Warum haben wir im Winter Lust auf Fettiges?

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Während wir im Sommer zu leichten Gerichten greifen, essen wir im Winter umso lieber herzhaft und kalorienreich. Ob Kartoffelpuffer, Fondue, Martini-Gans oder Weihnachtsbäckerei – je fetter, desto besser. Doch warum beginnen die meisten Menschen bei den sinkenden Temperaturen, einen steigenden Appetit für deftiges Essen zu entwickeln?

Genetisch bedingter Appetit auf fettiges Essen

Englische Forscher haben eine Verbindung zwischen dem Gen Galanin und der Lust auf fettiges Essen entdeckt.

Galanin ist ein Neuropeptid, das vor allem im peripheren und im Zentralnervensystem auftritt [1]. Neuropeptide sind Peptide (Moleküle aus mehreren Aminosäuren), die im Nervengewebe vorkommen und als Botenstoffe dienen.
Die biologische Wirkung von Galanin im menschlichen Organismus ist sehr vielfältig. Im zentralen Nervensystem ist Galanin an der Regulierung der Freisetzung verschiedener Neurotransmitter beteiligt. Galanin ist möglicherweise auch in verschiedene neurologische Prozesse, wie die Hemmung epileptischer Anfälle, involviert. Im peripheren Nervensystem beeinflusst das Neuropeptid die Bewegungsabläufe des Magen-Darm-Trakts. Außerdem kann Galanin auf das Hormonsystem einwirken [2].

In Versuchen mit Nagetieren konnten Wissenschaftler beobachten, dass ein erhöhtes Vorkommen von Galanin die Lust auf fettreiches Essen und Alkohol ansteigen lässt [3]. Bei Europäern ist das Galanin-Gen besonders stark ausgeprägt, weshalb sie öfter zu fettigem Essen und Alkohol greifen. Das Entstehen erhöhter Genaktivität von Galanin lässt sich auf unsere Vorfahren zurückführen, die noch als Nomaden durch das Land zogen und in Höhlen lebten. Damals war Nahrung mit einem hohen Fettgehalt vor allem im Winter wichtig für das Überleben. Asiaten haben hingegen ein weniger aktives Galanin-Gen, weshalb grundsätzlich weniger Verlangen nach deftigem Essen besteht. Sie passen ihre Ernährungsgewohnheiten allerdings stark an das europäische Pendant an, wenn sie über längere Zeit damit in Berührung kommen [2].

Die Lust auf fettige Speisen könnte dementsprechend im Westen durch die höhere Aktivität des Galanin-Gens größer sein, das allein dürfte aber nicht der einzige ausschlaggebende Faktor sein.

Fettes gegen Winterdepression

Ein weiterer Auslöser für das Verlangen nach fetten Gerichten kann die saisonal-affektive Störung, umgangssprachlich als „Winterdepression“ bezeichnet, sein. Diese beschreibt eine von der Jahreszeit abhängige, depressive Phase, die hauptsächlich in den Wintermonaten auftritt. Die Symptome umfassen etwa eine längere Schlafdauer, eine gedrückte Stimmung sowie einen verstärkten Appetit [4]. In der Fachliteratur wurde schon mehrmals beschrieben, dass das Verlangen nach fetthaltigem Essen eine Begleiterscheinung der Winterdepression ist. Eine mögliche Erklärung hierfür ist die stimmungsaufhellende Wirkung vom Zuführen fettiger oder auch süßer Speisen [5]. Es ist dennoch empfehlenswert, langfristig nicht nur auf stark fett-und zuckerhaltige Gerichte zu setzen.

Ur-Impulse und kulinarische Erinnerungen

Andere Erklärungen für den Heißhunger auf Fettes stehen in Zusammenhang mit unseren Urimpulsen, einen Vorrat für die kalten Monate anzulegen. So etwa hängt die gesteigerte Kalorienaufnahme laut Prof. Ira Ockene, Professor an der Medical School der Universität in Massachusetts, USA, mit den kürzer werdenden Tagen zusammen. Die Sonnenstunden werden weniger, und damit einhergehend ist man tagsüber weniger Licht ausgesetzt [6]. Diese Veränderung der Umwelt führt dazu, dass der Mensch in kürzerer Zeit mehr Nahrung finden und konsumieren muss, so Ockene. Der amerikanische Forscher stellte in einer Studie fest, dass die Teilnehmer im Herbst und Winter knapp 90 Kalorien pro Tag mehr zu sich nahmen als in den Sommermonaten [7]. Im selben Zeitraum sinkt der Level an sportlicher Betätigung auf ein Minimum ab. Eine mögliche Erklärung ist der höhere Energieaufwand, um eine Körpertemperatur von 37°C zu halten – weshalb mehr Kalorien verbraucht werden, die dem Körper auch zugeführt werden müssen.

Ein weiterer Faktor, der die Lust auf fettiges Essen im Winter steigern kann, ist die kulinarische Erinnerung. Wenn man etwa von der Großmutter eigens gebackene Kekse bekommt, die man seit der Kindheit kennt, haben diese aufgrund der emotionalen Verbindung einen höheren Stellenwert und werden schmackhafter wahrgenommen. Dementsprechend spielt in der kalten Jahreszeit nicht nur der Futtersammel-Instinkt eine Rolle, es spielen auch Erinnerungen eine Rolle, die man mit gewissen Speisen verbindet [6].

Fazit der bESSERwisser:

Warum wir in der kalten Jahreszeit größeren Appetit auf fette Gerichte entwickeln, ist nicht nur auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen. Es sind verschiedene Komponenten dabei involviert.

Verraten Sie uns doch in den Kommentaren, welche Erfahrungen Sie dazu haben. Welcher Theorie stimmen Sie zu beziehungsweise wie können Sie sich das kulinarische Phänomen vom Heißhunger auf Fettes in den Wintermonaten erklären?

 

Referenzen:

[1] Davidson S., Lear M., Shanley L. et al: Differential Activity by Polymorphic Variants of a Remote Enhancer that Supports Galanin Expression in the Hypothalamus and Amygdala: Implications for Obesity, Depression and Alocoholism. Neuropyschopharmacology, 2011, 36, 2211.2221, doi: 10.1038/npp.2011.93
[2] Crawley JN: The role of galanin in feeding behavior, PubMed, 1999, 33(5), 369-75, doi: 10.1054/npep.1999.0049
[3]http://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/galanin/4466, Website abgerufen am: 17.11.2016
[4] Westrin A, ‚Raymond WL: Seasonal Affective Disorder: A Clinical Update. Annals of Clinical Psychiatry. 2007, Volume 19, 239-246
[5] Christensen, L.: The effect of food intake on mood. Clinical Nutrition, 2001, Volume 20, Supplement 1, Pages 61–166. doi: 10.1054/clnu.2001.0420
[6] http://www.npr.org/2011/12/19/143938954/winter-munchies-do-we-eat-more-in-colder-months, Website abgerufen am: 01.12.2016
[7] Y Ma, B C Olendzki, W Li, AR Hafner et al.: Seasonal variation in food intake, physical activity, and body weight in a predominantly overweight population, European Journal of Clincal Nutrition, 2006, 60, 519-528. Doi: 10.1038/sj.ejcn.1602346

 

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