Die Notwendigkeit zuverlässiger und günstig durchführbarer Tests auf das neue Coronavirus SARS-CoV-2 hat im Jahr 2020 zur Entwicklung und Optimierung verschiedener Methoden geführt. Einen Überblick über die verschiedenen Testmethoden gibt es in diesem Artikel.
Am Campus Vienna Biocenter wurden mit SARSeq und RT-LAMP gleich zwei neue Testmethoden für SARS-CoV-2 entwickelt, die je nach Bedarf in unterschiedlichen Settings angewendet werden können.
Die Teams von Ulrich Elling und Ramesh Yelagandula vom Institut für molekulare Biotechnologie (IMBA) und Luisa Cochella und Alexander Stark vom Institut für molekulare Pathologie (IMP) haben sich darauf fokussiert, die bewährte Methode der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) für große Probenzahlen zu optimieren. So ist die SARSeq-Methode entstanden, mit der bis zu 36.000 Proben in maximal 24 Stunden getestet werden können.
Bei der SARSeq-Methode wird die DNA in der Probe nach dem Prinzip der PCR vervielfältigt. Dabei werden sogenannte DNA -„Strichcodes“ – also Sequenzen, die spezifisch für jede einzelne Probe sind – an die vervielfältigte DNA angehängt. Dadurch können im nächsten Schritt tausende Proben zusammengemischt und mithilfe des Next Generation Sequencing (NGS) sequenziert – also die Sequenz der vervielfältigten DNA ausgelesen – werden. Wenn in einer Probe Viren vorhanden sind, kann diese mit Hilfe der Strichcode-Markierung identifiziert werden.
Die große Anzahl an Proben, die mit dieser Methode gleichzeitig verarbeitet wird, kann händisch nicht bewältigt werden. Deshalb setzen die WissenschaftlerInnen auf moderne Robotertechnologie, die den hohen Durchsatz ermöglicht. Pro Durchlauf können 384 Platten verarbeitet werden, von denen auf jeder bis zu 96 Proben aufgetragen werden. Durch die Automatisierung können so theoretisch bis zu 36.000 Proben auf einmal getestet werden. „In Österreich werden pro Tag durchschnittlich 20.000 Tests durchgeführt, das könnten wir mit unserem Testverfahren leicht verdoppeln“ meint Elling.
SARSeq ist so designt, dass mehrere Viren gleichzeitig erkannt werden können. Zusätzlich zum Test auf SARS-CoV-2 werden die Proben auch auf Influenzaviren und Rhinoviren getestet. So kann gleichzeitig eine Grippe (Influenza) oder eine Erkältung mit ähnlichen Symptomen wie COVID-19 erkannt werden. Dank der hohen Sensitivität der PCR können bereits sehr geringe Virenmengen nachgewiesen und zugeordnet werden.
Die Entnahme der Proben funktioniert dabei mit Nasenabstrichen genauso wie mit Speichel- und Gurgeltests, welche in der Probennahme angenehm und einfach sind. So kann der Test breit eingesetzt und an verschiedene Bedürfnisse angepasst werden.
Bei der hohen Zahl an Proben sind die Logistik und Zuordnung der getesteten Personen eine große Herausforderung. Die Entnahme der Proben, die Verarbeitung und die Ergebnisrückmeldung müssen präzise ablaufen, um eine Verwechslung von Proben unter allen Umständen zu vermeiden. Die sehr sensitive PCR-Methode und das komplexe, aber robuste Verfahren der Probenmarkierung erlauben dabei, die Proben einwandfrei zuzuordnen. Eine Überprüfung der AGES zeigte bereits eine hohe Verlässlichkeit der SARSeq-Methode.
Dem FoscherInnen-Team war es wichtig, trotz der hohen Komplexität des Vorgangs den Test für Labore einfach durchführbar zu machen. Für SARSeq werden nur Geräte eingesetzt, die bereits am Campus Vienna Biocenter vorhanden sind, und die benötigten Enzyme können vor Ort produziert werden.
Die ForscherInnen sehen in SARSeq eine geeignete Lösung für regelmäßige Testungen im Gesundheitsbereich, Unternehmen oder Schulen. Denkbar wäre eine Probennahme des gesamten Personals in der Früh, und innerhalb von 24 Stunden könnten dann mit Hilfe eines geschützten Computerprogramms die Ergebnisse individuell abgerufen werden. Durch ein regelmäßiges Monitoring könnte so das Infektionsgeschehen verfolgt und bei Bedarf Maßnahmen gesetzt werden. So können Proben dezentral, vor Ort entnommen, gesammelt und in großen Laboren gleichzeitig getestet werden. Die Kosten belaufen sich dabei auf zwei bis fünf Euro pro Test.
