In uns, auf uns und um uns herum tummeln sich unzählige Mikroorganismen, die oft auch als Mikroben oder Kleinstlebewesen bezeichnet werden. Diese sind mit freiem Auge meist nicht sichtbar. Die Gesamtheit der Mikroorganismen, die mit dem Menschen assoziiert sind und diesen besiedeln – im Inneren des Körpers und außen auf seiner Oberfläche – bezeichnet man als humane Mikrobiota oder als humanes Mikrobiom. Mikroorganismen leben in Gemeinschaften und stehen in mehr oder weniger engen Beziehungen zu- und Wechselwirkungen miteinander. Der Begriff Metagenom beschreibt die Gesamtheit der Gene (=kollektives Genom) aller Mikroorganismen einer bestimmten Lebensgemeinschaft oder eines Lebensraums (wie zum Beispiel des Mikrobioms).
Zu den Mikroorganismen zählen Bakterien, Archaeen (Einzahl: Archaea, früher auch als Archaebakterien bezeichnet) und Protisten (eukaryotische Einzeller, die keine Pflanzen, Tiere oder Pilze sind, Beispiel: Pantoffeltierchen) sowie ein- bis wenigzellige Pilze und Algen. Viren stellen genaugenommen keine Lebensform dar, werden aber auch zu den Mikroorganismen gezählt. Mikroorganismen kommen überall vor, sie werden daher als ubiquitär bezeichnet. Ihre Lebensräume bezeichnet man als Habitate. Mikroorganismen findet man in der Luft, im Wasser, im Boden sowie in und auf anderen Organsimen.
Auch der Mensch ist dicht mit Mikroorganismen besiedelt, die mit freiem Auge nicht als solche sichtbar, aber doch Teil von uns sind. Mikroorganismen sind im menschlichen Körper vor allem auf der Haut und den Schleimhäuten, im Verdauungstrakt, im Urogenital-Trakt sowie im respiratorischen Trakt zu finden. Die meisten Kleinstlebewesen, die den Menschen besiedeln (das „humane Mikrobiom“), befinden sich im Darm. Der Mensch und sein Mikrobiom werden häufig als „Super-Organismus“ bezeichnet.
Lange Zeit wurde in der Wissenschaft die Ansicht vertreten, dass im menschlichen Körper zehnmal mehr Mikroben-Zellen als menschliche Zellen zu finden sind. Das Gewicht der Mikroben im Menschen wurde bis vor kurzem meist mit 1 bis 2 Kilogramm angegeben [1].
Neue Berechnungen haben jedoch ergeben, dass diese Werte nicht stimmen. So wurde für einen Referenzmann (20-30 Jahre; 70 kg; 1,70 m) folgendes Verhältnis errechnet: 30 Billionen menschliche Zellen (3 x 1013) zu 39 Billionen Mikroorganismen-Zellen (3,9 x 1013), was in etwa einem Verhältnis von 1:1 entspricht [2]. Die geschätzte Masse der Mikroorganismen in unserem Körper wurde auf 200 Gramm korrigiert.
Für viele ist der Begriff Mikroorganismen negativ behaftet, und sie assoziieren damit Lebensmittelverderb, Krankheiten oder Infektionen. Tatsache ist jedoch, dass die meisten Mikroorganismen, die den Menschen besiedeln, für diesen harmlos sind bzw. ihm nützen.
Mikroorganismen haben den Menschen schon immer fasziniert, und die Wissenschaft beschäftigt sich schon lange mit mikroskopisch kleinem Leben. Die Ursprünge der Mikrobiomforschung gehen ins 17. Jahrhundert zurück: Im Jahr 1677 entdeckte der Niederländer Antoni von Leeuvenhoek mit dem von ihm erfundenen Mikroskop erstmals Bakterien. Heute wissen wir, dass Mikroorganismen auf unserem Planeten eine wichtige Rolle spielen.
Im Lauf der letzten Jahre hat die Mikrobiom-Forschung einen regelrechten Boom erlebt, und Mikroorganismen sind aktuell weltweit ein „hot topic“. Forscherinnen und Forscher analysieren die uns umgebenden Mikroben und untersuchen deren Einfluss auf unsere Gesundheit und die Umwelt. Laufend erscheinen Publikationen in renommierten Fachzeitschriften, die neue wichtige Erkenntnisse zu unserem Mikrobiom liefern. Einer der Gründe für den Aufschwung der Mikrobiom-Forschung ist die rasante Weiterentwicklung der DNA-Sequenzierungsmethoden.
Zu Zeiten des Human Genome Projects (1990-2003) war es noch extrem zeitaufwändig, arbeitsintensiv und teuer, ein ganzes Genom zu sequenzieren. Damals kamen für die Erforschung von Mikroorganismen die folgenden klassischen mikrobiellen Analyseverfahren zum Einsatz, die aber die Nachteile wie großen Zeitaufwand und eingeschränkte Möglichkeiten hatten:
Nach der Entschlüsselung des gesamten Genoms des Menschen im Jahr 2003 wurden die Sequenzier-Methoden kontinuierlich weiterentwickelt, was zu einem Aufwind für die Mikrobiom-Forschung und einem Boom an Projekten und Studien führte. Das so genannte Next-Generation-Sequencing (NGS) ermöglicht es heute, Analysen ganzer Genome rasch und kostengünstig durchzuführen. Das erleichtert es, Gemeinschaften von Bakterien und anderen Mikroben zu studieren und bietet laufend neue Einblicke in die vielfältigen Aufgaben und Funktionen der uns umgebenden Kleinstlebewesen.
Konnte früher bei der so genannten Sanger-Methode nur eine Sequenz analysiert werden, so ermöglichen es im Gegensatz dazu die Sequenz-Analyseverfahren von heute, viele Sequenzen gleichzeitig aus Gemischen zu sequenzieren. Die DNA-Sequenzierung von heute ist dazu noch relativ kostengünstig und schnell.
Bei den modernen Sequenzier-Verfahren wird zwischen dem so genannten Next Generation Sequencing (NGS), dem Third Generation Sequencing und Fourth Generation Sequencing unterschieden [3, 4].
Bei der Sequenzanalyse von Proben erfolgt die phylogenetische Zuordnung von Mikrorganismen über einen Abgleich der erhaltenen Sequenzen mit Datenbanken. So entstehen bei den modernen Sequenziermethoden heute riesige Datenmengen, die ohne den hohen Rechenleistungen von Computern nicht mehr analysiert werden können.
Hand in Hand mit dem Fortschritt beim Sequenzieren konnte sich somit ein wichtiger Wissenschaftszweig herauskristallisieren und entwickeln: die Bioinformatik. Diese ist heute aus der Biologie und Medizin nicht mehr wegzudenken. Die rasante Entwicklung verlief hier allerdings schneller, als sich das Bildungssystem und die akademische Lehre anpassen konnten: Weltweit herrscht ein akuter Mangel an gut ausgebildeten Bioinformatikerinnen und Bioinformatikern [5]. Die Bioinformatik ist somit heute für talentierte und interessierte junge Leute eine interessante Karriereoption.