17.11.2016
Wie Essen die Gesundheit beeinflusst
Gesundes Essen ist wichtig – das wissen wir alle, und diese Tatsache wird heute schon Kindern im Kindergartenalter vermittelt. Aktionen wie die „gesunde Jause“ sollen bereits bei den Kleinsten das Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig eine gute, vollwertige Ernährung ist. Das richtige Essen kann dabei helfen, gesund zu bleiben und kann auch bei Krankheit die Genesung unterstützen. Was ist dran am Essen als Medizin, von dem man in den Medien aktuell so viel hört und liest? Kann man sich wirklich „gesund essen“? Und was hat es mit der Nutrigenomik und der Nutri-Epigenetik auf sich? Die bESSERwisser haben recherchiert.
Essen bei der Prävention und Heilung von Krankheiten
Schon in der Antike wusste Hippokrates: Die Nahrung sollte unsere Medizin sein. Der berühmteste Arzt des Altertums hatte bereits damals erkannt, dass Nahrungsmittel dabei helfen können, Krankheiten zu verhindern oder zu heilen. Beispiele dafür gibt es unzählige, und viele Lebensmittel werden schon über Generationen hinweg als Hausmittel bei Krankheiten angewandt. So kennt beispielsweise jeder von uns die gute alte Hühnersuppe, die vorbeugend und im Krankheitsfall wahre Wunder wirken kann. Zwieback und Karottensuppe bei Durchfall und Magenbeschwerden haben sicher auch viele von uns schon als Kinder bekommen.
Heutige Anforderungen an Essen
Essen soll nicht nur den Hunger stillen und gut schmecken. Heute soll es zusätzliche Ansprüche erfüllen: je nach Lebenslage Energie liefern, die Leistung steigern, bessere Konzentration ermöglichen oder beim Entspannen helfen. Aktuell wird weltweit auch intensive Forschung betrieben, um die Wirkung bestimmter Lebensmittel auf unsere Gesundheit zu untersuchen. Für viele Nahrungsmittel konnte die gesundheitsfördernde Wirkung bereits durch Studien belegt werden. Doch die Forschungsergebnisse müssen mit Vorsicht betrachtet werden, da sie sich oft nicht direkt auf den täglichen Konsum des Menschen umlegen lassen. Die Laborbedingungen, unter denen getestet wurde, unterscheiden sich meist stark von den Bedingungen des täglichen Lebens:
- So werden für viele Versuche oft große Mengen bestimmter Nährstoffe verwendet, die im Rahmen einer normalen Ernährung nie erreicht werden.
- Auch werden bestimmte Substanzen meist isoliert voneinander betrachtet, wobei sie in der Regel in Kombination mit anderen Nahrungsbestandteilen aufgenommen werden.
- Viele Studien werden in Zellkultur oder mit Versuchstieren durchgeführt. Die Auswirkung auf den Menschen ist noch fraglich.
Um konkrete Aussagen zum Einfluss bestimmter Stoffe auf die Entstehung und Heilung von Krankheiten treffen zu können, müssen jedenfalls noch weitere Studien durchgeführt werden. Dementsprechend dürfen auch ohne hieb- und stichfester Beweise Nahrungsmittel im EU-Raum nicht mit gesundheitsbezogenen Versprechen beworben werden.
Forschungsgebiete
Unter anderem wird heute auf folgenden Gebieten intensiv geforscht:
Positive Wirkung von Essen auf Krebskranke
Während und nach einer Krebstherapie soll richtig ausgewählte Ernährung den Erfolg der Therapie und die Lebensqualität der Patienten verbessern [1]. Auch wird zum Beispiel Omega-3-Fettsäure-haltigen Lebensmitteln sowie Obst und Gemüse mit hohem Gehalt an Anti-Oxidantien eine wichtige Rolle bei der Krebs-Prävention bestätigt [2].
Fasten
Verschiedene Formen von Fasten sollen generell gut für die Gesundheit sein und eine positive Wirkung auf den Verdauungsapparat haben. Auch Krankheitsprozessen von Diabetes bis Alzheimer soll Fasten entgegenwirken [3 ].
Functional Food und Superfood
Auch Lebensmittel mit einem bestimmten Gesundheitsanspruch liegen voll im Trend. Der Industrie beschert Functional Food (Nahrung, die mit bestimmten Substanzen angereichert wurde) riesige Umsätze. Dementsprechend viel Forschung und Entwicklung wird auf diesem Gebiet betrieben. Auch die Wirkungsweise von verschiedenstem Superfood (Lebensmittel, die von Natur aus einen sehr hohen gesundheitlichen Nutzen haben) wird intensiv untersucht.
Maßgeschneiderte Ernährung
Auch das Schlagwort „personalisierte Ernährung“ ist in den Medien allgegenwärtig. Ziel ist es, zukünftig verschiedene Bevölkerungsgruppen mit den für sie passenden Lebensmitteln zu versorgen. So sollen sich beispielsweise Kinder anders ernähren als Schwangere, Sportler oder chronisch Kranke. Auch die neuen Forschungsgebiete der Nutri-Epigenetik und der Nutrigenomik beschäftigen sich mit dieser Thematik. Sie hinterfragen die biologische Variation der Konsumenten, festgelegt durch ihr unterschiedliches Erbgut, und beschäftigen sich damit, ob bestimmte Ernährungsweisen auch für alle gleich gesund sind.
