Ähnliche Immunreaktion von Dromedaren und Menschen auf SARS-CoV-2 und MERS-CoV

Dromedare in der Wüste

Bei Dromedaren verlaufen Infektionen mit MERS-CoV meist mild , Bild: Pixabay, CCO

Seit dem Jahr 2019 hält das Coronavirus SARS-CoV-2 die Welt in Atem, und an der dadurch übertragenen Krankheit COVID-19 sind mittlerweile rund vier Millionen Menschen verstorben (Stand Juni 2021). Man geht heute davon aus, dass SARS-CoV-2 von Fledermäusen auf den Menschen übertragen wurde. Es handelt sich bei COVID-19 um eine Zoonose – eine von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheit.

Coronaviren: Schon länger bekannt

SARS-CoV-2 ist nicht der erste Vertreter dieser Virusfamilie, der den Menschen infiziert. Bei den Coronaviren (CoV) unterscheidet man Alpha-, Beta-, Gamma- und Deltacoronaviren. Beim Menschen führten bisher mindestens vier Coronaviren immer wieder zu gehäuften Krankheitsfällen: Die humanen Coronaviren der Spezies HKU1 und OC43, die den Betacoronaviren angehören, sowie 229E und NL63 aus der Familie der Alphacoronaviren. Diese rufen jedoch alle eher milde, gelegentlich auch schwere Erkältungssymptome hervor und waren bisher für etwa fünf bis zehn Prozent der saisonalen, nicht durch Influenza verursachten Atemwegserkrankungen verantwortlich.

Betacoronaviren lösten aber auch schon größere Probleme aus: Im Jahr 2002/2003 kam es zum Ausbruch des Schweren Akuten Respiratorischen Syndroms (Severe Acute Respiratory Syndrome, SARS), das durch SARS-CoV (SARS-CoV-1) verursacht wurde. Dieses verbreitete sich von Südchina ausgehend innerhalb kürzester Zeit über nahezu alle Kontinente. Die SARS-CoV-Pandemie forderte damals weltweit 774 Menschenleben – verglichen wenig mit dem aktuellen grassierenden SARS-CoV-2.

Im Jahr 2012 trat dann das Middle East respiratory syndrome-related coronavirus (MERS-CoV), ebenfalls ein Betacoronavirus, erstmals auf. Dieses war zunächst vor allem in Ländern der arabischen Halbinsel zu finden, weshalb die dadurch ausgelöste Atemwegserkrankung als Middle Eastern Respiratory Syndrome („Atemwegssyndrom aus dem Mittleren Osten“) bekannt ist. MERS-CoV kann schwere, nicht selten tödliche Erkrankungen auslösen. Die primären Wirtsorganismen von MERS-CoV sind wahrscheinlich Fledertiere, von denen es – über Dromedare als Zwischenwirt – auch sporadisch auf Menschen übertragen wird. Wie bei SARS-CoV-2 handelt es sich auch bei MERS-CoV um ein zoonotisches Betacoronavirus. Weltweit gab es über 900 MERS-Todesfälle. 2012/2013 kam es jedoch zu keiner Pandemie, da das MERS-Coronavirus weniger ansteckend ist als SARS-CoV-2.

Unterschiedlicher Verlauf von MERS-CoV bei Dromedaren und Menschen

Infektionen mit MERS-CoV verlaufen bei Dromedaren meist mild. Beim Menschen jedoch kommt es oft zu einem schweren Krankheitsverlauf mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 35 %. Da sich MERS-CoV bei Dromedaren mittlerweile in mehr als 25 Ländern auf allen Kontinenten außer Australien ausgebreitet hat, stellt dieses Virus auch eine große Gefahr für den Menschen dar.

Ein internationales Wissenschaftsteam unter Leitung der Vetmeduni Vienna untersuchte nun die Ursachen für die unterschiedlichen Krankheitsverläufe von MERS. Dazu analysierten die ForscherInnen um Pamela A. Burger die Immunantwortgene (immune-response genes; IR-Gene) von Dromedaren in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) bei einer MERS-CoV-Infektion. Die WissenschaftlerInnen sequenzierten 100 IR-Gene von 121 Dromedaren und testeten die Tiere auf MERS-CoV-Antikörper, die eine (frühere) Infektion anzeigen. Auch das Vorhandensein des aktiven Virus wurde überprüft. Die Prävalenz – also die Anzahl der erkrankten Tiere in der untersuchten Gruppe – war enorm hoch: „Die meisten der 121 Dromedare trugen MERS-CoV-Antikörper in sich, wobei bereits Jungtiere ab einem Alter von zwei Monaten dem Virus ausgesetzt waren,“ so Studien-Erstautorin Sara Lado vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vetmeduni Vienna.

Dromedare und Menschen: Ähnliche Reaktion auf MERS-CoV und SARS-CoV-1/-2

Den ForscherInnen gelang es, mögliche IR-Gene zu identifizieren, die mit einer MERS-CoV-Infektion bei Dromedaren in Verbindung stehen könnten. Diese haben wichtige Funktionen in der erworbenen und in der angeborenen Immunantwort und im Flimmerepithel der Atemwege. Einige dieser Gene sind bereits aus früheren Studien bekannt: Manche wurden mit der Virusreplikation bei SARS-CoV-1/-2 beim Menschen in Verbindung gebracht, und andere spielen eine wichtige mechanische Rolle für das Flimmerepithel der Bronchien. Einige mit MERS-CoV assoziierten Genvarianten wurden somit zuvor mit SARS-CoV-1/-2 – und anderen Infektionskrankheiten der Atemwege – in Verbindung gebracht. Die Daten deuten auf ähnliche genetische Wirtswege hin, die mit diesen Betacoronaviren assoziiert sind.

Ergebnisse relevant für Pandemie-Gefahr durch MERS

Der nächste Schritt ist nun laut den ForscherInnen die weitere genomische und funktionelle Analyse, um diese Ergebnisse zu bestätigen. Dazu Studien-Letztautorin Burger: „Mit unserer Arbeit öffnen wir die Tür für zukünftige neue Forschungen, einschließlich groß angelegter Screenings auf Gene, die den Abwehrmechanismen gegen die Zoonose MERs-CoV zugrunde liegen“.

Dies ist aus dem Grund wichtig, da eine Pandemie-Gefahr durch mutierte MERS-Viren aus der Wüste bestehen könnte. So warnten bereits im Jahr 2018 Forschende vom Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen insbesondere vor Mutationen im Spike-Protein von MERS, welches auch bei SARS-CoV-2 ein typisches Merkmal ist.

as, 23.06.2021


Quellenangaben

Originalpublikation:

Lado S., Elbers JP, Plasil M. et al.: Innate and Adaptive Immune Genes Associated with MERS-CoV Infection in Dromedaries (2021). Cells. 2021; 10(6):1291. https://doi.org/10.3390/cells10061291

Presseaussendungen:

PA der Veterinärmedizinischen Universität Wien vom 14.06.2021