Schon seit Beginn des weltweit verlaufenden Handels um 1500 gibt es das Phänomen der verschleppten Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen. Dieses bezeichnet, dass gebietsfremde Arten durch das menschliche Handeln in unbekannte Gebiete vorstoßen. Etwa ein Sechstel der „Neobiota“ genannten, eingeführten Arten, sind invasiv und haben daher negative Auswirkungen auf ihre direkte Umwelt. In den letzten Jahren erlebten die Funde von neuen Neobiota einen Aufwärtstrend – durchschnittlich wird mehr als einmal am Tag irgendwo auf der Welt eine gebietsfremde Art gefunden. Dr. Franz Essl vom Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien sieht noch kein Ende in Sicht: „Wir müssen mit vielen neuen Arten rechnen.“
Durch die den Anstieg an globalen Reisen, etwa durch Handelsbeziehungen oder Tourismus, verbreiten sich Arten zunehmenden in einem Radius von rund 10.000 Kilometern. Zum Vergleich: Die Ost-West-Ausdehnung Europas beträgt etwa 6.000 Kilometer. Die Neobiota stellen ein Risiko sowie eine Konkurrenz für heimische Arten dar und können die Artenvielfalt reduzieren. Ebenso können sie durch Kreuzungen die genetische Zusammensetzung der herkömmlichen Arten verändern.
Auf globaler Ebene sind vor allem Inseln stark von den Invasoren betroffen. Eingeschleppte Tiere konnten so in kurzer Zeit ganze Arten auslöschen – für Ratten und Katzen, die mit europäischen Schiffen auf tropische Inseln kamen, waren Vogeleier etwa eine willkommene Abwechslung. Bekannte Beispiele für diese Auslöschung sind der Dodo auf Mauritius oder der Moa auf Neuseeland. Auch die bewusste Einbürgerung neuer Arten zeigte sich fatal: Schon früh brachten Siedler Tiere und Pflanzen von ihren Reisen mit, die die ortsansässige Flora und Fauna nachträglich schädigte.
„In Österreich haben wir 1.200 eingeschleppte Arten und 3.000 heimische – also einen sehr hohen Anteil“, so Essl. Negative Auswirkungen auf den Mensch und die Umwelt haben davon etwa 10 Prozent. Einige Arten, wie der Riesen-Bärklau, sind für die Natur unbedenklich, hinterlassen am Menschen aber Verätzungen auf der Haut. Das aus Nordamerika stammende Beifußblättrige Traubenkraut stellt etwa eine Unannehmlichkeit für die Landwirtschaft und Allergiker dar, ist aber ebenfalls keine Bedrohung für die heimische Natur. Problematischer ist hier die amerikanische Robinie. Der weitverbreitete Baum lebt in Symbiose mit stickstoffbindenden Bakterien, was wie eine Überdüngung wirkt. Dadurch reduziert sie in ihrer direkten Umgebung die Artenvielfalt, weil viele Pflanzen diese nicht vertragen. Durch ihre schnelle Vermehrung kann man dem Laubbaum nur schwer Einhalt gebieten.
Aus Forschersicht sind die Neobiota spannend: Durch die neuen Arten, die sich in vergleichsweise kurzer Zeit ansiedeln, lassen sich verschiedene Phänomene beobachten – etwa die Veränderung in den Artenbeziehungen, meint Essl. Auch wenn die Folgen durch die Verschleppung der Arten in Europa deutlich merkbar sind, wurden noch keine heimischen Tiere oder Pflanzen auf diese Weise ausgerottet – diese Auswirkung spürt man eher auf der südlichen Hemisphäre oder abgeschotteten Inseln. Die Forschung fokussiert sich dennoch auch hierzulande auf eine rechtzeitige Vorsorge: „Alles was man sich nicht einhandelt, ist nicht nur kostengünstig, sondern spart auch viele Probleme“, betont Dr. Wolfgang Rabitsch von der Universität Wien, „Prävention ist die „first line of defense“.
Weitere Informationen unter: neobiota-austria.at
JM, 26.07.2017