Die politische Steuerung von Wissenschaft und Technik ist heute durch Versuche gekennzeichnet, die Öffentlichkeit mehr in Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Erfahrungen aus der Gentechnikdebatte der 1990er haben gezeigt, dass es nicht ausreicht die Öffentlichkeit über wissenschaftliche Entwicklungen zu informieren, sondern diese auch dazu eingeladen werden sollte an deren Gestaltung aktiv zu partizipieren. Es handelt sich also um eine Demokratisierung von politischen Entscheidungsprozessen. Anstatt von Partizipation werden hier vielfach auch die englischen Begriffe „engagement“ und „deliberation“ verwendet.
Praktisch bedeutet Partizipation, dass BürgerInnen gemeinsam mit ExpertInnen aus Wissenschaft und Politik in einen Dialog treten und sich alle Beteiligten für die anderen Perspektiven und Anliegen öffnen. Wissenschaft und Politik müssen sich also auf die Sorgen der Bevölkerung einlassen und diese als ExpertInnen ihrer eigenen Lebenswelt anerkennen. Ein „echter Dialog“ ist von gegenseitigem Vertrauen geprägten und ermöglicht Lernprozesse bei Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit.
Bekannte Beispiele für Formen öffentlicher Partizipation sind BürgerInnen-Jurys, Konsensuskonferenzen, Konsultationsverfahren, Stakeholder-Workshops, Zukunftswerkstätten und zunehmend auch Internetdialoge. Im Rahmen von Konsensuskonferenzen befragt etwa eine Gruppe von Laien ExpertInnen anhand von eigenen Fragestellungen und formuliert abschließend einen Endbericht als Entscheidungsgrundlage für die Politik. Das Konzept der Konsensuskonferenz wurde von Dänemark ausgehend bereits in verschiedene Länder „exportiert“ und gilt als Musterbeispiel erfolgreicher Beteiligungsformen.
Partizipation wird derzeit auch vermehrt in der Technikfolgenabschätzung eingesetzt. Sie hat zum Ziel politische Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse zu den Folgen von Forschung und Technologieentwicklung anzuregen. Unter Folgen können hier Gesundheits- oder Umweltrisiken aber auch gesellschaftliche Aspekte (z.B. Zugang zu neuen Technologien oder dahinterliegende Interessen) verstanden werden. Partizipative Technikfolgenabschätzung bedeutet nun abseits klassischer ExpertInnen-zentrierter Zugänge die Perspektiven von BürgerInnen einzubeziehen, wodurch soziale und ethische Fragen stärker in den Mittelpunkt rücken.
Heute ist man sich weitgehend einig: Der gesellschaftlicher Dialog muss früh starten, noch bevor politische Entscheidungen getroffen und Investitionen getätigt sind. Weitgehend widerlegt ist heute auch die Vorstellung, dass ein Wissensdefizit in der Öffentlichkeit für ablehnende Haltungen gegenüber neuen Technologien verantwortlich wäre. Bloße Information kann Menschen nicht so einfach von den Vorteilen neuer Technologien überzeugen, da es so etwas wie „reine“ Information gar nicht gibt. Ziel von partizipativen Initiativen ist es daher nicht einfach Akzeptanz herzustellen, sondern einen Dialog in und mit der Öffentlichkeit anzustoßen, in dem unterschiedliche Stimmen und Positionen Gehör finden und in einen regen Austausch miteinander treten.
Inwiefern diese Forderung aber wirklich in der Praxis umgesetzt wird, ist umstritten. PolitikerInnen betonen zwar, auf Partizipation Wert zu legen, gleichzeitig gibt es viele Beispiele partizipativer Initiativen, die an klassische Informationsvermittlung erinnern und dazu verwendet werden, öffentliche Debatten zu vermeiden. Entscheidend für den Effekt von partizipativen Prozessen ist zudem, dass deren Ergebnisse auch von der Politik aufgenommen und umgesetzt werden. Ansonsten entsteht bei den teilnehmenden BürgerInnen schnell das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, wodurch das Vertrauen in politische Institutionen und Entscheidungsträger erst recht schwindet.
