Familiäre Hypercholesterinämie

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Cholesterin, manchmal auch als Cholesterol und umgangssprachlich häufig auch als Blutfett bezeichnet, ist im eigenetliche Sinne kein herkömmliches Fett. Es unterscheidet sich durch seine Ringstruktur deutlich von Triglyceriden. Cholsterin wird in der Zelle zum Aufbau der Zellmembranen verwendet. Der Großteil des im Körper vorhandenen Cholesterins wird nicht über die Nahrung aufgenommen, sondern in der Leber produziert. Jedoch beeinflusst unsere Ernährung, wieviel Cholesterin von der Leber hergestellt wird. Da Cholesterin nicht wasserlöslich ist, wird es für den Transport im Blut an sogenannte Lipoproteine gebunden. Je nach Dichte heißen diese „Low Density Lipoproteine“ (LDL) bei geringerer Dichte, oder „High Density Lipoproteine“, wenn dieses eine hohe Dichte aufweist.

Da das  LDL das Cholesterin von der Leber in die Organe transportiert, ist es das Cholesterin, welches im Volksmund häufig als „schlechtes“ Cholesterin bezeichnet. Überschüssiges LDL-Cholesterin im Blut kann bereits in frühen Jahren zu atherosklerotischen Veränderungen fühen. Das sind Verkalkungen der Arterien, die zu Herzinfarkten oder Schlaganfällen führen können.

Wie kommt es aber dazu, dass sich zu viel LDL- Cholesterin im Blut befindet? Ein erhöhter LDL-Cholesterin Spiegel kann entweder durch fettreiche, unausgewogene Ernährung entstehen, jedoch auch familiär veranlagt sein: etwa 1 von 250 Personen in Österreich leiden an der sogenannten Familiären Hypercholesterinämie (FH), einer genetisch bedingten Erhöhung des LDL-Cholesterins. Das entspricht, auf die Einwohnerzahl übertragen, etwa 30.000 an FH erkrankten ÖsterreicherInnen – viele davon unwissentlich, denn die Diagnoserate liegt unter 10 %.

 

Zwei Formen von Familiärer Hypercholesterinämie

Heute weiß man, dass es zwei Formen der Familiären Hypercholesterinämie gibt: die häufigere heterozygote FH und die sehr seltene, aber wesentlich gefährlichere homozygote FH. Letztere zählt mit einer Häufigkeit 1:300.000 zu den seltenen Erkrankungen, den sogenannten „Orphan Diseases“ und birgt eine hohe Gefahr für atherosklerotische Erkrankungen, da Betroffene LDL-Cholesterinwerte von weit über 600 mg/dL liegen. Oft prägen sich Herz-Kreislauferkrankungen dadurch bereits im Kindesalter aus. Im Vergleich dazu haben Betroffene der häufigeren herterozygoten FH typischerweise zwischen 200 und 400 mg/dL LDL-Cholesterin, hier ist die Erkrankung oft über lange Zeit versteckt.

 

Das LDL-Rezeptor-Gen und Vererbung

Von der Entdeckung der FH in den 1970er-Jahren bis zur Entschlüsselung der dafür verantwortlichen Gene dauerte es nicht lange: Bereits in den 1980er-Jahren fanden die amerikanischen Wissenschaftler Joseph Goldstein und Michael Brown  heraus, dass bei den meisten von FH betroffenen Individuen Mutationen im sogenannten LDL-Rezeptor-Gen für die Erkrankung verantwortlich sind. Für diese Erkenntnis erhielten sie  1985 den Nobelpreis für Medizin und Physiologie.

Mittlerweile kennt man über 1700 Mutationen im LDL-Rezeptor-Gen, die zu verschieden starken Ausprägungen von FH führen und für etwa 75 % aller FH-Fälle verantwortlich sind. Die restlichen 25 % werden durch Mutationen in anderen bekannten Genen, wie beispielweise dem LDL-Rezeptor-Adaptor-Protein, und auch durch Veränderungen in noch unbekannten Genen verursacht.

