Die Entwicklung von Impfstoffen zum Schutz gegen Covid-19 läuft auf Hochtouren. Mitte Jänner 2021 meldete die WHO 63 Impfstoffkandidaten in der klinischen Phase und weitere 172 in präklinischen Phasen (1). Verschiedene Firmen und Forschungsgruppen bedienen sich dabei unterschiedlicher Mechanismen, um den Körper gegen eine Infektion mit SARS-CoV-2 zu schützen. Darunter sind einige bekannte Technologien, wie die Impfung mit inaktivierten Erregern, aber auch eine neue RNA-Technologie. Sieben der in der klinischen Phase befindlichen Impfstoffe beruhen auf der mRNA-Technologie, darunter auch die ersten beiden in der EU zugelassenen Impfstoffe der Firmen BioNTech/Pfizer bzw. Moderna. An dieser Technologie wird seit über 20 Jahren geforscht, zum Einsatz für Impfungen kam sie bisher aber noch nie.
Schutzimpfstoffe funktionieren nach der Strategie, den Körper gezielt mit einem Krankheitserreger bekannt zu machen, um ihn so für den Angriff des Erregers zu „trainieren“. Bei klassischen Lebend- oder Totimpfstoffen werden dem Körper abgeschwächte oder inaktivierte Erreger oder nur Teile davon gespritzt. Das Immunsystem erkennt diese an so genannten Antigenen und bildet dagegen Antikörper, die zur Bekämpfung notwendig sind. Diese Antikörper speichert der Körper für eine gewisse Zeit und kann sich dank ihnen beim Angriff mit einem echten Krankheitserreger wehren.
Eine neue Klasse von Impftechnologien sind genbasierte Impfstoffe. Sie beruhen nicht auf dem Prinzip, den Krankheitserreger oder Teile davon zu injizieren, sondern bringen nur einen Teil der genetischen Information des Erregers in die menschlichen Zellen. Es wird also der „Bauplan“ für Teile des Erregers als mRNA in die Zelle gebracht. Messenger RNA (mRNA), auch Boten-RNA genannt, ist eine einzelsträngige Ribonukleinsäure. Sie trägt den Code für gewisse Gene, die in der Zelle in Proteine übersetzt werden (Proteinbiosynthese). Im menschlichen Körper werden anhand des Bauplans Proteine erzeugt, die das Immunsystem als fremde Antigene erkennt. Wie bei herkömmlichen Impftechnologien stimulieren diese Antigene eine Impfreaktion, sind ansonsten aber harmlos.
Die aktuell für die Corona-Schutzimpfung entwickelte mRNA trägt den Code für das Spike-Protein, das SARS-CoV-2 benötigt, um an Körperzellen zu binden. Dieses Protein ist besonders geeignet, da es vom Körper leicht erkannt wird und Mutationen in diesem für das Virus so wichtigen Bereich unwahrscheinlich sind. Um die Aufnahme der mRNA in die Körperzellen zu erleichtern, wird sie in Lipidnanopartikel, also kleine Fettbläschen, verpackt (2). Der mRNA Impfstoff wird in den Oberarmmuskel injiziert und trifft dort auf bestimmte Zellen des Immunsystems (Dendritische Zellen). Die Nanopartikel gelangen ins Innere dieser Zellen, indem sie mit der Zellmembran verschmelzen. In der Zelle werden die mRNA-Moleküle freigesetzt und genauso wie körpereigene mRNA-Moleküle behandelt: mit Hilfe von zellulären Proteinkomplexen (Ribosomen) wird der mRNA-Code abgelesen und das Virusprotein produziert. Das Protein wird daraufhin von zelleigenen Mechanismen als fremd erkannt, zerstückelt und als Antigen an der Zelloberfläche präsentiert (3). Andere Immunzellen bemerken das Antigen und starten die Abwehrreaktion und die Produktion von Antikörpern. Diese virusspezifischen Antikörper speichert der Körper und bildet so ein „immunologisches Gedächtnis“ gegen den Erreger. Um sicherzustellen, dass genügend Antikörper gebildet werden, wird der mRNA Impfstoff zweimal, im Abstand von drei Wochen verabreicht.
Erfolgt dann tatsächlich eine Infektion mit SARS-CoV-2, kann der Körper auf die Gedächtniszellen zurückgreifen und mit den gebildeten Antikörpern das Virus sofort bekämpfen.