Ein interessantes Beispiel für eine groß angelegte partizipative Initiative zum Thema Gentechnik fand in Großbritannien 2002/03 unter dem Namen GM Nation? statt. Diese Initiative hatte zum Ziel, eine landesweite Debatte zum kommerziellen Anbau von genetisch verändertem Getreide in England anzuregen und das Spektrum der öffentlichen Meinung zu erheben. Der GM Nation? Dialog selbst wurde von einer unabhängigen Kommission organisiert, die aber von der Regierung beauftragt war.
Zu Beginn der Initiative hatte sich die Debatte um die Gentechnik bereits in BefürworterInnen und GegnerInnen polarisiert. Den Veranstaltern war es ein Anliegen, die Debatte nicht von bestehenden Interessensgruppen dominieren zu lassen. Das heißt, es sollten in erster Linie Mitglieder der Öffentlichkeit teilnehmen, die noch nicht aktiv in die öffentliche Debatte involviert waren. Das Beispiel zeigt: Bei der Öffentlichkeit handelt es sich um keine homogene Einheit sondern um verschiedene Gruppen, die sich z.B. aufgrund von bestehendem Interesse, Betroffenheit oder Bildungshintergrund unterschieden werden. Öffentlichkeit existiert also nicht einfach sondern wird durch partizipative Initiativen erst hergestellt. Aus diesem Grund ist es wichtig zu beobachten, wer zur Partizipation eingeladen wird und somit eine Stimme erhält. Manche Gruppen oder Individuen gelten als legitime Stimmen der Gesellschaft, während andere nicht eingeladen und damit auch nicht gehört werden. Gerade bereits engagierte Personen mit einer klaren Meinung zur Gentechnik können aber einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten, schließlich nehmen deren Positionen auch in der politischen Diskussion eine wichtige Rolle ein.
Zurück zu GM Nation?. Die Initiative beinhaltete einen 6-wöchigen, mehrstufigen Dialogprozess, bestehend aus offenen (jeder, der wollte, konnte teilnehmen) und geschlossenen (TeilnehmerInnen wurden nach bestimmten Merkmalen ausgewählt) Diskussionsrunden. Insgesamt nahmen über 20.000 Personen in ganz Großbritannien an diesen Diskussionen teil. Die Ergebnisauswertung dieses Dialogprozesses verdeutlicht ein zentrales Dilemma partizipativer Initiativen: Es ist nämlich nicht so einfach, konkrete Ergebnisse zu identifizieren und den Erfolg von Partizipation zu messen. So ist es wenig verwunderlich, dass sich die Ergebnisse der Organisatoren und jene des unabhängigen Evaluationsteams zum Teil widersprechen. Letztere streichen etwas die Ambivalenz der öffentlichen Haltungen hervor, was bedeutet, dass sich oftmals nicht klar sagen lässt, ob die Öffentlichkeit sich jetzt für oder gegen Gentechnik ausspricht. Die Haltung der breiteren Öffentlichkeit ließ sich jedenfalls nicht als völlig ablehnend sondern eher als skeptisch charakterisieren.
Relativ eindeutig wurde allerdings festgestellt, dass die Bevölkerung besonderes Misstrauen gegenüber großen Konzernen und der Regierung äußerte. Ihnen wurde ein starkes Interesse an der öffentlichen Akzeptanz von Gentechnik unterstellt. Damit verbunden ist auch der Wunsch nach unabhängiger und glaubwürdiger Information zum Thema. Das zentrale Problem in Debatten wie um die Gentechnik ist aber, dass es oftmals keine klare Faktenlage gibt, was potentielle Risiken oder Auswirkungen angeht. Wissenschaftliches Wissen kann dann nicht als (alleinige) Entscheidungsgrundlage für den gesellschaftlichen Umgang mit solchen neuen Technologien herangezogen werden. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse von GM Nation?, dass mehr Beteiligung nicht automatisch zu mehr Vertrauen in neue Technologien oder „informierter“ Meinungsbildung, sondern auch zu größerer Skepsis führen kann.
