23.08.2018
Jetzt wird’s bunt! Farbstoffe in der Küche – damals und heute
Wie man weiß, isst das Auge mit. Gerichte oder Lebensmittel, die durch eine schöne Farbe bestechen, schmecken uns oft besonders gut. Mit der Farbe hilft man in der Küche gerne auch mal nach, was aber keine moderne Erscheinung ist, sondern schon seit Jahrhunderten so praktiziert wird.
Doch wie kommen Farben in unseren Lebensmitteln zustande? Welche natürlichen Farbstoffe können wir zum Färben unserer Gerichte verwenden und wie war das früher?
Möchte man natürliche Farbstoffe in der Küche einsetzen, kann es nicht schaden, etwas über die Chemie und Physik von Farben und deren Wahrnehmung sowie die Färbehistorie in der Küche zu wissen.
Chemie und Physik von natürlichen Farbstoffen
Für die Grundlagen der Farbwahrnehmung, begeben wir uns auf eine Reise in die Welt der Atome und Elektronen. In der Atomhülle wird beim Übergang eines Elektrons von einem Energieniveau zum anderen ein Lichtteilchen, ein sogenanntes Photon, abgestrahlt (emittiert). Dieses Teilchen ist gleichzeitig auch eine Lichtwelle, es hat also eine bestimmte Wellenlänge und Frequenz. Sichtbares farbiges Licht besteht aus einem regenbogenfarbenen Spektrum dieser Photonen und entsteht in der äußeren Atomhülle. Dort sind die Wellenlängen der emittierten Lichtwellen genau so lang, dass die Rezeptoren in unseren Augen sie wahrnehmen können. Was das für unsere Farbwahrnehmung bedeutet, soll hier am Beispiel roter Tomaten und oranger Karotten veranschaulicht werden. Die Farbstoffe, die in diesen Gemüsearten enthalten sind – Lycopine in Tomaten und Carotinoide in Karotten – weisen in ihrer chemischen Struktur viele konjugierte Doppelbindungen auf, das heisst, die Kohlenstoff-Doppelbindungen sind durch Kohlenstoff-Einzelbindungen voneinander getrennt. Dabei sind die Elektronen nicht fest gebunden und können sich so frei über das gesamte Molekül bewegen. Die vielen freien Elektronen absorbieren viele Lichtwellen mit unterschiedlichen Wellenlängen – all diese Lichtwellen fehlen bei der Wahrnehmung unserem Auge. Mit der Anordnung ihrer Elektronen absorbieren Carotin oder Lycopin also alle Farben des weißen Sonnenlichts, bis auf für uns sichtbares Orange bzw. Rot. Das gilt übrigens auch für das Grün des Chlorophylls von Blattspinat und andere Pflanzenfarbstoffe. [1,2]
Farben wecken übrigens auch bestimmte Emotionen bei uns. Was ein ungewohnt eingefärbtes Nahrungsmittel mit unserer Wahrnehmung macht, können Sie im Hungry for Science Blogartikel zum Thema Schmecken mit allen fünf Sinnen genauer nachlesen.
Farbgeber in der Küche von heute: Safran, Dotter und Kurkuma
Viele Naturfarbstoffe können ihre Farbe abgeben und man nutzt sie, um Lebensmittel zu färben. Es gibt Farbstoffe in Pflanzen, die stärker und nachhaltiger färben als andere. Das hat vor allem mit ihrer Löslichkeit und Hitzestabilität zu tun.
Carotinoide für Gelb-Orange
„Safran mach den Kuchen gel“, kennt man aus dem Liedtext von „Backe, backe Kuchen“ – „gel“ ist mittelhochdeutsch und bedeutet gelb [3]. Das teure Gewürz Safran enthält Carotinoide, vor allem Crocin, die dafür verantwortlich sind, dass mit Safran gewürzte Gerichte intensiv goldgelb gefärbt sind [4]. In Karotten ist das Carotinoid beta-Carotin (Provitamin A) für die gelborange Farbe verantwortlich. Carotinoide sind dafür bekannt, dass sie kaum wasser-, dafür aber gut fettlöslich sind. Außerdem bilden sie, wenn sie sich in Retinol (ebenfalls ein Vitamin A) spalten, sogenannte freie Radikale und können sich mit ihren freien Elektronen an andere Strukturen binden und Reaktionen eingehen. Carotinoide sind zudem sehr hitzestabil. Diese Eigenschaften machen sie zu beliebten natürlichen Farbstoffen. Übrigens färben Carotinoide nicht nur Safran und Karotten, sondern auch Dotter gelb. Hühner nehmen Carotinoide über das Futter auf und der Dotter färbt sich daher gelborange.[1] Das wird in der Lebensmittelindustrie ausgenutzt, also aufgepasst: nur weil ein Ei einen schönen gelborangen Dotter hat, ist es noch lange nicht von einem „glücklichen“ Huhn.
