Mikroorganismen in der Lebensmittelproduktion
Damit Lebensmittel so schmecken, wie wir es kennen, sind oft kleine Helfer im Einsatz: Mikroorganismen. Diese werden heute standardmäßig für die Lebensmittelproduktion eingesetzt. Ohne die nützlichen Kleinstlebewesen wäre beispielsweise die Herstellung von Joghurt, Brot oder Käse gar nicht möglich. Die bESSERwisser haben recherchiert, welche Mikroorganismen zur Herstellung von Nahrungsmitteln verwendet werden, was sie können und wie sie unser Essen geschmacklich beeinflussen. Auch der Frage, was mit den Mikroorganismen aus der Nahrung in unserem Körper passiert, sind die bESSERwisser nachgegangen.
Kleine Lebewesen mit großem Nutzen
Unter dem Begriff Mikroorganismen wird eine sehr heterogene Gruppe an mikroskopisch kleinen Lebewesen zusammengefasst. Man kann Mikroorganismen, die häufig auch als Mikroben oder Kleinstlebewesen bezeichnet werden, in Einzeller und Mehrzeller unterteilen. Zu den einzelligen Mikroorganismen zählen Bakterien und Protozoen – das sind Einzeller, die im Gegensatz zu den kernlosen Bakterien einen echten Zellkern besitzen (z.B. Pantoffeltierchen). Auch Pilze und Algen, die aus wenigen Zellen bestehen, gehören zu den Mikroorganismen. Viren gehören streng genommen nicht zu den Mikroorganismen, werden aber trotzdem häufig dazugezählt. Was viele nicht wissen: Mikroorganismen machen insgesamt etwa 70 Prozent der gesamten Biomasse aus. Schätzungen gehen heute davon aus, dass unser Planet in etwa eine Billion mikrobieller Arten beherbergt [1].
Viele Mikroorganismen sind grundlegende Elemente von Nahrungsketten, da sie wichtige Stoffe produzieren. Kleinstlebewesen können aber auch organische Materie zu anorganischen Stoffen abbauen und somit in geochemischen Stoffkreisläufen eine wichtige Rolle spielen. Mikroorganismen werden teilweise gezielt gezüchtet und kommen für unterschiedlichste Anwendungen zum Einsatz. So etwa können Bakterien bei der Abwasserreinigung oder beim Abbau von Ölfilmen in Gewässern helfen oder zur Produktion von Arzneimitteln oder technisch nutzbaren Stoffen herangezogen werden. Und auch bei der Produktion von Nahrungsmitteln ist es heute Standard, sich verschiedenster Mikroorganismen zu bedienen.
Beispiele für Mikroorganismen in der Lebensmittelproduktion
Hefen
Hefen zählen zu den niederen Pilzen und vermehren sich durch Sprossung oder Spaltung. Diese Einzeller stellen die wichtigsten Mikroorganismen dar, die für die Lebensmittelproduktion eingesetzt werden. Ihre Fähigkeit, bei der alkoholischen Gärung Zucker in Alkohol umzusetzen und Lebensmittel zu fermentieren, wird schon seit langer Zeit vom Menschen eingesetzt.
Alkoholische Gärung: Unter Gärung versteht man den Stoffwechselprozess, bei dem unter anaeroben Bedingungen – das heißt in Abwesenheit von Sauerstoff – Kohlenhydrate zum Energiegewinn abgebaut werden. Bei der alkoholischen Gärung der Hefen werden Kohlenhydrate, vor allem Glukose, zu Ethanol und Kohlenstoffdioxid umgesetzt. Unter den richtigen Bedingungen wächst Hefe explosionsartig.
Hefe wurde beispielsweise bereits in der Antike zur Bierherstellung genutzt – damals allerdings unter weniger kontrollierten Bedingungen als heute. In der Natur sind Hefen als so genannte wilde Hefen zu finden, für die Lebensmittelproduktion werden jedoch Kulturhefen gezüchtet und eingesetzt. . Die von Hefe gebildeten Stoffwechselprodukte lassen beim Backen den Teig aufgehen und verhelfen Getränken zu ihrem Alkoholgehalt. Deshalb werden Hefen zum Beispiel bei der Produktion von Brot, Bier, Wein, und Spirituosen eingesetzt.
Schimmelpilze
Als Schimmelpilze wird eine sehr heterogene Gattung filamentöser Pilze bezeichnet. Auch wenn mit ihnen im ersten Augenblick oft verdorbenes Essen assoziiert wird, so gibt es auch Vertreter dieser Gattung, die für die Lebensmittelproduktion nutzbar sind und hier vor allem für Fermentationsprozesse eingesetzt werden. Bei der Herstellung von Roquefort oder Camembert beispielsweise werden Edelschimmelarten als Reifungsorganismen verwendet und verleihen dem Käse den typischen Geschmack, ohne dabei für den Menschen schädlich zu sein. Auch bei der Herstellung von Salami, Alkohol oder Zitronensäure werden Schimmelpilze eingesetzt. Aromastoffe oder Lebensmittelfarbstoffe aus Schimmelpilzen finden in der Lebensmittelindustrie ebenfalls Verwendung. Ein Beispiel dafür ist die Herstellung von rotem Reis.
