Auch unter der Erdoberfläche gibt es Leben – damit beschäftigt sich das internationale Forschungsprojekt "Deep Carbon Observatory" und veröffentlichte vor rund einem Jahr neue Erkenntnisse zu diesem Ökosystem. Hochrechnungen der WissenschaftlerInnen dazu, was bei mehreren Kilometer tiefen Bohrungen im Meeresboden sowie in Bohrlöchern und Minenschächten entdeckt wurde, ergab Beeindruckendes: Es wird angenommen, dass allein die darin vorkommenden Mikroben eine Gesamtmasse von 15 bis 23 Milliarden Tonnen Kohlenstoff ausmachen – das entspricht 245- bis 385-mal mehr als der Kohlenstoff aller Menschen auf Erden. Den Mikroorganismen steht ein Lebensraum von 2 bis 2,3 Milliarden Kubikkilometern zur Verfügung, beinahe das doppelte Volumen der Ozeane.
Die Artenvielfalt, die in der Erdkruste vorgefunden wurde, ist erstaunlich groß. Es bewohnen sowohl Bakterien als auch Archaeen und Eukaryoten, also Lebewesen mit Zellkern, dieses "intraterrestrische" Ökosystem. ForscherInnen vermuten, dass 70 Prozent aller Bakterien und Archaeen unseres Planeten in der Erdkruste zu finden sind. Manche Gattungen der verschiedenen Arten kamen an allen untersuchten Stellen vor. Das wirft die Frage auf, ob diese Mikroorganismen durch geologische Prozesse überall verteilt wurden, oder ob sie sich selbst innerhalb der Erdkruste dorthin bewegt haben.
In den Tiefen der Erdkruste in einer südafrikanischen Goldmine fanden WissenschaftlerInnen um Gaetan Borgonie von der Universität Gent und Tullis Onstot von der Princeton University nicht nur Mikroben, sondern auch den Fadenwurm Halicephalobus mephisto. Dieses nur rund einen halben Millimeter lange vielzellige Geschöpf wird auch Teufelswurm genannt und ist unter den ihn umgebenden Mikroorganismen ein wahrer Riese. Fundstellen des Teufelswurms lagen bis zu 3,6 Kilometer unter der Erdoberfläche – viel tiefer, als jemals zuvor andere Vielzeller entdeckt wurden. Der Gigant der Erdkruste hält sich in der Nähe von Grundwasservorkommen auf und lebt von den dort ansässigen Bakterien. In der Tiefe muss der Teufelswurm extremen Bedingungen trotzen: Extrem niedriger Sauerstoffgehalt im Wasser, hohe Anteile von Methan, Temperaturen bis zu 37 Grad – was die meisten anderen Fadenwurmarten nicht aushalten würden.
John Bracht von der privaten American University in Washington, D.C. und seine KollegInnen sequenzierten nun das Genom von H. mephisto und fanden dabei heraus, dass der Wurm mehrere Kopien einiger wichtiger Gene besitzt. So etwa liegen im Teufelswurm das Hsp70-Gen, das für ein Hitzeschockprotein kodiert, und das AIG1-Gen, das für das zelluläre Überleben wichtig ist, mehrfach vor. Die zusätzlichen Kopien der Gene dürften durch seine Anpassung an die Umgebung entstanden sein. Die ForscherInnen wollen nun in weiteren Studien HSp70 in Würmern ausschalten, um dessen Funktion bei Hitze zu untersuchen. Hsp70 soll auch im Fadenwurm Caenorhabditis elegans, einem entfernten Verwandten des Teufelswurms, der in der Forschung als Modellorganismus dient, eingebracht werden. So wollen die ForscherInnen analysieren, ob das Gen auch diesen Tieren Hitzeresistenz verschaffen kann.
as, 31.12.2019
Quelle:
DerStandard Wissenschaft, abgefragt am 27.12.2019
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