Der Ruf nach öffentlicher Partizipation in Technologiefragen hat in Europa besonders um die Jahrtausendwende an Lautstärke gewonnen. Wie dieser Ruf aber in der nationalen politischen Praxis Gehör findet, hängt mit der politischen Kultur des jeweiligen Landes zusammen. Europa ist in dieser Hinsicht nämlich keineswegs einheitlich. Während öffentliche Partizipation in nordischen Ländern wie etwa Dänemark an der Tagesordnung steht und eine lange Tradition hat, ist dies in südlicheren und korporatistisch organisierten Ländern wie Österreich nicht der Fall. Korporatistisch bedeutet, dass bestimmte gesellschaftliche Gruppen wie etwa die Sozialpartner an politischen Entscheidungsprozessen beteiligt sind. In Verhandlungen zwischen diesen Gruppen geht es darum, einen praktikablen Kompromiss zwischen verschiedenen Interessen zu finden und so soziale Konflikte, Streiks und Kontroversen zu hindern. Dieser Prozess der Konsensfindung findet meist hinter verschlossenen Türen statt, d.h. es ist stark reguliert, wer zu diesen Verhandlungen zugelassen wird. Vor diesem Hintergrund findet sich in Österreich kein kulturelles und institutionelles Milieu für partizipative Verfahren.
Wenn sich die österreichische Forschungspolitik an die Öffentlichkeit wendet, so tut sie dies noch immer in erster Linie durch Informations- und Awarenesskampagnen. Diese verfolgen das Ziel, ein innovationsfreundliches Klima und öffentliches Bewusstsein zur Bedeutung von Forschungs- und Technologieentwicklung für den Wirtschaftsstandort Österreich zu schaffen. Kampagnen dieser Art werden oftmals durch den Mythos der „technikfeindlichen“ ÖsterreicherInnen legitimiert, der in politischen Institutionen aber auch in Medien kursiert. Hinter diesem Mythos verbirgt sich die Vorstellung, die Öffentlichkeit stünde Wissenschaft und Forschung prinzipiell skeptisch oder sogar ablehnend gegenüber. Solche generalisierende Annahmen sind allerdings keineswegs durch sozialwissenschaftliche Erkenntnisse gestützt und können auch durch Beispiele wie die weitverbreitete Handynutzung oder die Akzeptanz von Medizintechnologien widerlegt werden. Technologie ist nicht gleich Technologie, und jede Technologie ist immer bereits mit spezifischen sozialen, ethischen und politischen Aspekten verknüpft.
Trotz starker Defizite in der Partizipationskultur ist man mit einiger Verspätung mittlerweile auch in Österreich im partizipativen Zeitalter angekommen. Um die Innovationspolitik für gesellschaftliche Anliegen und die Öffentlichkeit zu öffnen, wurde etwa das ELSA-Begleitforschungsprogramm zur österreichischen Genomforschung (GEN-AU) eingerichtet. In einem ELSA-Programm geht es darum, die ethischen, rechtlichen und sozialen Aspekte (ELSA steht für Ethical, Legal, and Social Aspects) naturwissenschaftlicher Forschung zu reflektieren. Seit 2000 gibt es in Österreich immer wieder vereinzelte partizipative Experimente, wie etwa 2003 die nach dänischem Vorbild konzipierte BürgerInnenkonferenz „Genetische Daten. Woher? Wohin? Wozu?“. Diese BürgerInnenkonferenz hatte aber wie die meisten anderen partizipativen Initiativen in Österreich weder Einfluss auf politische oder legislative Prozesse, noch wurde das Thema medial aufgegriffen.
Am Beispiel der BürgerInnenkonferenz zeigt sich auch, dass Partizipationsverfahren immer aus und für einen spezifischen kulturellen und politischen Kontext entwickelt werden. Man kann sie daher nicht einfach so von einem nationalen Kontext in einen anderen übertragen. Was in einem Land funktioniert, kann in einem anderen scheitern. In Österreich ist es der Öffentlichkeit aufgrund der fehlenden partizipativen Tradition bisher nur durch breite Protestbewegungen gelungen, politisches Gehör zu finden und in der Steuerung von Forschungs- und Technologiepolitik aktiv Einfluss zu nehmen (siehe die Debatten um Atomkraft und Grüne Gentechnik). In politisch angestoßenen partizipativen Initiativen wurde der Öffentlichkeit eher die Rolle des zu erziehenden Zuhörers als der des gleichberechtigten Partners zugewiesen. Weitere Kritik an Partizipation in Österreich wird oftmals in Hinblick auf eine fehlende Gesamtstrategie und Nachhaltigkeit von einzelnen Aktivitäten geübt. Vielfach bleibt es bei Lippenbekenntnissen zu Partizipation und bei realer Informationspolitik.