Ein bleibender Eindruck: Kurkumin für ein sattes Gelb
Wer schon einmal Kurkuma verwendet hat und es später vom Schneidbrett oder den Händen waschen wollte weiß, wie stark manche Pflanzenfarbstoffe färben. Kurkumin findet sich im Rhizom der Pflanze Kurkuma – man kennt es vor allem von Currymischungen, welchen es ihre gelbe Farbe verleiht. Ebenso findet Kurkumin Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff E 100 zur Färbung von Nahrungsmitteln wie beispielweise Margarine, Marmelade oder Senf. Kurkumin ist sehr lichtempfindlich und wird von Laugen destabilisiert, ist aber relativ hitze- und säurestabil, wodurch es seine Farbkraft behält. [5]
Auch früher beliebt: Das Färben von Speisen
Farbenfrohe Gerichte waren schon immer beliebt, in manchen Epochen war die bunte und opulente Darstellung der Speisen besonders wichtig. Dementsprechend sind in barocken Rezeptsammlungen häufig Färbeanweisungen zu finden. Eine kreativ ansprechende und bunte Tafelgestaltung war Statussymbol und optischer Genuss zugleich; und so kamen beispielweise mit Krebsschalen gefärbte Butter oder bunte Fruchtgelees zum Einsatz. Bei besonders wichtigen Ereignissen, wie etwa Hochzeiten oder dem Besuch hoher Gäste, wurde gerne noch eins draufgesetzt, und einzelne Pasteten oder Schautorten wurden vergoldet.
Besonders beliebt waren die Färbemethoden bei Süßspeisen, der Zucker an sich galt zu barocker Zeit als Luxusgut – die Verarbeitung war recht aufwändig und das importierte Rohprodukt sehr teuer. Damals fand speziell geläuterter Zucker oft Verwendung, da sich dieser gut einfärben lässt.
Im Barock war die essbare Farbpallette überschaubar. Die Farben für Süßspeisen und Saucen kamen neben Obst (z.B. wurde Marzipan mit Weichselmus lila-bläulich gefärbt) und Schokolade (die klein geraspelt unter Teig gemischt wurde) vor allem von Pflanzen (wie Rosen, Safran, Spinat). Bei manchen Farbstoffen zweifelte man aber ihre Unbedenklichkeit an. So gibt etwa der Engländer John Murrell am Ende seines Werks rund um Zuckerwerk Auskunft darüber, dass Schüttgelb (aus Wege- bzw. Kreuzdorn hergestellt, teilweise auch mit Alaun bzw. Kaliumaluminiumsulfat versetzt) oder Smalte (Pulver aus mit Kobalt gefärbtem Glas) – beide auch in der Malerei verwendet – zwar zum Verzieren verwendet werden können, aber besser nicht gegessen werden sollten. Gummigutt, ein asiatisches Gummiharz, bewirkt nicht nur eine leuchtend gelbe Farbe, sondern hat ebenso eine stark abführende Wirkung, was die Zuckerbäcker des 18. Jahrhunderts aber nicht davon abgehalten hat, es großzügig in ihren Kreationen zu verwenden. Eine bedeutend toxischere Wirkung wurde durch die Verarbeitung von säurehaltigen Früchten in unverzinnten Kupferschüsseln zur Verstärkung ihrer grünen Farbe hervorgerufen. [6,7]
Tragant – Stabilisator in der Küche von damals und heute
Das Färben von Süßspeisen war im Barock unweigerlich mit der Konstruktion der außergewöhnlichsten Zuckerskulpturen – meist als zentrales Prunkstück auf einer großen Tafel – verbunden. Mehrfärbige Schautorten oder ein Zuckerberg inklusive essbarer Vegetation sowie Zucker-Tierfiguren und Gelee-Flüsse (siehe Abbildung) wurden aus gefärbtem Zucker- oder Mandelteig hergestellt. Stabilität erzielte man beim Zuckerteig, der vom barocken Koch und Kochbuchautor Conrad Hagger auch Pußlteig [8] genannt wird, mit Hilfe des pflanzlichen Bindemittels Tragant, das aus der gleichnamigen krautartigen Pflanze gewonnen wird. Tragant besteht aus Mehrfachzuckern (Polysacchariden), Makromolekülen aus Zuckern und Eiweißen (Proteoglykanen) und Stärke, und wird in wässriger Lösung zu einer klebenden, gelartigen Masse [9]. Man findet heute noch Backrezepte, die dieses Bindemittel verwenden.
