05.07.2022
Was haben Erbsen mit Vererbungslehre zu tun?
Erbsen haben eine lange Geschichte: Sie dienten Gregor Mendel schon im 19. Jahrhundert für seine berühmten Experimente zu den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung. Die bESSERwisser haben zur Arbeit Mendels und zu den Ursprüngen der Züchtung heutiger Nutzpflanzen recherchiert. Die Geschichte unserer Kulturpflanzen geht bis ins 12. Jahrhundert v.Chr. zurück.
Gregor Mendel: Erbsenzähler und Vater der Genetik
Die Geschichte von Gregor Mendel ist bekannt: Bereits im 19. Jahrhundert führte der junge Mönch jahrelang akribische Kreuzungsexperimente im Klostergarten in Brünn durch. Er verwendete dafür die Gartenerbse (Pisum sativum), da sich diese Pflanze besonders für seine Untersuchungen eignete: Die Erbse ist leicht anzubauen und hat eine hohe Zahl an Nachkommen. Und, was für Mendel äußerst wichtig war: Sie besitzt unterschiedliche Merkmale, die sich leicht beobachten lassen, wie beispielsweise die Blütenfarbe, Samenform oder Samenfarbe. Bei seinen berühmten Kreuzungsversuchen konnte Mendel unterschiedliche Formen der Merkmalsvererbung beobachten – er analysierte dafür rund 30.000 Pflanzen – und leitete daraus die Mendelschen Regeln ab. Diese Gesetzmäßigkeiten dienen auch heute noch als Grundlage der Vererbungslehre und verliehen Mendel den Namen „Vater der Genetik“. Von den verschiedenen Erbsensorten, die Mendel für seine Versuche verwendete, hat es hauptsächlich die grüne Erbse mit der glatten Schote auf unsere Teller geschafft. Kreuzungsversuche mit Pflanzen gab es schon lange vor Mendel, allerdings dienten diese einem anderen Zweck, nämlich dem der Pflanzenzüchtung.
Es begann in der Steinzeit: Von der Wildpflanze zur Kulturpflanze
Die Geschichte der Pflanzenzüchtung geht nach heutigem Wissen bis in die Jungsteinzeit zurück. Die Menschen begannen vor rund 12.000 Jahren, Ackerbau zu betreiben und Wildpflanzen anzubauen [1]. Die Pflanzenzüchtung war eng damit verknüpft: Schon damals wurden selektiv immer wieder diejenigen Pflanzen einer Population für die Weitervermehrung verwendet, welche gewünschte Eigenschaften besaßen. Die Vorgehensweise der Steinzeitmenschen entsprach auch jener der heutigen Pflanzenzüchter: Die ersten Bauern und Bäuerinnen selektierten bewusst die Samen der kräftigsten, geschmackvollsten, schönsten oder ertragreichsten Einzelpflanzen für den Anbau im nächsten Jahr. Durch die bewusste Auswahl und Kreuzung erhielten sie in der Tochtergeneration Pflanzen mit erwünschten Eigenschaften beider Elternteile, die anschließend vermehrt werden konnten [2].
Dieses Ausleseverfahren geschah über Generationen hinweg. So gingen langsam typische Wildpflanzenmerkmale verloren, und die Pflanzen besaßen mehr und mehr jene Eigenschaften, die dem Menschen nützen. Diesen Prozess bezeichnet man als Domestikation. Es entstanden im Laufe der Zeit Pflanzensorten, die gut an die lokalen Umweltbedingungen angepasst waren. Aus den Wildpflanzen züchtete der Mensch die heute bekannten Kulturpflanzen, die uns als Nahrungsmittelquelle dienen. Unsere Kulturpflanzen sind somit nicht das Ergebnis einer Anpassung im Zuge der Evolution, sondern einer Anpassung an die Wünsche des Menschen und können teilweise auf eine Züchtungsgeschichte von mehreren tausend Jahren zurückblicken [1].
Methoden der Pflanzenzucht: Von der Selektionszüchtung zur DNA-Analyse
Früher waren bei der Pflanzenzüchtung andere Merkmale als heute wichtig, beispielsweise leichte Ernte. Der Fokus hat sich mittlerweile gewandelt: Ziel der Pflanzenzucht ist es, den Ertrag von Kulturpflanzen kontinuierlich zu steigern, ihre Qualität und Nährstoffverwertung zu verbessern und – was in Zeiten des Klimawandels besonders wichtig ist – sie gegenüber schwierigen Umweltbedingungen widerstandsfähiger zu machen.
Selektionszüchtung früher, Kreuzungs- und Kombinationszüchtung heute
Heute kommen in der Pflanzenzucht auch andere Methoden als früher zum Einsatz. Bis zum Zeitalter von Mendel wurde die schon beschriebene Selektionszüchtung angewandt. Diese erlaubte zwar eine Anreicherung guter Merkmale, konnte aber positive Eigenschaften verschiedener Pflanzen nicht in einer Pflanze gezielt vereinen. Das änderte sich mit Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts: Seit dieser Zeit werden die von Mendel aufgestellten Vererbungsregeln in der Züchtung konsequent angewendet. Das Wissen, dass auch gezielt mehrere Merkmale von Pflanzen neu kombiniert werden können, dient auch heute noch als Grundlage der so genannten Kreuzungs- und Kombinationszüchtung. So etwa können eine besonders ertragreiche, aber für eine Krankheit anfällige Pflanze und eine weniger ertragreiche, aber gegen die Krankheit widerstandsfähige Pflanze einer Art gezielt gekreuzt werden. Unter den Nachkommen dieser beiden Pflanzen finden sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch Pflanzen, die beide guten Eigenschaften – hohe Widerstandsfähigkeit und hohen Ertrag – vereinen [2].