Genbasierte Impfstoffe haben den Vorteil, dass sie relativ einfach und günstig in großen Mengen produziert werden können. Während für herkömmliche Lebend- oder Totimpfstoffe die Erreger im Labor unter aufwändigen Bedingungen gezüchtet und inaktiviert werden müssen, kommt die Produktion von mRNA-Impfstoffen ganz ohne den Kontakt mit dem Virus aus. Die mRNA-Sequenzen, die für die Virusproteine codieren, lassen sich gentechnisch leicht herstellen und können auch im Falle von Virusmutationen schnell angepasst werden.
Im Körper werden die mRNA-Moleküle und die daraus produzierten Virusproteine relativ schnell wieder abgebaut, was das Risiko langfristiger negativer Auswirkungen minimiert. Befürchtungen, dass die mRNA in das menschliche Genom eingebaut werden könnte, können ausgeschlossen werden: Die mRNA kommt mit der im Zellkern befindlichen genomischen DNA gar nicht in Berührung, und außerdem gibt es in menschlichen Zellen keine Mechanismen, die RNA in DNA umschreiben oder einfügen. (4)
Impfungen zielen darauf ab, das Immunsystem des Körpers zu trainieren, damit es für einen Angriff mit dem Erreger vorbereitet ist. Der Körper reagiert auf das Impfantigen mit den gleichen Mitteln wie auf eine Virusinfektion: Immunzellen und Abwehrmechanismen werden aktiviert, was zu Schmerzen an der Einstichstelle oder auch Fieber führen kann. Diese vorübergehenden Krankheitssymptome sind ein Zeichen dafür, dass das Immunsystem „anspringt“.
In den Studien der beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffe zeigten 70-80 % der TeilnehmerInnen milde bis mittlere Symptome wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und leichtes Fieber. In der Testgruppe von über 20.000 Personen kamen jedoch keine mit der Impfung verbundenen schweren Nebenwirkungen auf. Das Risiko für leichte Nebenwirkungen und das Risiko für seltene schwere Nebenwirkungen, die erst bei größeren Testgruppen sichtbar würden, stehen im Gegensatz zur 95%igen Wirkung der Schutzimpfung gegen einen schweren Verlauf von Covid-19 (5). Hinzu kommt, dass Covid-19 eine bedrohliche Krankheit ist, gegen die es derzeit kein geeignetes Medikament gibt und deren weltweite Auswirkungen enorm sind.
Das plötzliche Auftreten von SARS-CoV-2 und der Ausbruch der damit verbundenen Pandemie haben den Fokus von ForscherInnen und Pharmaunternehmen weltweit auf die Entwicklung eines geeigneten Impfstoffes gelenkt. Forschungsunternehmen wie BioNTech und Moderna, die schon seit vielen Jahren an der mRNA-Technologie forschen, nutzten ihre Erfahrung und begannen sofort mit der Impfstoffentwicklung gegen das neue Coronavirus. Bereits im Mai 2020 gab es weltweit über 150 Impfstoffprojekte, die mit den verschiedensten Technologien arbeiteteten (1).
Wie alle Medikamente müssen Impfstoffe zuerst präklinisch im Labor und an Tieren getestet werden. Mit der Zustimmung einer Ethikkommission müssen sie dann in drei Phasen an freiwilligen Personen klinisch getestet werden, bevor sie von Gesundheitsbehörden zugelassen werden können. Angesichts der dringlichen Lage im Kampf gegen Covid-19 wurde die Impfstoffentwicklung zeitlich beschleunigt, ohne jedoch Abstriche bei den Sicherheitsanforderungen zu machen. Die Zulassungsbehörden setzten ihren Fokus auf die kontinuierliche Begutachtung der aktuellen Daten von Covid-19-Impfstoffen. Besonders vielversprechende Impfstoffkandidaten wurden parallel zur laufenden Entwicklung geprüft und konnten unter Bedingungen der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA zugelassen werden (6).
In Österreich fanden die ersten Corona-Schutzimpfungen mit mRNA-Impfstoffen am 27.12.2020 statt. In den ersten Jännerwochen 2021 wurde in Altersheimen und Covid-Stationen mit dem Impfen von Risikogruppen gestartet. Die Hochrechnungen und Informationen über bereits geimpfte Personen und angeforderte Impfdosen kann im Dashboard des Gesundheitsministeriums verfolgt werden (7).
Dieser Artikel entstand in einer Zusammenarbeit mit dem Doktoratskolleg RNA-Biologie.
cp, 21.01.2021