Eine andere Forschungsgruppe des Campus Vienna Biocenter, geleitet von Andrea Pauli (IMP) und Julius Brennecke (IMBA), setzte den Fokus darauf, eine Alternative zum aufwändigen PCR-Test zu entwickeln. Ihr Ansatz basiert auf dem so genannten "Loop-mediated isothermal amplification"-Verfahren (LAMP), einer seit rund 20 Jahren bekannten und etablierten Reaktion, um Erreger nachzuweisen. Die LAMP-Methode ist sehr schnell und einfach, aber im Vergleich zur PCR weniger sensitiv. Die ForscherInnen des Campus Vienna Biocenter entwickelten ein Protokoll, das die Vorteile der Methode nutzt und sie gleichzeitig in Bezug auf Sensitivität und Robustheit optimiert.
Ein Virus-Test mittels RT-LAMP startet – wie auch bei der PCR –damit, die Viren-RNA in einem als Reverse Transkription (RT) bekannten Prozess in DNA umzuschreiben. Die Vervielfältigung des Erbguts erfolgt jedoch nicht durch ein mehrstündiges Temperaturprogramm, sondern bei einer konstanten Temperatur von 63°C. Somit werden nicht, wie bei der PCR, teure Thermocycler-Geräte benötigt, ein einfaches Wasserbad reicht. Durch die Verwendung ganz spezieller Primer im Probenmix bildet vermehrte Virus-DNA so genannte molekulare „Loops“ – also DNA-Schlaufen. Diese erlauben eine exponentielle Vermehrung der Virus-DNA, und innerhalb von 40 Minuten liegt ein Ergebnis des Tests vor.
Um das Ergebnis sichtbar zu machen, entwickelten die ForscherInnen eine Reaktionslösung, die einen lila Farbstoff enthält. Durch die extrem schnelle Vermehrung der DNA kommt es in den Proben, die Viren enthalten, zu einer Veränderung des chemischen Gleichgewichts. Diese bewirkt, dass der zugegebene lila Farbstoff sich in blau verwandelt. In Proben von Corona-negativen Personen bleibt die lila Farbe erhalten. Die Farbe der Proben und der Farbumschlag ist mit dem freien Auge sichtbar. Für die Auswertung sind also keine teuren Messgeräte notwendig.
Der geringe Aufwand und das schnelle Ergebnis machen RT-LAMP besonders attraktiv für Situationen, in denen Menschen vor Ort oder zu Hause getestet werden. Die Probennahme erfolgt mit einem einfachen Gurgeltest, und ein Ergebnis liegt binnen 30 bis 45 Minuten vor. Der Test bietet sich deshalb besonders für Arztpraxen und Apotheken an.
Den ForscherInnen war es zudem wichtig, RT-LAMP auch für kleine Labore möglichst einfach verfügbar zu machen. Das Protokoll ist frei zugänglich, und die Ausgangsmaterialien wie Reaktionslösungen und Enzyme sind lizenzfrei und können selbst hergestellt werden. So können Lieferengpässe vermieden und die Kosten der Materialien auf unter einen Euro pro Probe gehalten werden.
In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass für die Kontrolle der Ausbreitung von COVID-19 gezielte Testungen unerlässlich sind. Die beiden am Campus Vienna Biocenter entwickelten SARS-CoV-2 Tests zielen mit unterschiedlichen Strategien darauf ab, sich so gut wie möglich an die vorherrschenden Bedürfnisse und Bedingungen anzupassen:
SARSeq ist besonders dafür geeignet, um innerhalb von 24 Stunden zehntausende Proben gleichzeitig zu testen. In Krankenhäusern oder Schulen könnte dieser Test für regelmäßiges Monitoring des gesamten Personals eingesetzt werden. SARSeq testet dabei nicht nur auf das neue Coronavirus, sondern auch auf andere Erkältungsviren. Für die Verarbeitung und Auswertung sind jedoch gut ausgestattete Labore notwendig.
Für Situationen, in denen ein Ergebnis schnell benötigt wird, eignet sich jedoch RT-LAMP besser. Hier steht bereits nach 30-45 Minuten fest, ob jemand mit SARS-CoV-2 infiziert ist oder nicht. Dieser Test ist zudem relativ einfach durchzuführen und kommt ohne teure Geräte aus. Deshalb ist er besonders für direkte Testungen in Arztpraxen geeignet und kommt mit sehr geringen Materialkosten aus. Auch erste Krankenhäuser wurden bereits für dieses Verfahren geschult.
cp, 30.11.2020