Die klassische Form, bei der Mutationen im LDL-Rezeptor Gen auftreten, folgt einem autosomal-dominanten Erbgang. Das bedeutet, jedes Kind eines von FH betroffenen hetrerozygoten Elternteils trägt ein 50% iges Risiko, ebenfalls die Anlagen für FH zu erben und somit aufgrund der Dominanz die Krankheit auch auszuprägen. Die selteneren Mutationen im LDL-Rezeptor-Adapter-Protein bilden eine Ausnahme, sie werden autosomal-rezessiv vererbt. Bei diesem Erbgang erhalten auch 50% der Nachkommen die rezessive Anlage für FH von einem heterozygoten Elternteil. Die Nachkommen sind aber aufgrund der rezessiven Ausprägung nur AnlageträgerInnen - so genannte KonduktorInnen - wenn sie nicht auch vom zweiten Elternteil die Anlage für FH erben. KonduktorInnen, tragen zwar eine bestimmte Erbanlage und können diese auch weitergeben, prägen sie aber nicht aus.

Nicht immer wird bei einer klinisch diagnostizierten FH eine verursachende Mutation nachgewiesen. Wenn mehrere, oft auch nicht identifizierbare Gene eine Rolle spielen, spricht man von polygenetisch verursachter FH.

 

Diagnose der Familiären Hypercholesterinämie

Eine familiäre Hypercholesterinämie liegt laut Dutch Lipid Clinic Network Score, einem Kriterienkatalog für die Diagnose der heterozygoten FH vor, wenn das Gesamtcholesterin über 290 mg/dl oder das LDL-Cholesterin über 190 mg/dl liegt, wenn Xanthome (knotige Fettablagerungen in der Haut) oder ein Arcus  lipoides (weißgelber Ring um die Iris) vorhanden sind, beziehungsweise die Hälfte der Verwandten ersten Grades ebenfalls einen erhöhten LDL-Cholesterinwert aufweisen. Die Familienanamnese ist deshalb für die Diagnose entscheidend. Wenn bei Eltern oder Geschwistern der Eltern frühzeitig koronare Herzkrankheiten (Männer unter 55, Frauen unter 60 Jahren) aufgetreten sind, sollten die Kinder unbedingt auch auf FH untersucht werden. Denn ein genetisch bedingt erhöhter Cholesterinspiegel ist nachweislich mit einem fünffach erhöhten Erkrankungsrisiko im Vergleich zur Gesamtbevölkerung verbunden. In Analogie zu den „Pack Years“ bei Rauchern spricht man auch von „Cholesterinjahren“: Je höher der LDL-Cholesterinspiegel ist, je länger der Zeitraum der Erhöhung und je mehr zusätzliche Risikofaktoren vorhanden sind, umso früher kommt es zu einem kardiovaskulären Ereignis, wie etwa einem Herzinfarkt. Etwa bei der Hälfte der heterozygoten männlichen Betroffenen findet die Erstmanifestation vor dem 50. Lebensjahr statt, wenn die Betroffenen keine Therapie erhalten; bei Frauen im Schnitt zehn Jahre später. Die klinische Diagnose kann durch eine molekulargenetische Analyse abgesichert werden.

 

Therapie der Familiären Hypercholesterinämie

Glücklicherweise ist die familiäre Hypercholesterinämie im Gegensatz zu vielen anderen genetischen Erkrankungen behandelbar. Dazu ist eine entsprechende Änderung des Lebensstils notwendig , es wird zu adäquater Ernährung geraten: viel Obst, Gemüse, gesunde Öle wie Oliven- und Rapsöl, Vollkornprodukte, Nüsse und Hülsenfrüchte, wenig tierische Fetten, fette Fischarten wie Lachs, Makrele, Thunfisch oder Sardinen. Auch reichlich Bewegung ist für FH-PatientInnen wichtig. Außerdem gibt es gut erforschte, nebenwirkungsarme Medikamente, die den schädlichen LDL-Cholesterinwert auf Normalwerte senken und so das Risiko einer Herzkreislauferkrankung um bis zu 20 Prozent senken. Worauf Betroffene auf jeden Fall verzichten sollten, ist das Zigarettenrauchen, da es für diese Personen ein zusätzliches Risiko darstellt.

Die Standardtherapie bei FH ist die Verabreichung von Statinen. Oftmals werden diese auch mit der Wirksubstanz Ezetimibe kombiniert, die die Resorption des Cholesterins an den Zottenzellen des Dünndarms hemmt. Bei schwereren Fällen oder wenn bereits ein Herz-Kreislauf-Ereignis stattgefunden hat, kommen auch modernere Wirksubstanzen, die alle zwei Wochen subkutan gespritzt werden, zum Einsatz: die sogenannten PCSK9-Inhibitoren. Betrug die Lebenserwartung bei Betroffenen der seltenen und gefährlichen homozygoten FH früher durchschnittlich nur 17,7 Jahre, kann diese durch die sogenannte LDL-Apherese – eine Art Blutwäsche, die einmal wöchentlich durchgeführt wird – heute beträchtlich erhöht werden und ermöglicht diesen PatientInnen ein weitgehend normales Leben. Ebenso ist die Wirksubstanz Lomitapid in Europa für homozygote PatientInnen zugelassen. Sie inhibiert ein intrazelluläres Lipid-Transfer-Protein, das für die Bindung und den Transport einzelner Lipidmoleküle zwischen Membranen verantwortlich ist.

