Eine Studie mit Wiener Beteiligung konnte Parallelen bei lebensstilbedingten Erkrankungen von Menschen und Tieren zeigen: Bären, die unter schlechten Bedingungen gehalten werden, haben dieselbe beschleunigte Alterung wie Menschen mit ungesundem Lebensstil.
Dass uns Bären allerhand über Krankheiten lehren können, die auch beim Menschen durch einen schädlichen Lebensstil begünstigt werden, zeigt eine internationale Studie unter Leitung der Veterinärmedizinischen Universität (Vetmeduni) Wien. Forscher:innen untersuchten darin 42 asiatischen Schwarzbären, die aus vietnamesischen Gallefarmen gerettet worden waren. Die auch als Kragenbären bekannten Tiere waren zuvor in den Farmen Belastungen in Form von schlechten Haltungsbedingungen sowie regelmäßigen, teils nicht sterilen Galle-Entnahmen ausgesetzt. Auch konnten sie ihren natürlichen Winterschlaf nicht halten.
Die Wissenschaftler:innen verglichen die Bären aus Gefangenschaft mit freilebenden Artgenossen und konnten bei allen untersuchten Bären aus der Farm chronische Entzündungen nachweisen.
Als akute, vorübergehende Immunreaktionen sind Entzündungen nützlich und wichtig, als chronische Belastung können sie aber negative Auswirkungen haben. So fördert laut Studien-Erstautorin Szilvia K. Kalogeropoulu vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni das Zusammenspiel von chronischem Stress und schlechten Zuchtbedingungen in Verbindung mit chronischen Entzündungen das Risiko auf degenerative Krankheiten. Dazu zählen fettleibige Sarkopenie (verminderte Muskelmaße und -kraft), chronische Nierenerkrankungen und eine beeinträchtigte Herz-Kreislauf-Funktion. Diese Krankheiten sind ein Anzeichen für beschleunigte Alterung und treten auch bei Menschen auf, die einen ungesunden Lebensstill führen.
Bei den Leiden der Gallefarm-Bären gab es auch noch andere deutliche Parallelen zu einer Reihe von Erkrankungen beim Menschen, die durch den Lebensstil hervorgerufen werden: Die Tiere wiesen Muskelschwund, Osteoporose (Knochenschwund), Arthrose (Gelenkverschleiß), Gefäßerkrankungen sowie chronische Nierenerkrankungen auf – offensichtlich die Folgen schlechter Haltung und Winterschlafmangels. Beim Menschen werden diese Krankheiten durch übermäßig fette und süße Ernährung sowie Bewegungsmangel begünstigt.
Studien an Wildtieren sind besonders interessant, um Mechanismen zu entdecken, die altersbedingte Zivilisationskrankheiten begünstigen oder davor schützen. Der von der Natur inspirierte Ansatz kann neue Möglichkeiten für die Entwicklung von medizinischen Behandlungen und Arzneien für Mensch und Tier bieten und hat zahlreiche Vorteile: Durch den Vergleich von Tieren und Menschen wird Wissen generiert, das sich nicht auf Tierversuche, sondern auf vergleichende Medizin stützt.
Dieses Prinzip wurde auch in der vorliegenden Studie angewandt: Überwinternde freilaufende Bären wurden als gesunde Kontrollgruppe mit Gallenfarm-Bären verglichen, um die Ursache von Lebensstilkrankheiten beim Menschen, die sich mit zunehmendem Alter häufen, zu untersuchen.
Die Ergebnisse der Untersuchungen reichen weit über die untersuchten Tiere hinaus. „Die pathologischen Parallelen zu entzündlichen und durch Immunseneszenz – also die Verschlechterung des Immunsystems – bedingten Zuständen beim Menschen lassen darauf schließen, dass die Erkenntnisse durch in Gallefarmen gehaltene Bären als Modellbeispiel zur Untersuchung der Pathophysiologie und der schädlichen Auswirkungen lebensstilbedingter Krankheiten dienen könnten“, so Johanna Painer-Gigler vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI) der Vetmeduni. Offensichtlich schützt der Winterschlaf freilebende Bären – die Kontrollgruppe dieser Studie – vor potenzieller Belastung durch Lebensstillkrankheiten und macht die Tiere widerstandsfähiger gegenüber Organschäden und Stoffwechselstörungen.
as, 16.08.2023
Presseinformation der Vetmeduni Wien vom 06.07.2023
Originalpublikation:
Kalogeropoulu SK, Rauch-Schmücking H., Lloyd EJ et al.: Formerly bile-farmed bears as a model of accelerated ageing. Sci Rep 13, 9691 (2023). https://doi.org/10.1038/s41598-023-36447-z