Darmbakterien wichtig für Gehirnentwicklung von Frühgeborenen

Füße eines Neugeborenen und Hände von Erwachsenen

Darmbakterien beeinflussen die Gehirnentwicklung bei Frühgeborenen, Bild: Pixabay, CCO

Wiener ForscherInnen entdecken Zusammenhang zwischen Darmbakterien und Hirnschäden bei Frühchen.  

Kinder, die zu früh zur Welt kommen, haben heute Dank der modernen Medizin gute Überlebenschancen: Ab der 24. abgeschlossenen Schwangerschaftswoche (SSW) und einem Geburtsgewicht von etwa 500 Gramm können sie am Leben erhalten und erfolgreich behandelt werden. Zu früh Geborene, die vor der abgeschlossenen 37. SSW zur Welt kommen, werden auch als Frühchen bezeichnet. Vor der vollendeten 28. SSW geborene Kinder nennt man extreme Frühchen. Diese Kinder überleben häufig trotz früher Geburt, doch bei ihnen besteht ein hohes Risiko für Hirnschäden. In schlimmen Fällen können diese zu schweren Behinderungen führen. Bei Frühgeborenen können im Kindes- und Erwachsenenalter aber auch neurologische Spätfolgen wie etwa kürzeren Aufmerksamkeitsspannen auftreten.

Zusammenspiel von Darm, Immunsystem und Gehirn

Eine Verbindung von Darm, Gehirn und Immunsystem ist schon seit längerem als so genannte „Darm-Immunsystem-Hirn-Achse“ bekannt: Im menschlichen Darm befindet sich eine Vielzahl an verschiedenen Mikroorganismen – das so genannte Darmmikrobiom. Dies ist eine lebenswichtige Ansammlung von hunderten Arten von Bakterien und Pilzen, und auch Viren kommen im Darm vor. Das Immunsystem des Menschen steht mit dem Darmmikrobiom in Verbindung und entwickelt passende Reaktionen auf die mikrobielle Zusammensetzung. Über den Vagusnerv steht der Darm außerdem mit dem Gehirn in Verbindung, und auch das Immunsystem übermittelt Informationen aus dem Darm ans Hirn.  

Korrelation von Hirnschäden und Darmmikrobiom von Frühchen

ForscherInnen der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien haben nun untersucht, welche Rolle die Darm-Immunsystem-Hirn-Achse bei der Gehirnentwicklung extremer Frühchen spielt. Bei gesunden Menschen befindet sich das Darmmikrobiom im Gleichgewicht. „Bei Frühgeborenen, deren Immunsystem und Mikrobiom sich nicht vollständig ausbilden konnten, sind hier aber Verschiebungen wahrscheinlich, die dann auch negative Auswirkungen auf das Gehirn haben können“, so die Vermutung von David Seki, dem Erstautor der Studie.

Den WissenschaftlerInnen gelang es, bestimmte Muster im Mikrobiom und in der Immunantwort von Frühgeborenen mit dem Fortschreiten und der Schwere ihrer Hirnschäden zu korrelieren. Entscheidend war die Entdeckung, dass diese Muster schon vor den Veränderungen im Gehirn auftraten. „Damit öffnet sich ein kritisches Zeitfenster, in dem man Hirnschäden extremer Frühchen vermeiden oder aber eine Verschlimmerung verhindern kann“, ist Forschungsgruppenleiter David  Berry überzeugt. Die Daten der ForscherInnen zeigten außerdem, dass übermäßiges Wachstum des Bakteriums Klebsiella im Darm der Frühchen zu einer erhöhten Anzahl spezieller Immunzellen – der so genannten gd-T-Zellen – führte und dies die Hirnschädigungen offensichtlich verschlimmerte. Diese Entdeckungen könnten Ansatz für eine Therapie sein.

Weitere Studien geplant

Als Follow Up-Studie wollen die ForscherInnen das Mikrobiom in Hinblick auf die neurologische Entwicklung Frühgeborener noch detaillierter untersuchen. Die WissenschaftlerInnen wollen aber auch die Kinder der Ausgangsstudie weiter begleiten, um noch besser zu verstehen, wie sich die sehr frühe Entwicklung der Darm-Immunsystem-Hirn-Achse langfristig auswirkt.

Originalpublikation:

Seki D., Mayer M., Hausmann B., Pjevac P., Giordano V., Goeral K., Unterasinger L., Klebermaß-Schrehof K., De Paepe K., Van de Wiele T., Spittler A., Kasprian G., Warth B., Berger A., Berry D., Wisgrill L.: Aberrant gut-microbiota-immune-brain axis development in premature neonates with brain damage (2021). Cell Host & Microbe, 2021, ISSN 1931-3128, https://doi.org/10.1016/j.chom.2021.08.004.

Quelle:

News-Meldung der Medizinischen Universität Wien vom 7.9.2021

as, 17.09.2021