Das Weihnachtsmenü und seine kulturelle Bedeutung

Festlich gedeckte Weihnachtstafel

Bild: Pixabay, CCO

Kein Fest ohne Mahl

Einem Fest wohnt immer das Außergewöhnliche und Seltene inne, weshalb alltägliche Tätigkeiten zu diesen Anlässen meist ruhen. Feste gehören zum Menschsein, auch wenn sie sich in Ausmaß, Häufigkeit und Anlass historisch und kulturell permanent verändert haben. Sie werden gemeinsam begangen, im Kreis der Familie oder mit Freunden, und sind oftmals mit einer Reihe an Emotionen verknüpft. Daher werden sie als gemeinschaftsstiftend betrachtet, was auch mit den immer wiederkehrenden Ritualen und Abläufen, die von der Gemeinschaft geteilt werden, zusammenhängt.

Essen und Trinken ist ein solches Ritual und, wie Weber-Kellermann meint, „…wohl das älteste soziale Element jeder großen Festzeit [1]“. Dieses Phänomen können wir weit in der Menschheitsgeschichte zurückverfolgen. Ein Fest, sei es nun der Geburtstag, die Hochzeit oder ein religiöser Feiertag, ist ohne meist reichhaltige Mahlzeit undenkbar.  Welche Speisen aber aufgetischt werden, unterscheidet sich kulturell, national und sogar regional sehr stark. Daher gilt: Jedem Fest sein einzigartiges Mahl, das durch spezifische, traditionell relativ strikt festgelegte Speisen, Zubereitungsarten und Darreichungsformen gekennzeichnet ist.

Was zu Weihnachten gegessen wird

Beim Weihnachtsessen ist dieses Prinzip besonders augenscheinlich. Schon in der Vorweihnachtszeit gibt es ein üppiges Angebot spezieller Weihnachtskekse wie Vanillekipferln, Kokosbusserln, Linzeraugen, Lebkuchen, Zimtsternen oder Rumkugeln. Am Heiligen Abend werden in Österreich je nach Region und Familientradition Karpfen, Wurst, Kartoffelsalat, Geselchtes, Gans, Fondue oder ein besonders beliebtes Familiengericht serviert.

Das war nicht immer so, war doch die Adventszeit bis zum 25. Dezember im Mittelalter dem Fasten vorbehalten, in der nur spezielles Fastengebäck wie Honigkuchen und Spekulatius verzehrt werden durfte. Am 24.12 waren die Vorschriften am strengsten, hier kamen bis Mitternacht nur Brotsuppe und getrocknetes Brot auf den Tisch. Ein deftiges Weihnachtsessen, wie wir es heute kennen, wurde erst nach der Christmette bzw. am 25. Dezember serviert, wobei die Speisen damals noch eine symbolisch-religiöse Bedeutung hatten. Fisch stand für Fruchtbarkeit und Leben, Schweine galten als Glücksbringer, und Mohn als Zutat im Kuchen wurde mit Fülle und Reichtum verbunden. In der christlichen Tradition wurden drei Beilagen zur Huldigung der Dreifaltigkeit gereicht oder zwölf Äpfel für die zwölf Apostel rund um den Braten drapiert.

Was die Auswahl des Menüs angeht, so gilt: Das eine Weihnachtsessen gibt es nicht. Es variiert hinsichtlich Region, Religiosität, gesellschaftlichem Status und mittlerweile auch in Bezug auf bestimmte Lebensstile. Trotzdem gibt es Gerichte, die länderübergreifend bevorzugt zum Festmahl verspeist werden. Das ist einerseits der Karpfen, der traditionell für Erneuerung und Fruchtbarkeit, aber auch christliche Werte steht. Weltweit beliebt ist daneben Geflügel, ob in der Form von Gans, Ente oder Truthahn, das früher aufgrund seines hohen Fettgehalts als Energiequelle geschätzt wurde. Die ärmere Bevölkerung hingegen griff oftmals auf Schweinefleisch und Wurst zurück, was noch heute im Klassiker Würstchen mit Kartoffelsalat in Deutschland und Österreich auf den Tisch kommt. Daneben gibt es eine Unzahl anderer regionaler Gerichte mit ihren ganz einzigartigen Entwicklungen und Geschichten.

Die Bedeutung des Weihnachtsmenüs

Was können wir heute aus den unterschiedlichen Weihnachtsmenüs ablesen? Aus einer soziologischen Perspektive können sie uns einen Einblick in die Lebenswelten der Menschen geben. Neben der Region konnte das Festmahl früher einen Hinweis auf Schicht und Religiosität geben. Im Zeitalter von Lebensmittelüberfluss, in dem Traditionen von vielen Menschen nicht mehr mit ihrer religiösen Bedeutung verbunden werden, greifen diese Kategorien jedoch nur noch ansatzweise.

Aber warum halten viele Menschen trotzdem an gewissen Speisen fest? Warum nicht mal Sushi und Yogitee zum Weihnachtsfest? Der Kulturwissenschaftler Thomas Macho meint dazu in einem Interview [2], dass über ein gewohntes Weihnachtsmahl „oft Traditionsanschlüsse gefunden oder sogar erfunden werden, die es nicht mehr wirklich gibt“. Damit werden beispielsweise Familienideale wie die der Großfamilie hoch gehalten, die in unserer Gesellschaft tatsächlich immer seltener werden. Durch die Vielfältigkeit und Öffnung unserer Gesellschaft wirken aber auch gewisse verpflichtende Normen nicht mehr so stark. So kann es durchaus sein, dass traditionelle Gerichte bewusst gemieden oder durch atypische Speisen ersetzt werden. Indem man beispielweise ein kreatives vegetarisches Gericht serviert, wird Individualität vermittelt und ganz nebenbei ein politisches Zeichen gesetzt.

Referenzen:

  1. Weber-Kellermann, Ingeborg (1987): Das Weihnachtsfest. Eine Kultur- und Sozialgeschichte der Weihnachtszeit. Bucher, Luzern / Frankfurt am Main, S.166.
  2. „Thomas Macho über das Festmahl an Weihnachten“, in: https://www.tip-berlin.de/thomas-macho-uber-das-festmahl-weihnachten/, 06.12.2013, download am 21.12.2016.

Weiterführende Literatur:

Winfried Gebhardt (1987): Fest, Feier und Alltag. Über die gesellschaftliche Wirklichkeit des Menschen und ihre Deutung. Frankfurt / Bern / New York / Paris.

Michael Maurer (Hrsg.): Das Fest. Beiträge zu seiner Theorie und Systematik. Böhlau, Köln / Weimar / Wien 2004.

 

(1.681 Mal angesehen, davon 21 Mal heute)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


CAPTCHA-Bild
Bild neu laden