Tournesol, Lackmus und Bezette da tingere – Rot in vielen Varianten
In den barocken Rezepten ist oft von Tournesol oder Lackmus die Rede, die genaue Art ist meist nicht näher beschrieben. Dort heißt es an manchen Stellen lediglich „mache Rott mit einen farb“[10] oder „lege rothe Durnisol= Flecklein darzu / so werden sie roth“[11].
Rotvarianten waren bei der Färbetechnik von besonderer Bedeutung. Die verschiedensten Schattierungen, auch ins Blau-Violette, konnten mit Hilfe von Tournesol, Sandel- und Brasilholz sowie (ab dem späten 16. Jahrhundert) den aus Zentralamerika importierten Cochenilleschildläusen gewonnen werden. [7] Lange Zeit dachte man, dass es sich bei den getrockneten Läusen um Samen einer Pflanze handelt, da sie von deren Blättern gesammelt wurden. 1725 wurde erstmals argumentiert, dass der Farbstoff eigentlich aus dem Tierreich stammt. [12] Heute werden Cochenille hin und wieder in Apotheken zur natürlichen Färbung von Ostereiern angeboten. Im Mörser zerkleinert, kann das Pulver im Kochwasser gelöst werden und gibt ein kräftiges Purpur. Diesem Thema widmet sich auch der Hungry for Science Blogartikel zum Thema Ostereierfärben näher.
Rote Färbetücher
Vor allem in Rezepten aus dem deutschsprachigen Raum tauchen die Tournesolarten recht häufig auf. Sie werden aufgrund ihrer Verkaufs- bzw. Anwendungsweise auch Tournesol-Flecken oder Bezette/Pezette (italienisch für Stückchen/Fetzen) genannt. Meist gelangte der Farbstoff nämlich über die italienischen Handelspartner in Form von mit Tournesol bzw. Lackmus eingefärbter Stofffetzen zu uns. Um den Farbstoff daraus zu gewinnen, wurden diese dann in den flüssigen Komponenten der Speise mitgekocht, wodurch sich schlussendlich die Rotfärbung des Gerichts ergab. Laut Johann Krünitz (den Mitbegründer einer der umfangreichsten Enzyklopädien des deutschen Sprachraums), können dabei viele verschiedene Arten und Schattierungen unterschieden werden. Zum Kochen sind es vor allem die levantischen und venezianischen Färbeläppchen, aber auch portugiesische kleine, mit Cochinelle oder Scharlachbeeren gefärbte Baumwollkugeln. Aus Lackmus (Lacca coerulea) können ebenso auch bläuliche Schattierungen erzeugt werden. Diese Variante wurde in kleinen, länglichen bzw. viereckigen oder würfeligen und trockenen Fingerglied-großen Stücken verkauft und in vergangenen Jahrhunderten aus dem Saft des Sonnenblumen-Blaus gewonnen. Der pflanzliche Farbstoff hat allerdings nichts mit unserer gelben Sonnenblume zu tun, sondern stammt von der Krebsblume (in den zeitgenössischen Nachschlagewerken als Croton tinctorium bezeichnet; bot. Chrozophora tinctoria) [13,14,15].
