Eine Forschungsgruppe der TU Graz hat neuartige Elektroden entwickelt, die nach dem Prinzip von Klebe-Tattoos auf die Haut aufgebracht werden und Muskel-, Herz- sowie Hirnsignale messen können.
Die Elektrophysiologie beruht auf dem Prinzip, dass bestimmte Vorgänge im Körper mit elektrischen Zustandsänderungen einhergehen. In der Medizintechnik macht man sich dies zunutze: Die Aktivitäten von Muskelfasern – wie etwa vom Herz mittels Elektrokardiogramm (EKG) – aber auch die elektrochemischen Signalübertragungen des Gehirns mittels Elektroenzephalogramm (EEG) können durch Messung dieser Zustandsänderungen aufgezeichnet werden. Einsatz finden diese Messungen bei diagnostischen Untersuchungen und auch in der Forschung. Dabei werden Elektroden, die die Signale weiterleiten, auf der Haut angebracht und mittels Kabeln mit Messgeräten verbunden. Herkömmliche Elektroden sehen aus wie kleine Plastikknöpfe und werden mit einem wasserlöslichen Gel auf der Haut aufgesetzt.
In Kooperation mit italienischen ForscherInnen entwickelte das Team des Laboratory of Applied Materials for Printed and Soft electronics (LAMPSe) der TU Graz schon 2015 sogenannte Tattoo-Elektroden. Mit einem Tintenstrahldrucker werden dabei leitfähige Polymere auf Tattoo-Papier gedruckt und dann wie Klebe-Tattoos auf der Haut angebracht. Diese Elektroden ermöglichen neue Anwendungen in der Messung von Herzsignalen (EKG) oder Muskelaktivitäten (EMG). Die Tattoos sind nur 700-800 Nanometer dick, wobei 1 Nanometer einem Milliardstel Millimeter entspricht. Somit sind sie etwa hundertmal dünner als ein menschliches Haar und passen sich somit der Haut optimal an. Sie können außerdem an Körperstellen angebracht werden, für die herkömmliche Elektroden bisher nicht geeignet waren und sind auf der Haut kaum spürbar.
Francesco Greco, Leiter des Projektes, erklärt das System in diesem Video.
Die Forschungsgruppe hat die Technologie nun so weiterentwickelt, dass sie auch zur Messung von Hirnaktivitäten mittels Elektroenzephalografie (EEG) eingesetzt werden kann. Hierzu wurden Zusammensetzung und Dicke des Klebepapiers verbessert, um die Verbindung zwischen Haut und Elektrode zu optimieren. „Hirnstromwellen befinden sich im niedrigen Frequenzbereich und EEG-Signale haben eine sehr geringe Amplitude. Sie sind viel schwieriger in einer hohen Qualität zu erfassen als EMG- oder EKG-Signale“, erklärt Laura Ferrari, die während ihrer Doktorarbeit an diesem Projekt arbeitete und jetzt als Postdoc in Frankreich forscht. In ersten Tests konnten die Tattoo-Elektroden mit konventionellen EEG-Elektroden mithalten. „Durch den Tintenstrahldruck und die handelsüblichen Substrate sind unsere Tattoos aber deutlich günstiger als derzeitige EEG-Elektroden und bieten im direkten Vergleich auch mehr Vorteile hinsichtlich Tragekomfort und Langzeitmessungen“, erklärt Francesco Greco.
Durch den Halt auf der Haut ohne Gel, welches bei herkömmlichen Elektroden schnell austrocknet, können die Tattoo-Elektroden auch über mehrere Tage hinweg im Einsatz bleiben und für Langzeitmessungen eingesetzt werden. Auch wenn Haare durch das Tattoo durchwachsen, beeinträchtigt dies die Signalübertragung und Leistungsfähigkeit der Elektrode nicht. Die neuartigen Elektroden sind zudem kompatibel mit der Magnetenzephalographie (MEG), einer Methode zur Überwachung der Gehirnaktivität. In Zukunft könnten die Tattoo-Elektroden im medizinischen Bereich eingesetzt werden. Für die Forschenden sind aber auch Anwendungen im Neuroengineering – der Umsetzung informationsverarbeitender biologischer Systeme in der Technik – oder im Bereich von Gehirn-Computer-Schnittstellen vorstellbar.
cp, 26.05.2020
News+Stories der TU Graz, Institut für Festkörperpysik, vom 13.05.2020