US-ForscherInnen konnten im Gehirn von Spechten erstmals Proteine nachweisen, die im Menschen mit Hirnschäden in Zusammenhang stehen. Das Klopfen der Spechte dürfte also tatsächlich Spuren hinterlassen. Allerdings ist noch nicht klar, ob diese Eiweiße in den Tieren nicht auch eine schützende Funktion haben könnten.
Auf den Kopf eines Spechtes wirkt beim Hämmern eine enorme Kraft. Die Tiere sind wahre Ausdauersportler: Mit Geschwindigkeiten zwischen 20 und 25 Kilometern pro Stunde hämmern sie in einem Staccato mehr als 10.000 Mal täglich auf das Holz eines Baumstamms. Ein einziges Klopfen mit ihrem spitzen Schnabel dauert nur 50 Millisekunden. Dabei erfährt ihr Schädel durch das Abbremsen mehr als das 1.200-fache der Erdbeschleunigung. Beim Menschen reicht schon ein Bruchteil davon aus, um eine Gehirnerschütterung auszulösen.
Rein äußerlich konnten an den Vogelschädeln bisher allerdings keine Verletzungen festgestellt werden- woraus sich die Schlussfolgerung ergab, dass auch das Gehirn der Spechte beim Klopfen keinen Schaden davonträgt. Die große Wucht des Aufpralls schien den kleinen Tierköpfen also nichts anhaben zu können. Im Laufe der Evolution adaptierten sich die Schädel der Spechte anscheinend an das dauernde Hämmern: Einerseits zeichnen sie sich durch die Knochenstruktur und besonders wenig Hirnflüssigkeit aus, so dass die Hirne sich bei der Erschütterung nicht viel bewegen können. Andererseits weist auch der Nacken der Tiere besonders kräftige Muskeln auf. Aus diesem Grund wurden die robusten Schädel der Spechte von Sicherheitsexperten auch als Grundlage für die Entwicklung von Schutzhelmen und anderer Sportausrüstung verwendet. Was aber im Inneren der Gehirne tatsächlich passiert, wurde noch nie genauer untersucht.
Bei der Untersuchung von Hirnschnitten toter Dunenspechte- der kleinsten nordamerikanischen Spechtart- aus einer Sammlung des Chicagoer Field Museums konnten WissenschaftlerInnen jetzt Tau-Proteinen in großer Menge nachweisen. Dies sind genau jene Proteine, deren Anhäufung zumindest beim Menschen ein Zeichen für Hirnschäden und dafür ist, dass die Nervenfunktion beeinträchtigt ist. Im gesunden Gehirn ummanteln Tau-Proteine die Axone (Fortsätze der Nervenzellen) und schützen diese dadurch. Ist jedoch zu viel von diesem Eiweiß vorhanden, dann beeinträchtigt das die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. Eine Ansammlung von Tau-Proteinen wurde beim Menschen sowohl bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer als auch bei anderen Hirnschäden wie beispielsweise traumatischer Enzephalopathie, auch CTE (chronic traumatic encephalopathy) genannt, nachgewiesen. Letzteres tritt vor allem bei SportlerInnen als Langzeitfolge von häufigen, leichten Gehirnerschütterung auf. So zeigten unter anderem Untersuchungen an Footballspielern, dass Tau-Proteine lokal im Gehirn im Überfluss vorhanden sind. Die Schutzwirkung der Helme und anderer Ausrüstung, die genau diese Verletzungen verhindern sollen und dabei die Spechtschädel als Vorbild hatten, wird durch die neuen Forschungsergebnisse jetzt aber in Frage gestellt.
Allerdings vermuten die WissenschaftlerInnen, dass die Tau-Proteine bei Spechten sich in Aufbau und Funktion von denen des Menschen unterscheiden könnten. Die AutorInnen der in PLOS One erschienenen Studie bezweifeln nämlich, dass das Klopfen der Spechte sich in der Evolution durchgesetzt hätte, wenn das Hämmern ihr Hirn dauerhaft schädigen würde. Schließlich sind Spechte auf diese Technik angewiesen, um so an Insekten und Larven unter der Rinde der Bäume zu gelangen. Es lasse sich also nicht mit Sicherheit sagen, dass eine Ansammlung an Tau-Proteinen auch bei den Vögeln ein Hinweis auf ernsthafte Schäden ist- die WissenschaftlerInnen spekulieren daher bereits über eine Schutzwirkung dieser Eiweiße auf das Vogelgehirn. Sie hoffen, dass die Tau-Proteine der Spechte Erkenntnisse liefern könnten, die bei der Erforschung und Therapie von neurodegenerativen Erkrankungen helfen sollen.
Quellen:
APA Science, abgerufen am 05.02.2018
ORF Science, abgerufen am 02.02.2018
Originalpublikation:
JA, 12.02.2018