: randomised trial of accelerated versus cautious ice cream eating regimen (2002). BMJ (Clinical research ed.), 325(7378), 1445–1446. https://doi.org/10.1136/bmj.325.7378.1445

[2] Raskin NH. Headache. 2nd ed. London: Churchill Livingstone; 1988.

[3] Held LK, Vink JM, Vitaro F., Brendgen M., Dionne G., Provost L., Boivin M., Ouellet-Morin I. and  Roelofs K.: The gene environment aetiology of freezing and its relationship with internalizing symptoms during adolescence (2022). EBioMedicine, 81, 104094. https://doi.org/10.1016/j.ebiom.2022.104094

[4] Bonemazzi I., Pelizza MF, Berti G., Ancona C., Nosadini M., Sartori S. and Toldo I.: Cold-Stimulus Headache in Children and Adolescents. Life 2023, 13, 973. https://doi.org/10.3390/life13040973

[5] Blatt M., Falvo M.,  Jasien J., Deegan B., Laighin G. and Serrador J.: Cerebral Vascular Blood Flow Changes During ‘Brain Freeze’ (2012). The FASEB Journal. 26. 10.1096/fasebj.26.1_supplement.685.4.

[6] Hensel O., Burow P., Mages S., Wienke A., Kraya T. and Zierz S.: Increased Blood Flow Velocity in Middle Cerebral Artery and Headache Upon Ingestion of Ice Water. (2019). Frontiers in neurology, 10, 677. https://doi.org/10.3389/fneur.2019.00677

[7] Fuh JL, Wang SJ, Lu SR and Juang KD: Ice-cream headache–a large survey of 8359 adolescents (2003). Cephalalgia : an international journal of headache, 23(10), 977–981. https://doi.org/10.1046/j.1468-2982.2003.00620.x

[8] Zierz AM, Meh T., Kraya T.,Wienke A. and Zierz, S.: Ice cream headache in students and family history of headache: A cross-sectional epidemiological study. J. Neurol. 2016, 263, 1106–1110.

[9] Raskin NH and Knittle SC: Ice cream headache and orthostatic symptoms in patients with migraine (1976). Headache, 16(5), 222–225. https://doi.org/10.1111/j.1526-4610.1976.hed1605222.x

[10] Bird N., MacGregor EA and Wilkinson MI: Ice cream headache–site, duration, and relationship to migraine (1992). Headache, 32(1), 35–38. https://doi.org/10.1111/j.1526-4610.1992.hed3201035.x

[11] ISS: Nasa schickt Astronauten Eis, Avocados und Zitronen (berliner-zeitung.de). Abgerufen am 22.08.2024

[12] Eiscreme-Lieferung für Astronauten: Raumfrachter „Dragon“ an ISS angedockt (kurier.at). Abgerufen am 22.08.2024

[13] You don’t say? The scoop on ice cream headaches – Harvard Health. Abgerufen am 22.08.2024

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