Nutri-Epigenetik
Die Nutri-Epigenetik untersucht, wie eine bestimmte Ernährungsweise epigenetische Veränderungen beeinflusst – das sind Veränderungen der DNA, die nicht die Basenabfolge betreffen aber dennoch weitergegeben werden [4]. Heute weiß man, dass bereits die Genaktivität des ungeborenen Kindes in der Gebärmutter von den Essgewohnheiten der Mutter beeinflusst wird und diese somit lebenslange Konsequenzen haben können [5,6]. Eine optimale Ernährung der Mutter während der Schwangerschaft reduziert für ihr Kind das Risiko, im Alter an chronischen Krankheiten zu leiden.
Aber auch die eigene Gesundheit kann durch die epigenetischen Folgen der Ernährung beeinflusst werden. So konnte gezeigt werden, dass wasserlösliche B-Vitamine, Folsäure, Stoffe aus Rotwein, Knoblauch, Kohl, Brokkoli und viele andere Nahrungsbestandteile unterschiedliche Wirkungen auf die Expression von Genen und somit auch die Entstehung von Krankheiten – auch Krebserkrankungen – haben. Die Forschung steckt hier aber noch in den Kinderschuhen.
Nutrigenomik
Die Nutrigenomik ist eine noch sehr junge Forschungsdisziplin, die sich mit der Wechselbeziehung von Ernährung und Genom beschäftigt. Eine Genanalyse soll eine individuell zugeschnittene Empfehlung zur Auswahl von Lebensmitteln ermöglichen, frei nach dem Motto: Essen, das dem Erbgut schmeckt. Die individuell richtige Ernährung könnte dabei helfen, Krankheiten vorzubeugen oder diese richtig zu therapieren, so der Plan. Paradebeispiel für die Nutrigenomik ist die Laktose-Unverträglichkeit: Vertragen die meisten Europäer den Milchzucker gut und können diesen verdauen, so löst er bei vielen Afrikanern und Asiaten Durchfall und Übelkeit aus – verantwortlich dafür ist ein genetischer Unterschied. Die Ernährungsberatung auf Basis von Nutrigenomik wurde in ersten Studien gut angenommen, allerdings steht dieser Forschungszweig noch am Anfang.
Fazit
Die meisten Europäer verzehren zu wenig Obst und Gemüse und erfüllen die Ernährungsempfehlungen nicht [7]. Wer seinem Körper etwas Gutes tun möchte, muss dafür nicht unbedingt auf Superfood zurückzugreifen oder die Nutrigenomik zu Rate ziehen. Schon eine ausgewogene Ernährung mit einer größeren Menge und Vielfalt an Obst und Gemüse kann viel bewirken: so kann das allgemeine Wohlbefinden auch mit der richtigen Kombination von Äpfeln, Karotten, Zwiebeln, Vollkornbrot und anderen „normalen“ Lebensmitteln gesteigert werden. Auch nur ein einfaches Joghurt, ganz ohne probiotische Zusätze, kann positive Effekte haben. Und: Essen soll schmecken und wenn möglich auch Genuss und Entspannung mit sich bringen. Denn wie schon Goethe sagte: „Wenn ihr gegessen und getrunken habt, seid ihr wie neu geboren.“
Referenzen
1: Kim JM and Sung MK. The Efficacy of Oral Nutritional Intervention in Malnourished Cancer Patients: a Systemic Review (2016). Clin Nutr Res.Oct;5(4):219-236. Epub 2016 Oct 31.
2: Diplock AT, Charleux JL, Crozier-Willi G. et al.: Functional food science and defence against reactive oxidative species (1998). Br J Nutr. Aug;80 Suppl 1:S77-112.
3: Mattson MP, Longo VD and Harvie M.: Impact of Intermittent Fasting on Health and Disease Processes (2016). Ageing Res Rev. Oct 31. pii: S1568-1637(16)30251-3. doi: 10.1016/j.arr.2016.10.005.
4: Gille D. und Vergeres G.: Nutri-Epigenetik: Der Zusammenhang zwischen Ernährung und Genetik. (2016). Nutrigenomik, 3: S. 9-13
5: Chen JH, Tarry-Adkins JL, Matharu K et al.: Maternal protein restriction affects gene expression profiles in the kidney at weaning with implications for the regulation of renal function and lifespan (2010). Clin Sci (Lond). Jul 23;119(9):373-84. doi: 10.1042/CS20100230.
6: Geraghty AA, Lindsay KL, Alberdi G. et al.: Nutrition During Pregnancy Impacts Offspring’s Epigenetic Status-Evidence from Human and Animal Studies (2016). Nutr Metab Insights. Feb 16;8(Suppl 1):41-7. doi: 10.4137/NMI.S29527. eCollection 2015.
7: Obst- und Gemüsekonsum in Europa – essen die Europäer genug davon? EUFIC Review 01/2012
Hi,
die Ernährung ist so extrem wichtig für unsere Gesundheit. Leider verstehen das viel zu wenige Menschen.
MFG Philipp
Hi Philipp,
das waren auch unsere Bedenken. Darum versuchen wir mit dem Projekt HUNGRY FOR SCIENCE, Ernährungsmythen aufzuklären und wissenschaftlich korrekte Fakten zu liefern.
Alles Liebe,
die bESSERwisser