Lackmus als pH-Indikator
Alternativ kann Lackmus aus Moos bzw. Flechten der Gattung Roccella gewonnen werden. Der dazugehörige purpurne Farbstoff trägt auch den Namen Orseille. Heute kennt man Lackmus noch immer als Säure-Basen-Indikator. Diese farbbeeinflussende Eigenschaft war auch den barocken Köchen vertraut, und so konnten die verschiedenen Farbvariationen von blau bis rot, beispielweise durch die Zugabe von Zitronensaft oder basischen Laugensalzen erzielt werden. Verwendet wurde Tournesol auch zum Rotfärben der Rinde einiger Käsesorten, zum Färben des blauen Zuckerpapiers oder zur Verbesserung der Farbe von Weinen. Ob die verwendeten Farbstoffe, die aus den Stoffstücken gelöst wurden, gesundheitsschädigende Auswirkungen hatten, dessen war man sich nicht sicher. Krünitz empfahl allerdings, auf den Verzehr derlei nachgefärbter Weine zu verzichten und gab auch gleich einen Tipp, wie darauf getestet werden kann: „Die Proben, den durch Tournesol gefärbten Wein zu entdecken, sind: durch ein feuerbeständiges Alkali wird solcher purpurblau, durch ein flüchtiges Laugen=Salz ganz blau, durch Kalk=Wasser und Bley=Zucker weißlich“ [12]. Die pH-Abhängigkeit von Tournesol oder Lackmus wurde später beim „Lackmustest“ ausgenutzt – übrigens heutzutage noch eine Metapher für einen Prüfstein bzw. eine Entscheidung mit urteilendem Charakter [16].
Fazit
Das Reich der Farben in der Küche ist vielfältig – nicht zuletzt, weil das Auge mitisst, haben Menschen schon immer gerne bunte Speisen verzehrt. In der Opulenz vergangener Epochen wurden oft Farbstoffe für die Färbung von Lebensmitteln eigesetzt, die man heute nur noch in der Malerei oder Materialchemie verwendet. Einige Evergreens wie Safran, Kurkuma oder Tomaten haben sich jedoch gehalten und werden immer noch gerne zum Färben von Speisen eingesetzt.
Verwenden Sie selbst auch ungewöhnliche Farbstoffe für Ihre Gerichte und Mehlspeisen? Oder haben Sie darüber in alten Kochbüchern gelesen? Dann kontaktieren Sie doch unsere Gastredakteurin Marlene Ernst vom Zentrum für Gastrosophie – Fachbereich Geschichte der Paris Lodron Universität Salzburg. Sie beschäftigt sich wissenschaftlich mit historischen Rezepten und freut sich über Ihre Beiträge! Marlene.Ernst@sbg.ac.at
Quellen
[1] Vilgis Thomas, Die Molekül-Küche, Physik und Chemie des feinen Geschmacks, Hirzel Verlag, 2013, 9. korr. Auflage, 53-55, ISBN 978-3-7776-2330-6
[2] Peter-junglas.de: Emission und Absorption von Photonen: Abgerufen am 21.08.18
[3] Wikiwörterbuch – „gel“; Abgerufen am 21.08.18
[4] Chemie.de: Definition: Safran; Abgerufen am 21.08.18
[6] John Murrell, A Daily Exercise for Ladies and Gentlewomen, London 1617, Rezept Nr. 111
[7] Laura Mason, Sugar-Plums and Sherbet, The Prehistory of Sweets, Prospect Books 2004, 195–199, ISBN 1-903018-28-5
[8] Conrad Hagger, Neues Saltzburgisches Kochbuch […], Augsburg 1719; Rezept Buch II Teil2 Kap. 3 Nr. 55
[9]PharmaWiki – Medikamente und Gesundheit: Tragant; Abgerufen am 21.08.18
[10] Barbara Morino (Hg.), Das Kochbuch der Ursulinen aus dem Jahr 1716 mit 560 Rezepten, Mandelbaum 2013, 185, ISBN 978385476-426-7
[11] Conrad Hagger, Neues Saltzburgisches Kochbuch […], Augsburg 1719; Rezept Buch IIII Teil 2 Kap. 8 Nr. 042
[13] Global Plants, JStor: Croton tinctorium; Abgerufen am 21.08.18