Milchsäurebakterien
Die Milchsäurebakterien gehören einer bestimmten Gruppe von Bakterien an, die durch den Prozess der Milchsäuregärung Lebensmittel konservieren. Sie sind in der Natur weit verbreitet und sind auch im Verdauungstrakt des Menschen zu finden. Die Eigenschaften der Milchsäurebakterien macht sich der Mensch schon seit vielen tausenden Jahren zunutze.
Milchsäuregärung: Bei der Milchsäuregärung werden Kohlenhydrate zu Milchsäure und Kohlendioxid abgebaut. Die Milchsäure verleiht den Lebensmitteln den charakteristischen säuerlichen Geschmack und macht sie länger haltbar, indem sie das Wachstum unerwünschter Mikroorganismen verhindert.
Die von den Milchsäurebakterien produzierte Milchsäure bewirkt eine Verdickung von Milch und kommt bei der Herstellung von Joghurt, Buttermilch, Käse und anderen Milchprodukten zum Einsatz. Milchsäurebakterien finden auch Verwendung bei der Weinerzeugung, bei der Herstellung von Sauerteig, Sauerkraut, sowie Kakao. Auch für probiotische Produkte, die unsere Darmflora unterstützen sollen, werden Milchsäurebakterien eingesetzt.
In der Lebensmittelproduktion kommt häufig eine Kombination mehrerer verschiedener Mikroorganismen zum Einsatz. So wird beispielsweise Essig durch die Vergärung von Wein durch Hefe und Essigsäurebakterien gewonnen.
Das Mikrobiom des Menschen
Früher war man der Meinung, dass der Mensch aus rund 10 Mal mehr Mikroben-Zellen als menschlichen Zellen besteht. Das Gesamtgewicht der Mikroorganismen im und auf dem Menschen wurde auf 0,5 bis 1 Kilogramm geschätzt [2]. Diese Ansicht wurde mittlerweile revidiert. Heute geht man davon aus, dass der menschliche Körper im Durchschnitt rund 30 Billionen Mikroorganismen beherbergt und aus etwa gleich vielen menschlichen Zellen besteht. Nach neuen Berechnungen trägt jeder Mensch in etwa 200 Gramm Mikroorganismen mit sich herum [3].
Als Mikrobiota wird die Gesamtheit aller Mikroorganismen bezeichnet, die einen Menschen besiedelt, und als Mikrobiom die Gesamtheit aller ihrer Gene bzw. Genome. Jeder Mensch hat eine einzigartige Zusammensetzung an Mikroorganismen, die ihn besiedeln, und hinterlässt quasi seinen persönlichen „mikrobiotischen Fingerabdruck“ in seiner Umwelt.
Jeder Mensch hat eine einzigartige Zusammensetzung an Mikroorganismen, die ihn besiedeln, und hinterlässt quasi seinen persönlichen „mikrobiotischen Fingerabdruck“ in seiner Umwelt. Im Zusammenhang mit dem Menschen werden mit Mikroorganismen oft als erstes Krankheitserreger assoziiert. Die meisten Mikroben im und auf dem Menschen sind aber keine krankmachenden Keime, sondern üben wichtige Funktionen aus. So helfen Mikroorganismen unter anderem, Nahrungsmittel zu verwerten, giftige Stoffe abzubauen oder Oberflächen zu blockieren, um so die Besiedelung mit Krankheitserregern zu verhindern.
Mikroorganismen kommen auf verschiedensten Wegen auf und in unseren Körper: Sie werden durch Hautkontakt, durch Einatmen, aber auch über die Nahrung von uns aufgenommen. Welchen Mustern das Wachstum bestimmter Populationen dann im Körper folgt und wovon dieses beeinflusst wird, ist Gegenstand intensiver Forschung. Da Korrelationen zwischen bestimmten Krankheiten und der Zusammensetzungen von Mikroorganismen im Körper beobachtet werden konnten, ist die Untersuchung des menschlichen Mikrobioms ein vielversprechendes Forschungsfeld. In welchem Ausmaß die aktiven und inaktiven Mikroorganismen, die wir über die Nahrung zu uns nehmen, auch Einfluss auf Krankheit und Gesundheit haben, ist noch unklar. Und auch die Frage, ob man gezielt durch Nahrung bestimmten Krankheiten vorbeugen oder diese gar heilen kann, bleibt momentan noch offen.
Referenzen:
[1] Locey KJ and Lennon JT: Scaling laws predict global microbial diversity (2016). PNAS. 113:5970-5975
[2] Luckey, TD: Introduction to intestinal microecology (1972). Am. J. Clin. Nutr. 25, 1292-1294