Unflexibles Gehirn könnte Autismus zugrunde liegen

Labormaus, Bild: Shutterstock

ForscherInnen vom IST Austria in Klosterneuburg fanden heraus, dass Mäuse mit defektem Setd5 Gen, die ähnliche Symptome wie Personen mit Autismus und geistiger Behinderung aufweisen, stabile, schwer zu überschreibende Erinnerungen im Gehirn bilden und sie daher Schwierigkeiten haben, sich an neue Situationen anzupassen. Die aktuelle Studie im Mausmodell wurde von WissenschaftlerInnen des IST Austria in Klosterneuburg und des European Molecular Biology Laboratory in Heidelberg (Deutschland) durchgeführt und diese Woche in Nature Neuroscience publiziert.

Erinnerungen sind durch Gendefekt stabiler

Bereits 2014 wurde von WissenschaftlerInnen um Gaia Novarino vom IST Austria in Klosterneuburg entdeckt, dass bei einem Prozent der Personen mit Autismus und geistiger Behinderung eine Mutation im Setd5 Gen zu finden ist. Ausgehend von diesen Erkenntnissen veränderten die ForscherInnen nun Mäuse genetisch so, dass diese eine mutierte und eine intakte Kopie des Setd5 Gens trugen. In den so veränderten Tieren untersuchten sie dann sowohl deren Verhalten als auch die molekularen Auswirkungen des Eingriffs.

Mäuse mit dem induzierten Gendefekt wiesen nicht nur Störungen in der frühen Entwicklung, sondern auch Veränderungen in der Verarbeitung von Signalen ans Gehirn auf. Einerseits zeigten die Mäuse schon im Embryonalstadium eine veränderte Regulation der Genaktivität. Das Produkt von Setd5 ist in gesunden Mäusen wichtig, um den Prozess zu regulieren, bei denen Gewebe sich spezifizieren, also in eine bestimmte Richtung entwickeln. Ist nun das Gen mutiert, so kommt es zu Veränderung in der Entwicklung verschiedener Gewebe, und die Entwicklung des gesamten Organismus ist gestört.

Die ForscherInnen bemerkten allerdings noch einen anderen Effekt, wenn eine Kopie von Setd5 defekt war: Bestimmte Signale, die ans Gehirn der Mäuse gelangten, konnten nicht richtig verarbeitet werden. Die Genaktivität in erkrankten Mäusen war so verändert, dass sich Erinnerungen dabei anscheinend besonders tief ins Gehirn „einbrannten“. Das Gedächtnis der Tiere schien stabiler zu sein als das gesunder Mäuse, das Gehirn der Tiere wurde unflexibel. Dies könnte in weiterer Folge erklären, warum sie sich schwertaten, sich an neue Situationen anzupassen. Ein solches Verhalten kann auch bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen beobachtet werden.

Gehirnstruktur gleich, Verhalten verändert

Bei den Mäusen mit defektem Setd5 wurden die Signale, die beim Lernen oder der Gedächtnisbildung ans Gehirn gingen, dort anders als bei normalen Tieren verarbeitet: Das stabile Gedächtnis konnte bei ihnen kaum mehr überschrieben werden. Doch die Mäuse mit dem mutierten Gen wiesen dabei keineswegs eine veränderte Hirnstruktur auf, sondern lediglich eine andere Dynamik des Gedächtnisses. Dies lässt die WissenschaftlerInnen nun positiv in die Zukunft blicken. Ist nicht die Morphologie des Gehirns bei PatientInnen mit Autismus oder genetisch bedingter geistiger Behinderung betroffen, scheint eine einfachere Behandlung möglich. So könnte man vielleicht kognitive Probleme in den Griff bekommen, so die Hoffnung der ExpertInnen. Allerdings ist noch offen, wo die Forschung ansetzen wird, um eine Therapie für erkrankte Menschen mit einer Mutation im Setd5-Gen zu finden.

ja, 05.12.2018


Quellenangaben

APA Science, abgerufen am 30.11.2018

IST Austria, abgerufen am 30.11.2018

Nature Neuroscience, abgerufen am 30.11.2018