Wien ist ohne Zweifel der Hotspot der aktuellen biowissenschaftlichen Forschung und Entwicklung in Österreich. Aber auch in der Steiermark und der Universitätsstadt Graz haben sich mittlerweile etliche Biotech-Start-ups angesiedelt. Der Werdegang der drei steirischen Jungunternehmen Kilobaser, BirdShades und Saphium zeigt, welche Schritte und Hürden den Gründer*innen auf dem Weg von der Idee zum Unternehmen begegnet sind.
Am Anfang der meisten Geschäftsideen steht ein Problem, das mit herkömmlich verfügbaren Mitteln nicht ausreichend gelöst werden kann. Im Bereich Biotech kommen Fragestellungen häufig aus dem universitären Umfeld, oft entstehen sie aus Forschungsfragen heraus.
Ein Problem, das einer dringenden Lösung bedurfte, erkannten zwei Studentinnen, als sie unter dem Glasübergang eines Universitätsgebäudes tote Vögel aufsammelten. Diese waren bei der Kollision mit der Glasscheibe gestorben. Daraufhin recherchierten die beiden Frauen zu Methoden, Glas für Vögel sichtbar zu machen und stießen dabei auf die Information, dass Vögel UV Licht wahrnehmen können. Daraus entwickelten sie die Idee, Fensterfolien mit einer speziellen Tinte zu bedrucken, die im UV-Bereich für Vögel zwar sichtbar ist, von Menschen jedoch nicht wahrgenommen wird. Das Projekt bekam den Namen BirdShades und setzte sich zum Ziel, der unsichtbaren Gefahr für Vögel ein Ende zu bereiten.
Manchmal sind es aber auch Probleme die aus einem eigenen Bedürfnis entstehen, die zu einer Geschäftsidee führen. So geschehen beispielsweise bei Kilobaser: Die Idee zur Unternehmensgründung entstand, als drei Freunde im Open bioLab Graz, Austria Experimente durchführten. Das offene Labor ist ein Gemeinschaftslabor in Graz, in dem jede/r, nach einer Sicherheitseinschulung frei molekularbiologisch experimentieren kann. Für ihre Experimente benötigten die jungen Männer DNA-Sequenzen. Diese sind jedoch nur über große Firmen zu bestellen und benötigen einige Tage Lieferzeit. „Wir wollten unsere DNA-Sequenzen selbst herstellen und eine Maschine dafür entwickeln“ erklärt Alexander Murer, Gründer von Kilobaser.
Auch bei den Gründer*innen von Saphium war der biologische Hintergrund schon vorhanden. De Mikrobiolog*innen mit landwirtschaftlicher Erfahrung beschäftigten sich mit der Verbesserung des Wachstums ihrer Pflanzen und dem Wissen um wachstumsfördernde Bakterien. Die Idee des jungen Teams war es, mit Rhizobien – auch bekannt als „Knöllchenbakterien“ – Pflanzen wie Kichererbsen zu besserem Wachstum verhelfen. Die Idee wurde bald in die Praxis umgesetzt, und erste Tests bestärkten die Gründer*innen in ihrem Vorhaben.
Um eine gute Idee tatsächlich bis zur Umsetzung zu bringen, benötigt es zuallererst viel Motivation, Zeit und Energie. Im nächsten Schritt gilt es dann, aus der Idee einen sogenannten Businessplan zu erstellen und Investor*innen davon zu überzeugen, in das Startup zu investieren. Um neuen Ideen auf den ersten Schritten zur Verwirklichung zu helfen, gibt es Einrichtungen und Programme, die im Startup-Jargon „Inkubatoren“ und „Acceleratoren“ genannt werden.
Inkubatoren sind Einrichtungen, in denen Teams an ihrer Idee und deren Umsetzung „brüten“ können. Inkubatoren stellen meist etablierte Netzwerke und Infrastrukturen zur Verfügung und erleichtern Gründer*innen den Einstieg in die Start-up-Welt. In der Steiermark gibt es zahlreiche Inkubatoren, darunter der Science Park Graz oder der Life Science Incubator des Zentrums für Wissens- und Technologietransfer (ZWT), die Projekte aus den Biowissenschaften unterstützen.
