Bionisches Kräftemessen: Weltweit erster Cybathlon

Das Team Mirage 91 der TU Graz, Pilot Gerhard Kleinhofer, Prim. Dr. Matthias König, Prof. Dipl. Ing. Dr. Gernot Müller-Putz, Bild: VAMED

74 AthletInnen aus 25 Ländern zeigen beim Cybathlon, wie ihnen Robotertechnik im Alltag hilft. Am Samstag, den 8. Oktober 2016 findet dieses weltweit erste bionische Kräftemessen in Kloten (Zürich) in der Schweiz statt.

Letzte Vorbereitungen

Seit Monaten trainieren weltweit 74 AthletInnen aus 59 Teams, darunter auch zwei aus Österreich, intensiv. Die beteiligten WissenschaftlerInnen und Unternehmen feilen gemeinsam mit ihnen noch an den letzten Verfeinerungen der Technik. Bis zum Wettkampf muss das Zusammenspiel von Technik und AnwenderIn perfekt aufeinander abgestimmt sein. Nur dann gelingt es, mit einer Roboterhand mühelos Dosen zu öffnen, mit einer Beinprothese von Stein zu Stein zu springen oder zügig mit einem Rollstuhl über Schrägen zu rollen. Selbst virtuelle Avatare überwinden dank neuster Technik allein durch die Kraft der Gedanken Hindernisse.

Virtuelles Rennen mit Gedankensteuerung

Im Gegensatz zu den paralympischen Spielen steht beim Cybathlon nicht die sportliche Höchstleistung, sondern die optimale Verbindung von alltagstauglichen robotischen Hilfsmitteln und deren AnwenderInnen im Vordergrund. In sechs Disziplinen treten die TeilnehmerInnen gegeneinander an. Beim Brain Computer Interface Rennen (BCI), einem virtuellen Rennen mit Gedankensteuerung, steuern die PilotInnen mittels Gehirn-Computer-Schnittstellen (BCIs) künstliche Figuren (Avatare) in einem speziell entwickelten Computerspiel. Die BCIs messen dabei die Hirnsignale. Diese Technologie soll so weiterentwickelt werden, dass Menschen, die weder Arme noch Beine bewegen können, künftig auf diesem Weg verschiedene Geräte wie z.B. einen Computer, einen Roboterarm oder einen Rollstuhl steuern können. Beim virtuellen Rennen mit Gedankensteuerung müssen sich die BCIs in einem Computerspiel in punkto Zuverlässigkeit und Präzision bewähren.

Bei den PilotInnen, die an diesem Rennen teilnehmen, ist die Motorik ab Halshöhe aufgrund einer Rückenmarksverletzung, eines Schlaganfalls, einer neurologischen Erkrankung oder einer sonstigen Verletzung entweder stark beeinträchtigt oder gar nicht vorhanden (Paralyse). Die meisten Teams bedienen sich der Elektroenzephalografie (EEG) zur Erkennung von Hirnsignalen, aber auch andere Methoden wie etwa die Nahinfrarotspektroskopie (NIRS) sind zugelassen.

Zwei Teams aus Österreich

Aus Österreich nehmen zwei Teams teil. Das Team „Mirage 91“ der Technischen Universität Graz unter der Führung von Professor Dipl. Ing. Dr. Gernot Müller-Putz, Leiter des Instituts für Neurotechnologie der TU Graz, nimmt mit Pilot Gerhard Kleinhofer am Bewerb Virtuelles Rennen mit Gedankensteuerung (BCI) teil. Gerhard Kleinhofer war Sportdirektor des österreichischen Rodelteams im Naturbahn-Rodeln. Im Jänner 2014 erlitt der damals 34-Jährige einen Schlaganfall im Hirnstamm. Seitdem ist die Beweglichkeit seiner Arme, Beine und selbst der Finger extrem reduziert. Doch der Vater eines vierjährigen Sohnes kämpfte sich mit Hochdruck wieder ins Leben zurück: unter anderem mit einem speziellen Rollstuhl mit Joystick. Diesen kann er steuern, weil er seine Finger etwas bewegen kann.

Neben dem Computer Interface Rennen gibt es unter anderem einen Geschicklichkeitsparcours mit Armprothesen, einen Hindernisparcours mit Beinprothesen und einen Hindernisparcours für Exoskelette. An diesen Disziplinen nimmt ein Team von Otto Bock Healthcare Products für Österreich teil.

Die Parcours, die die Teams absolvieren müssen, sind so angelegt, dass sie Alltagsaktivitäten abbilden. Auf diese Weise wird gezeigt, wie gut sich die jeweilige Technologie dazu eignet, die NutzerInnen beispielsweise beim Treppensteigen oder beim Öffnen von Türen zu unterstützen.

Barrierefreie Zukunft durch Technik

Neben der Organisation eines spannenden internationalen Wettkampfes verfolgt die ETH Zürich mit dem Cybathlon zwei weitere Ziele. «Die Vorbereitungen zum Cybathlon haben uns allen die Augen geöffnet für die Bedürfnisse von Menschen, die körperlich eingeschränkt sind», erläutert Initiator Robert Riener, Professor für Sensomotorische Systeme an der ETH Zürich, und kommt zum Schluss: «Zu viele von uns wissen zu wenig über die ganz alltäglichen Probleme der Menschen mitten unter uns – das wollen wir ändern.»

Gleichzeitig findet zum Auftakt des Cybathlons am 6. Oktober 2016 ein Symposium mit hochkarätigen WissenschaftlerInnen statt. Damit möchte die ETH Zürich die Forschenden und EntwicklerInnen anspornen, an Technologien zu tüfteln, die ihren AnwenderInnen im Alltag auch tatsächlich etwas nützen.

 

Weitere Informationen:

Mehr zum Cybathlon: http://www.cybathlon.ethz.ch/

Cybathlon Symposium: http://www.cybathlon-symposium.ethz.ch/

Zum Team Mirage 91: https://www.tugraz.at/projekte/bci-rt/cybathlon/

 

Artikel erstellt am: 3.10.2016 von BG