Ein Team der Vetmeduni Wien vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie rund um Sylvain Giroud konnte am skandinavischen Braunbären Ursus arctos den Winterspeck erstmals genau analysieren und veröffentlichte die Ergebnisse im Fachjournal „Frontiers in Physiology“. Untersucht wurden die saisonalen Veränderungen der Zusammensetzung des Körperfetts in ihrer natürlichen Umgebung. Die Zusammenarbeit mit dem Forschungsteam vom Scandinavian Brown Bear Research Projekt ermöglichte es, freilebende Braunbären im Winterschlaf einzufangen und zu untersuchen.
Vor der Winterschlafperiode fressen sich Braunbären eine Fettschicht an, von der sie während ihrer Ruhezeit zehren und so bis zu ein Drittel ihres Körpergewichtes verlieren können. Dazu frisst ein Braunbär täglich etwa 40 Kilogramm Futter und kann bis zu 3 Kilogramm am Tag zunehmen. Bären sind Allesfresser, und ihre Umgebung bestimmt, was sie fressen. Das können Knollen, Früchte, Blätter, Beeren, Nüsse, Samen, Honig, Insektenlarven, Nagetiere, Fische, Hirschkälber, Fische und am Boden brütende Vögel sein. Mit dem Winter-Fettpolster kann das Tier dann bis zu viereinhalb Monate ohne Nahrung auskommen. Im Gegensatz zu kleinen Säugetieren halten Braunbären keinen tiefen Winterschlaf, sie halten eher Winterruhe. In dieser inaktiven Zeit zwischen Oktober und Dezember senken Braunbären ihre Körpertemperatur nur um zwei bis fünf Grad Celsius, sodass ihre Körpertemperatur zwischen 30 und 36 Grad Celsius beträgt. Auch Kreislauf, Atmung und Herzschlag senkt der Braunbär nur so viel wie notwendig, um die Nahrungsknappheit im Winter zu überdauern. Das garantiert eine Winterruhe, die sie schnell wieder aktiv werden lässt, sollten sie einen feindlichen Angriff abwehren müssen.
Eine spezielle Zusammensetzung der Fettsäuren im Winterspeck ermöglicht es den Winterschläfern, Energie zu sparen. Um eine gute Energieeffizienz zu bekommen, lagern diese vor ihrer Ruheperiode mehrfach ungesättigte Fettsäuren (PUFA) in ihr Körperfett ein. Die Analyse der einzelnen Lipideinheiten, der Membranfluidität, dem Lipoproteinmetabolismus sowie der dreidimensionalen Struktur von Proteinen zeigte eine deutliche Verbesserung der Energieeinsparung während des Winterschlafs. Interessanterweise ist die Lipidzusammensetzung ein evolutionär tief verankertes Phänomen des Winterschlafs. Unabhängig von unterschiedlichen winterschlafhaltenden Säugetieren, der Körpermasse und Körpertemperatur der Tiere zeigten sich ähnliche Lipidzusammensetzungen des Winterspecks. Auch deutlich kleinere Winterschläfer, wie etwa das Murmeltier, lagern vor ihrer Ruheperiode mehrfach ungesättigte Fettsäuren in ihr Körperfett ein.
Laut Forschungsteam sind weitere Studien erforderlich, um Zusammenhänge zwischen der Lipidzusammensetzung während des Winterschlafes und bestimmten Körperfunktionen aufzuklären. Es gilt herauszufinden, wie die Regelung des Herz- Kreislauf-Systems, die Stabilisierung der Herzfrequenz, die Einleitung und Aufrechterhaltung einer aktiven Stoffwechselunterdrückung und die Erhaltung der Muskelmasse trotz körperlicher Inaktivität während des Winters funktioniert.
Eine aktuelle Studie der Vetmeduni Wien zeigte außerdem, dass eine niedrige Körpertemperatur beim Winterschlaf die Zellen schädigen kann: Tiefe Temperaturen führen zu vermehrtem Schrumpfen der Telomere - das sind die Schutzkappen der Chromosomen, was sogar zum Zelltod führen kann.
LN, 15.10.2019
Originalpublikationen:
Quellen:
Presseinformationen der Vetmeduni Wien vom 16.05.2019
Presseinformation der Vetmeduni Wien vom 14.10.2019