DNA-Analysen für die Pflanzenzüchtung
Waren anfangs noch die äußerlich sichtbaren Eigenschaften einer Pflanze – der so genannte Phänotyp – Grundlage für die Züchtung, gab es hier in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Neuerungen: Die Entwicklung der DNA-Sequenzierungstechnik erlaubt es seither, auch die Information aus der DNA von Pflanzen – den so genannten Genotyp – für Züchtungen heranzuziehen. Gentests ermöglichten im Laufe der Zeit, bestimmte Eigenschaften von Pflanzen auch bestimmten Genen oder Gengruppen zuzuordnen. Durch Gentests kann deren Vererbung an die Nachkommen untersucht werden, was die für Züchtungen benötigte Zeit enorm verkürzt.
Vielfalt – die Basis der Pflanzenzüchtung
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts gibt es landwirtschaftliche Betriebe, die sich auf Pflanzenzüchtung spezialisiert haben. Sie erzeugen Saatgut und verkaufen dieses an Landwirte und Landwirtinnen. Manche betreiben dieses Gewerbe schon seit mehreren Generationen und haben ihr Wissen auch schon dementsprechend lang weitergegeben.
Für die Pflanzenzucht müssen die ZüchterInnen seit jeher auf eine gewisse Pflanzenvielfalt in ihrem Zuchtgarten zurückgreifen können. Eine möglichst große genetische Variabilität innerhalb einer Art – also möglichst viele Pflanzen, die sich in ihren Erbanlagen unterscheiden – ist die Basis für die Entwicklung von Pflanzensorten mit neuen oder verbesserten Eigenschaften [2, 3].
Reicht die Vielfalt an Pflanzen im eigenen Zuchtgarten nicht mehr aus, können ZüchterInnen heute auf so genannte Genbanken zurückgreifen. Diese bewahren Samenmuster verschiedener Arten in speziellen Kühlräumen auf, die so über mehrere Jahrzehnte keimfähig bleiben und in Kleinmengen für die Züchtung angefordert werden können. So etwa können gezielt Pflanzen bzw. deren Samen angefordert werden, die an bestimmte Bedingungen besonders gut angepasst sind. Durch Kreuzung dieser Pflanzen mit einer vorhandenen Kultursorte kann diese Eigenschaft übertragen werden. Auch ein Aussterben von Kulturpflanzen soll mit Genbanken verhindert werden. Eine der weltweit größten Genbanken ist die des Leibniz-Instituts und befindet sich im deutschen Gatersleben. Sie besteht aus über 150.000 Samenmustern von mehr als 3.000 Pflanzenarten [4]. Ebenfalls sehr bekannt ist die norwegische Genbank auf Spitzbergen. Auch in Österreich gibt es zahlreiche Genbanken, wie beispielsweise jene der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in Linz.
Lange Geschichte der Kulturpflanzen: Beispiele Mais und Weizen
Dass die grüne Erbse mit der glatten Schote das Ergebnis jahrhundertelanger Züchtung ist, wurde bereits erwähnt. Auch bei vielen anderen Kulturpflanzen ist das der Fall, wie beispielsweise für Getreide, das zu den ältesten heute bekannten Kulturpflanzen zählen.
Weizen
Die Geschichte des Weizens beginnt vor über 10.000 Jahren mit dem Getreide Einkorn [5]. Dies ist ein Süßgras und wurde schon damals im Vorderen Orient vom Menschen angebaut. Durch eine zufällige Kreuzung mit einem anderen Wildgras entstand der Wildemmer (Zweikorn) und durch gezielte Züchtung schließlich der Hartweizen, der vor allem für die Herstellung von Nudeln noch heute angebaut wird. Durch Kreuzung mit anderen Wildgräsern und weitere Züchtung entstanden aus dem Wildemmer auch Dinkel und Weichweizen. Weichweizen wird auch als Brotweizen bezeichnet und stellt heute die wirtschaftlich bedeutendste Weizenart dar. Aus ihm werden Grieß, Mehl und Vollkornprodukte hergestellt. Weizen stellt heute, bezogen auf die Anbaufläche, das weltweit wichtigste Getreide dar [6].
Mais
Mais ist eine der ältesten Kulturpflanzen der Welt und stammt ursprünglich von einem einfachen Wildgras in Mexiko ab. Zu seiner Entwicklung gibt es zahlreiche Theorien. Eine davon besagt, dass sich Mais aus einer Urform entwickelte, die dann ausgestorben ist [7]. Doch die Wissenschaft geht heute von einem anderen, wahrscheinlicheren Szenario aus: Schon vor etwa 8700 bis 9000 Jahren begannen die Indios vermutlich mit der gezielten Auswahl und Kreuzung der Teosinte – einer Gräserart, die es auch heute noch gibt [8]. Diese hatte damals jedoch eine Kolbengröße von maximal 2,5 Zentimetern, wie Funde belegen. Durch jahrtausendelanges Kultivieren und Züchten entstand der Mais, wie wir ihn heute kennen – mit viel größeren Kolben. Er hat sich mittlerweile als meistangebautes Getreide etabliert und steht auch in der EU an zweiter Stelle [9].
Referenzen:
[1] Pflanzenforschung.de: Was ist Pflanzenzüchtung?
[2] Pflanzenforschung.de: Pflanzenzüchtung (Züchtungsmethoden)
[4] IPK Leibniz-Institut: Genbank Gatersleben.
[9] Europäische Kommission: Getreidestatistiken