Acceleratoren hingegen sind zeitlich begrenzte Förderprogramme, bei denen Startups für einige Wochen bis Monate sehr intensiv an ihrer Geschäftsidee arbeiten und am Ende des Programms ihre Prototypen dann Investor*innen vorstellen. International ist der IndieBio Accelerator eines der bekanntesten Accelerator-Programme im Biotech-Bereich. Als Tochter der SOSVenture Investmentgesellschaft hat IndieBio Räumlichkeiten in San Fracisco und New York. In 4-monatigen Programmen sollen Startups “from bench to product”, also von der Laborbank zum fertigen Produkt gebracht werden.
Auch die drei genannten steirischen Bio Start-Ups waren Teil des IndieBio Accelerator-Programms. Für das Grazer Startup Kilobaser war die Teilnahme am IndieBio Accelerator-Programm 2014 der Startschuss ihres Unternehmens. Dort konnten sie den ersten Prototypen ihres DNA-Synthesizers entwickeln. Dieser ermöglicht es, DNA-Oligonukleotide, also kurze DNA-Sequenzen, wie sie beispielsweise für PCR -Primer benötigt werden, in weniger als 2 Stunden herzustellen. Das heute in Kapfenstein angesiedelte Startup Saphium nahm am IndieBio Programm 2015 teil und entwickelte ein Rhizobieninokulat, also ein Pulver aus Knöllchenbakterien, das beim Säen von Hülsenfrüchten beigemengt wird, synthetische Dünger ersetzt und so den Ertrag steigert. Auch die Gründerinnen von BirdShades konnten im Rahmen des IndieBio Accelerators 2019 ihre Idee weiterentwickeln und bald darauf die ersten Prototypen ihrer Folien herstellen, die den unnötigen Vogeltod an Glasfronten vermeiden soll.
Auf dem Weg zum Unternehmen, das auf eigenen Beinen stehen kann, sind für Startups sogenannte Pitches, bei denen die Idee und der Umsetzungsplan weiteren Investor*innen vorgestellt werden, wichtige Meilensteine. In der Steiermark gibt es zum Beispiel den Elevator Pitch der jungen Wirtschaft und zahlreiche Netzwerkprogramme, die neuen Startups zu größerer Bekanntheit verhelfen. Bei der diesjährigen Verleihung des Netzwerkes Frau in der Wirtschaft Steiermark konnte Dominique Waddoup, die Gründerin von BirdShades, den zweiten Platz als steirische Unternehmerin des Jahres 2021 gewinnen.
Start-Ups, die genügend Start-Investment erhalten haben und deren Prototypen durch mehrere Verbesserungsphasen laufen, müssen in weiterer Folge ihren Fokus schnell auf den Verkauf ihrer Produkte legen.
Das Grazer Start-Up Kilobaser hat es so weit geschafft und bereits 40 Stück seiner DNA-Synthesizer verkauft. Kunden sind Labore und Forschungsunternehmen vor allem in den USA, innerhalb von Österreich wurde bisher noch kein Gerät verkauft. Auch bei Investments ist Kilobaser international aufgestellt. „Die österreichische Unternehmensform GmbH ist für internationale Investor*innen nicht ausgelegt und sehr aufwändig“, meint Kilobaser-Gründer Alexander Murer dazu. Um für US-amerikanische Investments noch attraktiver zu werden, haben die Grazer nun eine amerikanische Mutterfirma mit einem Büro in San Francisco gegründet. Von dort aus werden fortan Logistik und Versand der Geräte gemanagt, das Kernteam und die Entwicklung bleiben aber in Graz.
Das Produkt des Start-Ups Saphium ist ebenfalls schon auf dem Markt und heißt „Legumino“. Das Rhizobieninokulat wird dem Saatgut beigemengt und ist vor allem für den Biolandbau von Interesse. Daneben hat das Team mit der Produktion von Bioplastik mit Hilfe von Mikroorganismen ein weiteres Projekt gestartet und bietet auch Auftragsforschung im Bereich Mikrobiologie und Pflanzenforschung an.
Auch für Unternehmen, die die „erste Hürde“ der marktreifen Produkte bereits hinter sich gebracht haben, sind Weiterentwicklung und Vernetzung wichtig, um nachhaltig längerfristig bestehen zu können. In der Steiermark bietet der Human Technology Styria (HTS) Cluster Schulungen und Netzwerktreffen für lokale Pharma-, Medizintechnik- und Biotech-Unternehmen an.