Personalisierte Medizin

Personalisierte Therapien, , Bild: Open Science

Das Schlagwort „Personalisierte Medizin“ taucht immer öfter im Gesundheitswesen und in den Medien als richtungsweisendes Konzept für die Medizin der Zukunft auf. Auch wenn der Begriff häufig verwendet wird, bleibt zumeist unklar was genau darunter verstanden wird, woran geforscht wird und welche Anwendungen es bereits gibt. Im Projekt „Personalisierte Medizin für und mit BürgerInnen“ ging es darum

  • den Stand und die Visionen personalisierter Medizin unter österreichischen ExpertInnen zu erheben,

  • die öffentliche Diskussion über personalisierte Medizin im Rahmen von BürgerInnen-Dialogen anzuregen

  • und die Öffentlichkeit über personalisierte Medizin durch einen Folder zu informieren.

Weitere Informationen, die im Folder keinen Platz gefunden haben, finden Sie im Folgenden.

Gegenwärtige Anwendungen

Die Mehrheit der gegenwärtig verfügbaren personalisierten Medikamente wird in der Krebstherapie eingesetzt, vor allem bei Brust-, Lungen- und Hautkrebs sowie bestimmten Leukämieformen. Auch in der Transplantationsmedizin und der Behandlung von Autoimmun- und Infektionserkrankungen wie Hepatitis C oder HIV/AIDS ist personalisierte Medizin bereits Realität.

Therapie

Brustkrebs

Zu den ersten und bekanntesten Wirkstoffen der personalisierten Krebsmedizin gehört Trastuzumab (Handelsname: Herceptin®). Es wird in der Therapie einer bestimmten Form von Brustkrebs eingesetzt. Vor der Behandlung überprüft man mittels Gewebetests, ob es sich im jeweiligen Fall um einen Tumor handelt, bei dem der Wachstumsfaktor HER2 vermehrt an der Oberfläche der Krebszellen auftritt (eine sogenannte Überexpression). Dieser Wachstumsfaktor (Rezeptor) erhöht die Aggressivität des Krebses und steigert die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls. Eine HER2-Überexpression tritt bei etwa 20 Prozent der Brustkrebsfälle auf. Diesen HER2-positiven Patientinnen wird Trastuzumab verabreicht, das den Wachstumsfaktor angreift und so das Tumorwachstum verhindert.

Hautkrebs

Auch in der Behandlung des metastasierenden Melanoms (Hautkrebs) gibt es seit einigen Jahren einen personalisierten Therapieansatz. Bei etwa der Hälfte der betroffenen PatientInnen führt eine Überaktivität des BRAF-V600-Proteins zu Tumorwachstum und einer besonders schlechten Prognose. Zeigt der molekulardiagnostische Test diese Mutation an, kann ein Vemurafenib-haltiges Medikament verschrieben werden. Es hemmt das Krebs auslösende BRAF-Protein. Die üblicherweise kurze Lebenserwartung dieser PatientInnen verlängert sich damit im Vergleich zur Standardtherapie signifikant um einige Monate.

Lungenkrebs

Bestimmte Arten des nicht-kleinzelligen Lungenkrebses können mit Hilfe eines diagnostischen Tests erkannt und dann zielgerichtet, medikamentös therapiert werden. Ein Beispiel hierfür ist die sogenannte EGFR-aktivierende Mutation, bei der ein Wachstumsfaktor auf der Zelloberfläche zu unkontrolliertem Zellwachstum führt. Diese Genveränderung trifft auf 10 bis 15 Prozent aller nicht-kleinzelligen Lungenkrebsfälle zu. Bei diesen PatientInnen wird der Wirkstoff Gefitinib angewandt, um den überaktiven EGF-Rezeptor zu blockieren. Etwa drei Viertel davon sprechen sehr gut auf die personalisierte Behandlung an und überleben circa zwei Jahre länger als unter klassischer Chemotherapie.

Hepatitis C

Hepatitis C ist eine Virusinfektion mit verschiedenen Untertypen, die sich in ihrer molekularen Struktur und Behandelbarkeit unterscheiden. Durch diagnostische Tests wird ermittelt, welche Medikamente wie lange und in welcher Dosierung optimal für einzelne PatientInnen eingesetzt werden können. Durch diesen personalisierten Ansatz können bei einigen PatientInnen die Behandlungsdauer deutlich verkürzt (4 statt der sonst üblichen 6 bis 12 Monate) und Nebenwirkungen reduziert werden.

Vorhersage und Prävention

Neben therapeutischen Anwendungen wird oft auch die vorhersagende (prädiktive) genetische Diagnostik zur personalisierten Medizin gezählt. Diese versucht beim gesunden Menschen Genmutationen zu finden, um zukünftige Krankheitsrisiken abzuschätzen und diesen präventiv entgegen zu wirken. Auch wenn schon eine Krankheit vorliegt, kann mit Hilfe prädiktiver Diagnostik der Krankheitsverlauf vorhergesagt werden.

Ein Beispiel für den prädiktiven Einsatz personalisierter Medizin bei noch Gesunden ist, wenn sich eine Frau auf ihr genetisches Brustkrebsrisiko testen lässt. Hat sie wie die Schauspielerin Angelina Jolie eine BRCA1 Mutation, steht sie vor der Wahl wie diese eine Mastektomie (Entfernung des Brustdrüsengewebes) durchführen zu lassen oder mit dem höherem Erkrankungsrisiko zu leben. Die Aussagekraft prädiktiver Tests ist allerdings umstritten, da es sich dabei immer um Wahrscheinlichkeiten handelt.

Therapiemonitoring

Personalisierte Medizin kann sich auch auf die Kontrolle von Therapien beziehen, das so genannte Monitoring. Dabei wird das Ansprechen von Therapien durch Biomarker überwacht. Wenn man den Begriff der personalisierten Medizin etwas weiter fasst, fällt auch die Kontrolle von Therapien durch neue Technologien darunter. Diese Telemedizin könnte man sich in Zukunft beispielsweise folgendermaßen vorstellen: Nach einem Krankenhausaufenthalt installiert eine Patientin auf ihrem Smartphone oder Tablet eine Applikation (App), in die sie täglich Daten zu ihrem Gesundheitszustand einträgt. Kommt eine bestimmte Konstellation von Befunden zusammen, wird die Klinik automatisch elektronisch darüber informiert. Auf diese Weise kann der Zustand der Patientin auch aus der Distanz überwacht werden.

Maßgeschneiderte Prothesen und therapeutische Unikate

In den Genuss wirklich maßgeschneiderter Medizin kommen PatientInnen derzeit nur, wenn für sie individuell Prothesen, Implantate oder so genannte „therapeutische Unikate“ aus körpereigenen (Tumor-)Zellen hergestellt werden. Die breite Herstellung individueller Arzneimittel ist kaum umgesetzt und wird wohl auch in Zukunft allein schon aus Kostengründen schwierig sein. Diese Ansätze werden aber meist nicht im engeren Sinn zu personalisierter Medizin gezählt.

Erstellt am 27.5.2015

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