 

„Fass dir ein Herz“ Register & Screening für Familiäre Hypercholesterinämie der Österreichischen Atherosklerosegesellschaft

Bis vor kurzem gab es Österreich keine Vorsorgeprogramme für familiäre Hypercholesterinämie. Auch im Mutter-Kind-Pass wird die Erbkrankheit, die mit einfachem Bluttest diagnostiziert und, wenn erwünscht, durch eine molekulargenetische Untersuchung bestätigt werden kann, nicht abgefragt. Einzig allein bei Stellung zum Bundesheerdienst und im Rahmen freiwilliger Gesundenuntersuchungen im Erwachsenenleben wird eine familiäre Hypercholesterinämie eventuell festgestellt – oder eben erst nach Auftreten einer schweren Folgeerkrankung wie Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Das „Fass dir ein Herz“ Register- und Screeningprogramm der Österreichischen Atherosklerosegesellschaft AAS (www.aas.at) unter der wissenschaftlichen Leitung von Univ.Prof. DDr. Christoph Binder will eine bessere Betreuung von Betroffenen erreichen und die Diagnoserate erhöhen, denn mit jedem diagnostizierten Patienten/ jeder diagnostizierten Patientin sind auch Erkrankungen bei weiteren erst- und zweitgradig verwandte Familienmitgliedern zu erwarten. Diese zu entdecken und, wenn notwendig, einer medikamentösen Therapie zuzuführen, würde die Häufigkeit von Herz-Kreislauf-Erkrankungen – immerhin Todesursache Nr. 1 in Österreich – drastisch senken. Das Projekt wird vorerst an den medizinischen Universitätskliniken in Wien, Graz und Innsbruck als Pilotstudie durchgeführt und soll allmählich auf ganz Österreich ausgeweitet werden. Durch die im Projekt vorgesehenen molekulargenetischen Untersuchungen soll nicht nur für alle PatientInnen Klarheit über die eigene  Erkrankung erzielt werden, sondern auch die tatsächliche Prävalenz (Häufigkeit) der familiären Hypercholesterinämie in Österreich eruiert werden. Außerdem wird das FH Register einen Beitrag in Richtung personalisierte Medizin leisten, denn es ist nicht auszuschließen, dass je nach vorliegender Genmutation PatientInnen besser oder schlechter auf bestimmte Medikamente und Therapien ansprechen. Die molekulargenetisch abgeklärte Gewissheit, dass eine FH vorliegt, erhöht des Weiteren die Compliance (die Bereitschaft zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme) der PatientInnen. Die PatientInnenorganisation FHchol Austria (www.fhchol.at) unterstützt das Projekt und widmet sich vor allem der Bewusstseinsschärfung für diese häufige, aber unterdiagnostizierte Erkrankung.

 

Sie möchsten noch mehr Informationen zum Thema FH oder sind selbst betroffen? Am 08.11.17 findet am CeMM in Wien das Symposium für Familiäre Hypercholesterinämie statt. Mehr dazu hier.

 

Quellen:

FH-Register und Screening für Familiäre Hypercholesterinämie

Hobbs H.H., Brown M.S., Goldstein J.L., Molecular genetics of the LDL receptor gene in familial hypercholesterolemia, (1992), Hum Mutat.;1(6):445-66.

Marks D., Thorogooda M., Neil H.A.W., et. al., A review on the diagnosis, natural history, and treatment of familial hypercholesterolaemia (2003), Atherosclerosis, Jan 20; 168 (1): 1-14

Børge G. Nordestgaard, M. John Chapman, Steve E. Humphries, for the European Atherosclerosis Society Consensus Panel; Familial hypercholesterolaemia is underdiagnosed and undertreated in the general population: guidance for clinicians to prevent coronary heart disease : Consensus Statement of the European Atherosclerosis Society (2013). European Heart Journal, Dec1, 34 (45): 3478–3490

 

 

 

EK, 12.10.2017